Inhalt: 131 Entwürfe zu 121 Gedichten (17 Endfassungen), Motiv-Notizen, 4 Briefe
Datierung: 16.12.1951 – 13.1.1954
Textträger: Rotbraunes Notizbuch, liniert, Bleistift
Umfang: 193 beschriebene Seiten
Publikation: Die verwandelten Schiffe (20 Gedichte), Verstreutes (3 Gedichte)
Signatur: C-2-b/05 (Schachtel 79)
Bilder: Ganzes Buch (pdf)
Spätere Stufen: Manuskripte 1952, 1953, 1954, Typoskripte 1952, 1953, 1954
Kommentar: S. 184-195 Motiv-Notizen, von hinten her eingetragen
Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften
Den diese Wolke hüllt und steigt und stillt
des Berges wechsellichte Höh ersteigt
das Maultier, zögernd vor den Wassern wild,
da sich der Knabe sorglos in das Stieben neigt:
05 dass er doch wüsste, was den Vater drängt,
dass er Gestrüpp und Fels der Höhe sucht,
hätt er nicht freigerissen in die Flucht
sein Leben, eh Gehorsams Blitz es sengt?
Doch wusst er mehr, da hoher Will entzweigt
10 dem Vaterwillen, das bedrohte Bild
des Knaben er dem Abend gern gezeigt,
wo Stern wie Sonne falben Triften gilt.
Hinter dem Palaste fällt der
Garten den steilen Hang hinab, Wildnis,
Garten der Natur, Geröll
ist da, wilder Dorn und alle Blumen,
05 die den Fuss des Menschen scheuen,
die nur bunt sind, wenn sie keines
Menschen Auge streift. O wie glücklich
ist der Falter, der dies gänzlich wissend,
dies Bereich, das aller Gärten und
10 manchen Frühlings nie gezeigten Keimling
trägt, selig überschwebt, im Wasser
spiegelnd und begrüsst von der
Schimmerechse aus brüderlicher Stummheit.
Was aber ists,
das hält und trägt
dies Meer umher,
darin wir immer schliefen // 005
05 das stille steht,
den Tag verweht
aus diesen blassen Riffen?
Die Blasen steigen
fernher grün und rot:
10 wer regte sie,
was atmet in den Tod?
Des Linnen wir, entrafft,
die Augen reiben,
bis die Lider schmerzen:
15 wir schwanken noch,
wir folgen schon gestrafft
dem sanften Fische
den Scherzen
der goldnen Flossen, treiben // 006
20 dem Scheine zu,
der grün sich allhier regt
und dort ist weisse Ruh.
Strahlend, leuchtend wie nie
versinkt die Sonne im Blut,
versinkt der niedergeschlagne
Held im Purpur, der ausströmt
05 aus seiner herrlich gefassten,
nun gelösten Gestalt,
nun aus der gebrochenen Kraft
des jubelnden Aufstiegs.
Nun, nun fällt er
10 und färbt die weite // 007
Rundung des Himmels
mit dem Gold seiner Treue,
dem Erbe¿ des vollzogenen Ganges,
nun das Gewölk
15 mit Rosen und Duft seines Heimgangs:
denn dieses bleibt uns
vom unerbittlichen Zeugen,
Glanz des herrlichen Todes rings
und endlich das
20 jenseits Entrücktem
fromm zugewandte
seine verborgene Glorie
silbern abglänzende
Antlitz der Sichel.
Westlich bleibt verblichnem Himmel
nur ein kalter Stern zurück,
während aus dem Osten wandelt
Abend sich in Tag zurück:
05 schnell schon hat erhabne Kugel
über uns sich umgedreht,
Ächzend um uralte Achsen,
Geistern, auf dem Karusselle immer immer fahrend,
ihnen ist Musik das Ächzen,
10 das ihr Reigenlied begleitet.
Sträubte wandelnd Tier Gefieder,
fiel der Pelikan hinab,
äugt es aus dem Moder wieder,
Kröte in dem düstern Grab
05 unter den geborstnen Stufen,
Jener Haupt<,> die nicht mehr rufen.
Lichtes Tier das Leben spendet,
dunkles, das verzaubert äugt:
Herrschaft dort im Blut verspendet,
10 hier ein Krönlein sie bezeugt:
in der Gruft das böse Licht
Macht der Kröte dichter flicht.
Die Landschaft, Tempel meinem heissen Traum,
der Halle Kühle triefend übern Saum des kahlen Gartens ein in dies Verlies. Wo hellste Blume Blatt und Düfte liess dem dumpfen Ruche und dem eklen Span: wo ist der Uhu, der die Ängste sann, dem kindischen Träumer, der am Weg sich gab, wohl unbedacht, dem Schlaf sich, alpbeschwertem Grab. Wo bist erwacht du, an dem schmutzigen Tisch. // 011
02 Die Strasse draussen rülpst und kaut den hellen Fisch, der lebt und glänzt im klaren Element, ein gräulich und verwesendes Gemisch, in ihrer Gier aus Gängern und Geknirsch der Strassenbahnen: schon ist er tot, fiel hin den plumpen Schergen, die<,> dessen wüste Reste Eingeweihte bergen, Abkunft und stumm bewegte Zier nicht ahnen.
Überfliege, weisser Vogel,
wirre Täler, Hirtenfeuer,
streifen deine schnellen Schwingen.
Und die Träumer um die Gluten,
05 wachen auf aus SchlummerDünsten
warmer Tiere,
ins Gestirn des nackten Himmels,
mild gestillt durch deine Flügel<,>
nah herab bewegte Lider // 013
10 mildern mir die Sternenwüste
Keiner kennt die Pinie wieder,
die der frühen Liebe schattend,
die der unverhüllten Flamme
schattend warf die Schleier nieder.
05 Keiner kennt den Staubbach wieder,
welcher hoher Liebe schimmernd,
welcher hoch gehegter Flamme
schimmernd warf Geschmeide nieder.
Keiner kennt die Sonne wieder,
10 die der toten Liebe sengend, // 014
auf die Aschenspur der Flamme
sengend stieg zum Tanz hernieder.
Wer doch liehe das Ohr
dem Rauschen des unteren Brunnens,
der vom verschütteten Haus
im Garten quillend geblieben:
05 nur hörbar dem Schläfer im Kraut.
Er stiege hinab in die Kammer,
vom alten Durste gezogen, // 015
den er erst heute erfuhr
und tränke und tränke
10 aus den moosigen Brüsten
des Bildes, das heute noch lächelt:
die Freunde aber erfänden
tot den Gefährten, der lebt
und trügen den lächelnden Leichnam
15 hinein in die Höhle<,>
nicht ahnend, dass hier ist das Tor
wo endet der Gang zum Brunnengewölbe<.>
Schon kommt der Gestillte // 016
und holt die verbrüderte Hülle
20 ins Rauschen des unteren Brunnens:
wer doch ihm liehe das Ohr!
Diese Blume
blauer Blätter
wächst nur abseits von dem Garten,
ganz versteckt in Buchs und Dorn,
05 wo die Mauer, wo die Hecke auch dem heissen Mittag wehrt.
Doch sie füllt mit ihren Düften
auch des Gartens helle Weite,
überduftet alle Rosen, aller Lilien // 017
Duft verweht vor dem süssen
10 süssen Ruch,
der verborgnem Ort entströmt.
Nicht dass ich den Morgen vergässe,
kaum veränderter Himmel,
Säule Gedächtnis erhebt sich
mir auf Trümmern des
05 Kirchleins, das auf dem Berg
ich einst wallfahrend besuchte,
einst, da mein Gebet, ver-
schleiert Fromme,
mühte auf Knien sich zum Altar: // 018
10 überschwemmt ist er noch heute
von Blumen der Sucht nach Verehrung.
Aber die Stelle des göttlichen Bildes ist leer:
Nun wallen die Düfte empor:
ob sie wohl betören die Taube
15 dort am Gesims, dass sie schwe-
be herbei und mit
Gurren hüte den Altar?
[ Wer stürzte hinab die Treppe,
die unlängst geborstne,
nicht fand er den Garten
in der Tiefe, den erhofften.
05 Nein, ihn quälte Geruch des Moders,
ihn quälte der Schlamm
verfaulter Gewächse:
und trug auch die Kröte das Krönlein,
so war ihr doch Herrschaft ]
Nächtens fällt der Fluss und
strömt Getier auf lauer Woge
in dies Gemach
und flutet auf an modrigen // 022
05 Tapeten, reisst weg den schweren
Vorhang von der Tür,
vom Bilde Davids mit dem
abgeschlagnen blutigen Haupt in Händen.
Was da schwimmt ist alles
10 das Geziefer, das von dem Waldrand
kam ins Sonnenlicht, sind Spinnen
sind die Käfer, hell gepanzert.
Das schwimmt nun tot herein,
vielleicht noch regt sich ein Flügel
15 hier, ein Fühler. Aber der
nächtige Strom trägt sie hinweg
in diese Kammer und hängt sie,
eklen Schmuck an seidene Tape-
ten, an den Vorhang, wenn er stürzt, // 023
20 und sieh, sie krabbeln verendend
auf dem blutigen Rumpf des Riesen,
die Raupe kriecht über Davids
siegesrosige Wange:
Fluss in der Nacht, lauer Fluss, der
25 trägt und umwirft, alles reisst im
Strömen. Überflutend, flutend dies Gemach.
Moder hängt an Rosenkränzen,
die noch schwanken her und hin,
her und Hin von Säul zu Säule,
welche Obelisken geben
05 Götterbildern Zweifelduft,
Zweifelduft von Tod und Leben.
Tempel hier und Tempel dorten
werfen von den Zinnen sich
modrig süsse Rosenkränze
10 tröstend zu:
hier sind Züge, Opferzüge,
Weihrauch steigt und Vasen bringen
uns die Knaben in der Nacht.
Kränze bringen uns die Mädchen,
15 modrig süsse Rosenkränze,
Kränze, Kränze Moderkränze.
Morgen wird nach dieser Nacht,
nach gewissem, süssem Dunkel:
jetzo sind die Blütenränder,
20 sind die Rosenränder weiss.
Weiss warum sind Rosenränder?
O die Kränze Rosenkränze
sind vom fauligen Moder weiss,
weiss vom Zweifelduft am Morgen.
25 Zürnend schaun die Götterbilder,
zürnend von den Säulen nieder,
von den Zinnen heiler Tempel: // 021
dieses sind wohl Rosenkränze,
aber sind nur Moderkränze.
30 Rosenkränze, Zweifelduft,
die da schwanken her und hin,
die wir hin einander werfen,
schwanken in der Frühe grau,
weil nur Nacht die Rosen zeitigt
35 und die Dämmerung sie fällt,
schwanken immer her und hin,
her und hin von Säul zu Säule
moderige Rosenkränze.
Dreht empor die Säule aus Porphyr
und endet in dem gipsernen Torso:
unwürdig höhnt die Bekrönung
starken Tänzer, der immer bleibt
05 am selben Ort und Räume besitzt
an dem einen Punkt ohne Zahl,
Grotten hineingedehnt in
dies blaue Gebirge: schweres Gebirge
gelockert, doch ein wenig erleichtert
10 durch diese Grotten, deren tropfende
Wände mancher noch nur ahnt.
Und hier tanzt die Säule, bewegt
sich immer am selben Ort, wunderbar // 023
dreht sie sich nach der Musik
15 der Mädchen am Quell, der Sän-
gerinnen dort hinten.
Immer gehöhnt von dem Torso, der
gipsernen Krönung. Hämisch bleibt
er zuhöchst, weiss jeder Drehung
20 schnell sich zu schmiegen und fängt
vom Licht des Morgens, das
durch eine winzige Luke fällt // 024
überraschend herab, stets den ersten
Strahl mit seiner schäbigen Blösse.
Wendest du dich, schmerzende Kaskade,
diesem Garten zu
wenn er perlenträchtigem Gestade
längst entsagte und dem reinen Bade
05 sich entriss der Bergesöde zu?
Schwemmst du ins Geröll die Trostagaven
strahlend überm Sturz,
wenn sie unter deinem Donnern schlafen
und Orakel ihre Unschuld trafen,
10 finden sie den zauberreichen Wurz.
Brach das Füllhorn, das uns ganz genügte,
giessend Balsam in das Haus,
duften aus den klaren Scherben
jener Gärten Blumen aus,
05 jener Gärten, wo der Zaubrer züchtet
aus der Nacht verlorner Qual
wenn der First des Heiligtums sich lichtet
neuer Blumen Wahl.
Aus der neuen Blumen einer
10 presst er hochentzückt verheissnen Saft,
stark wie Wein und als der Honig reiner
herrscht er, Hornes Mittelkraft.
Mittelkraft des Horns allein genügte,
brach es, brach mit ihm das Haus
15 Folterblume in den Scherben
reicher stets zu spenden Düfte aus.
Tag, wo Himmel mit der reinsten Röte,
Tempels metallne Wandung niederfällt,
wo die Kämpfer aus Gemächern dringen
Zufallston der Tuben in die Kammer
05 dröhnt verloren her, und Sieche werfen
ihre Linnen aus den Fenstern weg.
Aber auf den Stufen sitzt der Sänger,
hebt Gesang, den ungetrübten Kelch
in den Flammensturm empor, und
10 alle werfen ihm den Sold, ja alle,
schlagend, selbst gefällt vorübertaumelnd,
werfen Sold dem getreuen Bettler hin.
Was aber ist,
dass mir die Glut dieser Wanderung
schmerzte im Auge.
Doch riss ich mir aus dieses Auge,
05 wäre nicht Glut
immer noch
und immer noch Mühsal der Wandrung?
Jetzt noch dringt mir das Bild
der Büsche am Hang
10 und der Schleier der Nymphen,
Sibyllenwort aus den Höhlen,
Tanz der gestaffelten Vögel,
über Blüten und Schleier und dem Wort in den Höhlen,
über dem kahlen Gipfel regerer Schmuck,
15 dringt mir noch in das Auge
und in die Glut der Wandrung.
Ruhe nur in der Nacht
steigt mir ins Fenster
und Wort der Sibylle entsiegelt
20 kündet den künftigen Altar.
Sonne, Monde gleiten in den Schlund
glühen Drachens am Himmelsrand:
wilder späht er übers Band,
das der Hirte zog ums reine Rund
05 wo die Lämmer weiden blindlings in der Nacht
Trug bedrohter Fülle, Flockenwolle Fracht
still hinweg das Schiff, im strengen Rund
findend Strasse durch das Band,
birgt es hinter Himmelsrand
10 mehr als Sonnen vor dem glühen Schlund.
Der süsse Brunnen steigt und quillt ins Bild,
das auf dem regen Spiegel zweifelnd schwebt,
hinab mich lockt, zwar schön doch unbelebt,
es will des Blutes Feur und Pulse wild,
05 vermählen sich im wogenden Gefild.
Wend auf den Rasen zu den Freunden mich
und trinke Lichts und Lachens starken Wein.
Und stärker quillt der Brunn. Das Bild allein,
der Spiegel bricht, in Stücke teilt er sich,
10 weil vor dem Flehn um Blut ich schaudernd wich
Mond ist gross, als Lampe uns entzündet,
Glocke giessend lichten Klang ins Ried
wo die Vögel aus dem Schlafe plätschern,
dröhnt uns Wachen volles Licht ums Haupt.
05 Endlich Tages Klingelzaum beraubt
mögen selbst wir in der Quelle plätschern,
da wir liessen für Gebirg das Ried
und sich jäh der nackte Busch entzündet.
Seine Flamme, Mond verdrängend kündet
10 jenen Vogel, der sich selbst verbrannt,
seine Ankunft mit entblössten Füssen
wir erflehen, dass uns selbst er harrt
Phönix, sammelnd Glieder, die zerstreut // 031
rings aus Asche, mit behenden Füssen
15 dass wir, wenn uns Haut u. Haar verbrannt,
nahn der Ödnis, die den Gipfel kündet.
Hier nun erst sind Hang und Tal verbündet,
dünstet tief das Ried mit mancher Brut
und die Quellen rauschen, abwärts wachsend,
20 in den Pausen, wenn der grosse Mond
abschwillt, hinter sanfter Wolke wohnt:
dann steigt Vogel in die Flügel wachsend,
tot noch eben, Feuerbusches Brut,
heisse Loh dem sanften Glanz verbündet.
Wo sind die Tore, die sich klar eröffnen,
trotz trübem Ton
den Tuben von Emporen niederbrechen?
Wer zählt den Lohn
05 in Gold und Steinen, den die Räuber trügen,
die frech dies Haus,
das lechzt nach Raube, endlich leerten?
Vergessnen Baus
Gerät und Schmuck der langverschollnen Toten?
10 erhöben neu
aufs Haar der Frauen, die aus den Lumpen kröchen, // 033
das Kind im Spreu
mit schneeiger Wolle und Damast bedeckten:
Den Tuben von Emporen niedersingen:
15 beim hellen Ton
des Fests die Tore nimmer klar sich öffnen.
Steiler Thron aus Prunk der Wolke hängt,
Hände halten ihn der vier, die sehen:
tragen sehend, dass der Sturm des Blicks
schweren Stuhl erleichtert: ja er schwebt
05 herabbeschwornes
himmlisches Geschmeide über sie.
Keiner wagt mehr, ob sich jeder auch
im Herzen Herrscher dünkt, ihn zu ersteigen.
Fürchtend, dass er an so hohem Ort
10 wandelte die Welt in Himmelssphären,
Stabes Träger, und so, taumelnd,
stürzte der Palast in Schutt ohn Antlitz.
Hängt des Waldes Schattenschleier nieder,
suchen Hunde geifernd nach dem Reh,
dass es fall in falbe Kräuter nieder:
glüher Nüstern Beute endlich, reines Reh,
05 das sie auf den Fährten manches Wildes rochen,
glüher Mäuler, die nur stillt das Reh,
fallend ihrer Gier zur Beute nieder,
Hundegier, verbrennend nach dem Reh,
irre, wenn die Schatten hängen nieder.
Quelle springt dem Meere kindlich zu
spricht geschwätzig in den schweren Sang
weiter Woge, die zum Felsen brandet.
Zarter Schwester plätscherndes Begrüssen
05 reizt den Mächtigen zum hohen Griff:
dass er, jauchzend, übersteigt das Riff
stürzt hinan, so krankend nach der Süssen,
zu der Überraschten Füssen landet
Muschelgabe reich und feuchten Tang,
10 fasst sie dann und küsst den Mund ihr zu.
Nächtens fallen Königsbrüder
aus des Waldes Mitte aus
fallen in die Jägerlager
stören Jägerabendschmaus;
05 wo die Flammen gleisnerisch
lecken Schwein und toten Hirsch.
Treiben jauchzend Königsbrüder
Herrn und Knechte feldhinaus,
wandeln in dem Jägerlager
10 opfernd um den eklen Schmaus:
dass auf steinern hohem Tisch
kehr nach Haus der heitre Hirsch
An Peter Noll:
ich kann bei dieser Art Dichtung, wenn man Dein Stück dazu zählen darf, nicht mit, weil mir das dialektischePrinzip darin, die paradoxale Theologie, oder also meinetwegen: der Protestantismus allzu stark aufgetragen, zu einem bewussten Theatereffekt verwendet, zur Manier geworden scheint. Man kann jede echte innere Haltung tadellos und künstlerisch überzeugend aussagen. Hier aber ist es Dir nicht gelungen. Das Stück ist im unangenehmen Sinn ideologisch. Den Schluss // 039 mit dem „Kreuziget ihn, denn er ist unschuldig” finde ich geradezu unerträglich. – Ich gebe ohne weiteres zu, dass das Christentum eine dualistische Religion ist, dass wir alle so oder anders Dualisten sind. Aber, und das ist bezeichnend schon für das Evangelium und die ganze grosse Tradition, dieser Dualismus ist stets Tendenz, Leitmotiv, aber er ist nie rein, und darauf beruht, scheint mir, die Mühe des christlichen Lebens: Gott und Welt sind ein Gegensatz, aber kein absoluter. Gott wirkt in die Welt herein, ist in ihr, der Schöpfung gegenwärtig, // 040 durchwirkt sie in allem und jedem. Aber zugleich übersteigt er sie, hebt sie und ihre Werte auf, während er sie anderseits bestätigt. Hier liegt für mein Empfinden die Spannung, die sich nicht lösen und durch keine „klare Lösung“ weder in der einen – humanistischen – noch andern – dialektischen – Richtung glatt erledigen lässt. Das aber versucht Dein Stück und darum ist es eine Simplifikation, die allenfalls im ersten Augenblick frappiert, niemals aber überzeugt. Als Beispiele von Dramen, die realistisch // 041 sind, indem sie das ganze komplexe Verhältnis Welt-Gott zeigen: dass Gott in der Welt ist und zugleich über ihr, sie bewohnt und zugleich aufhebt, Dramen, die dies zeigen, sind die schönsten Stücke Shakespeares und der herrliche Calderon. Wenn ich mich imstande fühlte, für die Bühne zu arbeiten, ich hielte mich an diese Beispiele. –
Verzeih mir, ich will Dir nichts aufdrängen. Ich sage Dir nur meine Empfindung: wenn Du weiterkommen willst, musst Du mehr Fülle, mehr Welt aufnehmen. Dein heutiges Schema ist zu einfach und führt Dich auf die Dauer unweigerlich // 042 in einen langweiligen Monolog, der immer dasselbe, woran Du selber nur halb glaubst, abhandelt und nirgends ein Publikum findet. Denn man weiss nachgerade, wie es da zugeht: Die Wahnsinnige ist die Weise (Giraudoux), die Hure die Reine (Tennessee Williams), der Sünder der Heilige (Langgässer) usw. Einmal ist das ganz schön. Aber immer wieder, das ermüdet. Lies mal den „Wundertätigen Magus”, „das Leben ein Traum”: es gibt doch wahrhaft noch viele und reichere, glücklichere Möglichkeiten zu einem christlichen Drama. Überhaupt, misstraue // 043 dem allzu Frappanten. Es verbraucht sich sehr schnell.
Fliehen, die sich neu umarmen
tiefenwärts, wo sonder Licht
Riefe nicht, wo wir noch immer fielen
tief, ins Genist und tief, tief ins Gebirg,
die Flöte sichernd zu, dass wir den rechten Fall
gestürzt, dass wir getrost ihm liessen,
05 ohn all Gefahr, mit Leib und Seel.
Wenn auch der Flügel schwarzen Nestlings // 044 trügt,
als Dämonsschwinge schrecklich uns bewegt:
so rinnt der Sand doch, lauterster Gesteine,
rinnt im Kristallstaub selbst das blanke Gold
10 von Wänden her im untersten Gewölb
und jene Schwinge schwindet unterm Glanz.
Wer doch fiel am Säulenstumpf der Nacht
wirft Netz und Rute nach dem roten Fisch,
nach dem Polypen, der nach Westen wegschwimmt:
Traurig hält er schliesslich nur den sanften,
05 blassen Mondfisch und die Sternenfischchen.
Tröstet ihn, der sich gewendet dem Fange zu,
nicht schnell des klaren Schwimmers
Hingang ohne Flossenregung und der
Geleiter schimmernd Wimperschlagen,
10 gesammelt all am Säulenstumpf der Nacht
Überstanden ist dies
wenn uns die Flamme trüge,
nächtlich leuchtende weg
über den brauenden See.
05 Hob sie uns auf aus der Angst,
kauernde am felsigen Ufer,
fürchtende, dass auf die Insel
nimmer wir fänden zurück.
Überstanden ist dies,
10 wenn uns die Flamme erfasste,
die aus dem Himmel mit eins
fuhr und uns rückte hinweg.
Glühend ist dieser Weg,
und aus der Flut ragt die Heimat,
15 Gipfel, der uns gezeugt, // 047
Winden und Sternen ein Sitz,
halten und glänzen sie dort.
Trinkt der Mond, im Dunst verschwommen,
Abendschein,
schimmert selbst, von Nacht benommen,
bleich herein,
05 lischt Gebirges Schneegeschmeide,
jählings matt,
zeichnet scharfe, knappe Kreide
Fels und Blatt.
Wechselt nicht der Fischer Floss und Strand,
dass er jenen schönsten fände
dass er lachend auf die Lände
zög den Hai, den Traum um Traum berannt?
05 Bringt das Tau nicht hoch ihn schroffe Wände
ob ers lang und ächzend riss,
sich die Zunge blutig biss,
schafft er’s leicht auf weichem Sandgelände:
wo das dunkle Maul die Angel griff,
10 trug der Tiefe Sagenrauschen
an erstaunten Ohres Lauschen
Fischers, der nun Träume wachend griff.
Eilt herab aus vieler Stille
Läufer mit der Fackel Glut,
bäumen Felsen, bebt der Busch,
was denn heut im jähen Schein
05 hoch vom Berg im Tal sich künde.
Wachen auf und auf die Strasse
stürzen alle, fürchtend
Flut und Steinschlag, die der Bote
warnend sage. Aber ihm
leuchtet von der heissen Stirn,
10 aus dem Schweisse: Gold hab ich
in dem wilden Bach, im klaren
eisigen Wasser ich gefunden.
Reichtum ruht in unserm Land. // 050
Und sie ziehn noch diesen Abend,
15 klimmt zu Berg ein langer Zug,
jeder dass ihm nicht ein andrer
raube Gold
Wer hält den reinen Traum,
der unbeschwert, ein Ballon
streift den Saum:
dort ist die Schale voll,
05 und noch von Frucht beschwert
fährt Tag dahin. – Der Baum
fängt mit den Zweigen schon
den zaudernden, den sinkenden Ballon.
Den schwebenden, den steigenden Ballon,
wer hält den Traum,
der aller Last entbehrt
und streift den Saum:
05 wo noch die Schale voll
und fruchtbeschwert
fährt Tag hinweg. – Der Baum
fängt mit den Ästen schon
den zaudernden, den sinkenden Ballon.
Kennst du mich,
der ich dich küsste,
kennst du meiner Lippe Brand?
Kennst du, dem die Nacht ich süsste,
05 Haar und duftendes Gewand?
Ja, das ist’s, was ich vernommen,
schönrer Schall als Tamburin;
Deinen Ruf hab ich vernommen,
Mundes Wehn ist angekommen:
10 statt vorm Feuer schnell zu fliehn
such ich Heilung mittendrin.
Thron mit Baldachin verhangen,
schwindet Sonne und Gesicht,
Feier, die wir kaum begangen,
löscht der Flor, die uns gefangen,
05 deines Hauses Halle bricht.
Ohne deine Zeichen lastet
Säulenschatten eitel hier,
wo der blinde Flüchtling rastet,
ohne Lab und Leitung fastet:
10 sinnend nur von deiner Zier.
Wandelt dich das Mädchen in die Muschel,
weil es nicht erheiterst auf dem Weg:
wenn am Myrrhenbusche auf dem Berg,
weint das Mädchen bist du in der Muschel.
05 Mit dem Harz doch springst du spät ihm wieder
aus dem Busch und stillst die Tränen schnell,
hoher Weiden und der Jagd Gesell,
bist du ihr als der verlorne lieber.
Stösst vom Speer gereizt dich in den Rasen
10 letzter Eber, blüht dein Blut im Kelch
neuer Blumen. Flügel schafft behend
sie dem Sohn, den Vater zu bewahren.
Schlägt die Augen auf sie an der Insel,
flieht vor Dorn und Fels sie rückwärts in den Schaum,
bis sie steigt an ihrer Bleibeinsel
stillem Strand und Blumen aus dem Schaum.
05 Folgen ihr, da sie, zur Höh gewendet,
Düne lässt, und Wiesen ums Gehölz,
Löw und Panther, sanft sich zugewendet:
herrscht sie heilend schon im Wildgehölz.
Sei sie feindlich auch dem Mond, so doch gewogen
10 ihrem Werk, steht sie wie jener still: // 056
dass nicht ende, wenn dem Mund gewogen,
Mundes Blüte hängt am Munde still.
Stürzt der Sperling vorm Gewitter
mir in Schoss,
deck ich ihn mit dem Gewande,
wächst er gross:
05 wächst er hin zum heissen Werber,
unterm Strahl,
bleibt mir gegen Donnerküsse
keine Wahl. // 057
Spellt Gewitters letzte Trümmer
10 jetzt die Nacht,
schickt gerettete Gestirne
auf die Wacht,
trägt der Zitternde, Beschirmte, keine Last,
stark mich in die Hochzeitsgrotte:
15 Bräutigam und Gast.
Flieh du mit dem fremden Stier,
wind ihm Kränze um die Hörner,
jenseits am Gestade dir
lässt er nur den einen Knaben.
05 Nimmer wirst den Gatten haben,
und der Sohn im Labyrinth
zieht in die gefüllten Waben
Blüten, süss wie du von Duft.
Fremder Stier führt in die Gruft
10 Kinder, die Gespielen wären:
Labyrinthes dumpfe Luft
fällt sie deinem Sohn entgegen.
Nicht mehr mag ich Blumen mischen,
ruft der Pfau mich ins Gebüsch:
wer mag bleiben vorm Gebüsch,
wenn sich Tag und Abend mischen.
05 Wenn aus Dämmer hell bestimmt
blinkt das augenreiche Rad:
wer mag schauen Pfaues Rad,
dämmernd stehn und unbestimmt?
Länger kann nicht tändelnd mischen
10 Blumen ich vorm Nachtgebüsch:
schwind in Tag- und Nachtgebüsch,
will sich Pfau der Nacht entmischen.
Floh die eine in die Weiden,
dass er sie zur Flöte bricht,
liess die andre, ihn zu meiden
nur noch Stimme, das Gesicht:
05 fandest du, ein lichter Nachen
furchtsam lächelnd in den Arm,
bebend in sein wild Erwachen
fiel der kühle Tränenharm // 061
Hast du seinen Schrei gestillt,
10 Herden ruhn am Feuer warm,
die der Irre wach gebrüllt.
Dort zieht der Schwarm
der Tauben am Gewölbe lang
ihr Gurren mehr als Lerchensang
beschwört den Harm.
05 Das sanfte Tier,
trägt allen Himmel in das feuchte
Gelass, und halb verglommne Leuchte
entflammt Begier
wie jener Ball
10 der Adler Läufe treulich lenkt // 062
den Reihn zu lenken unversengt
der Tauben hier.
Federn, fliehend, streutest du
hier und dort; in heiler Hülle
ganz gefasst in deinen Glanz:
blieb mir diese, jene Feder,
05 aufzuzeichnen deine Worte.
Deine Worte?: weiss ich, weiss
nimmer, was Du sagtest,
diese Schau des lichten Flugs // 063
war zuviel. Du gingst im Kreis
10 Deine Flügel Dich umschlugen¿,
gingst Gestirn, umkreisend wen?
Dass ich Deine Mitte kännte,
dass ich Deine Sonne nännte?
Doch Dein Antlitz sah ich nie:
15 im Traum¿, im Antlitz fänd ich sie.
Flügelnd schlägst du wach die Flamme,
die, zu gross, den Spiegel bricht.
Blinder stürz ich auf die Erde,
den ich sah, den Engel schau ich nicht.
O du reiner, einzig glühender Vogel,
Asche streifst du schnell
vom Gefieder
und aus der Wolke
05 steigst du hinweg;
lässt verkohlt,
lässt schwarz im Nest das Kücklein zurück.
Wie, da den Felsen die Sonne entflammte
fuhr der Wagen Mähdern und Winzern voran?
Dort, wo zaudernd er hält nochmals
über den Büschen der Höhe
05 hört der Lenker das Fest,
das aus dem Tale erschallt. // 065
Diese sind es nicht, Dudelsackklage
Zirpen der Zither, was geziemt
dem Fahrenden heim in den Palast.
10 Ihm ziemt nur der wissenden Musen
karger Wechselgesang.
Wind Eure Flügel trägt,
rundet das goldene Zelt
wo du herrschest und ruhst
Engelflügel wölbt das Zelt,
wo der Herrscher ruhig thront,
seine Ruh den Flügel lohnt,
wölbt er wehend auf das Zelt
Engelflügel wölbt das Zelt,
wo der Herrscher ruhig thront,
und im Ruhn den Engel lohnt,
wölbt er wehend auf das Zelt.
Wenn die klare Quelle strömt:
tags im Treiben kaum gewahrt
Spätem Wacher offenbart
sie mit bittrer Nacht versöhnt
Vermutlich Neufassung:
Wenn der Quell zum Tage strömt
wirst ihn lange nicht gewahr,
bis er rauschend offenbar
dich der bittern Nacht versöhnt.
Brach den Fels die starke Quelle
jung entzückt,
stieg beglückt
nochmals greisen Flusses Welle,
05 warf sie Schäume, helle Bälle,
warf und nahm sie schnell zurück.
Der den Krug so lang schon leerte
diesen Tag
Alter mag
10 kindisch mit dem Kinde spielen,
aber abends Blicke zielen
meerwärts kühn, die gestern zag.
Dieser noch einzig am Himmel lichtere Hügel,
schau doch, wie nun auch er, zaudernd
zuerst und dann schnell, als fürchte er
schnellere Reue
05 am Zipfel das Laken ergreift, das dunkle
und sich verhüllt.
Zwar dort hoch in der Hütte am Hang glimmt
die schüchterne Leuchte.
Zögernd steht ihr Schein im Fenster
10 und führt dann, wissende Priestrin,
sicher den Wandrer nach Haus.
Der du den strahlenden Himmel
und seine glückliche Glorie
nicht kennst,
bleibt dir das Licht in der Höhle,
05 Rauch der Fackel
treibt dir den Schmerz aus den Augen:
den du nicht kennst
den strahlenden Himmel
und seine glückliche Glorie.
Ansprache an den Prinzen Karneval: Hochgnädigster, allerverdunkeltster, närrischster Prinz! – Beschämung vor dem zahlreich versammelten, mit Narrheit geschmückten, Narrheit blitzenden Hofstaat – Erledigung eines Auftrages: Bitte um Verzeihung, dass ich nicht ganz der Narrheit zu seiner Erfüllung besitze: Gruss vom Vogel Gryff: angetroffen auf der Rheinbrücke, erinnert mich im Karneval an die Gründung der Stadt, seine Aufgabe, schickt mich, so drohend, nach Tübingen. Ich ängstlich, fürchte mein Rasierspiegel möchte nicht genügen und gehorche: Droht dem Kolleg: wenn es nicht richtig Fasching mache, // 072 werde er nach Tübingen kommen und vom Kaiser-Wilhelmturm herabschauen.
02 Bitte an den Hof der Narrheit, durch diese Bestellung, den Aufenthalt im närrischen Reiche eine Narrenkappe mit Schellchen, soll heissen die Teilnahme an der Fülle der Torheit gescheint zu erhalten und gnädig gewährt. Dafür Schwur, mich jeglicher Weisheit oder Ernsthaftigkeit und auch nur des geringsten Anteils daran mich peinlich zu enthalten.
Lampe[,] zwischen Bäumen schwankt,
leuchtend selber, wirft sie Schatten nieder,
sieht im Aug, das aus den Ästen schaut, sich wieder:
Lampe hin und wieder schwankt,
05 fürchtet Schatten riesengross,
wachsende von Ast und Bäumen:
Lampe hin und wieder schwankt,
mit dem Lichte ruft sie nur
Schatten her von überall:
10 Lampe flackert, fällt, erlischt
Schattens Beute ganz nun ist.
Kehr ich rückwärts heim zur klaren Aue
wo der Baum die Wurzeln löst und tanzt:
kehr ich einwärts zu der ersten Stelle,
wo der Fels, sich selbst entrückt und tanzt:
05 trittst du mit dem Köcher aus dem Reigen,
den der Baum, der Felsen um dich tanzt:
wenn erstaunt die Sichel in den Haaren,
Mondes Sichel seh, die überm Tanze tanzt:
lass mich an der ersten Wiese wohnen,
10 wo der Baum<,> der Felsen um dich tanzt.
Leere Schale, wer sie füllen möchte,
trät er, kühn¿ erhoffter aus dem Meer,
wo der andre schwand, der
nie sie füllte.
Dir ist Bechers Blut entzogen
und der Stein,
der im Grunde glänzt und ruft,
trinkst du noch so lang und durstig,
05 lechzt die Lippe gieriger ihm zu:
schneller ist er dort zerflossen: // 076
eh dich trankest bis zu ihm.
Weisst nicht, wer er war.
Hat ihn leicht hinabgeworfen
10 Wirtes reicher Scherz?
Oder wuchs er in der Beere,
süsser Sonne Bild,
aus dem Kern die grüne reifend,
(unerbittlich), mild?
Magst du nackt in nackten Ästen stehn,
ruhig noch, wo schlägt das Feuer auf
aus dem Garten, Feuersblumen voll.
Leis die nächste Wolke schwebt vorüber,
05 fasst es, sengt die letzte Hülle weg
und erweckt die heisse Säule, dass
springen Feuerbeetes pralle Blüten
springt der Schoss inmitten auf und saugt // 078
heissen¿, ganz entblössten Mannes Körper,
10 heisse Hoden an und glühen Glieds
Samen saugen unterm Morgenstern.
Spiegel zeigt mir,
was ich nimmer<,>
Tor, erkannt:
dass du ganz,
05 mit Leib und Sinnen
an mir festgebannt.
Dass die Woge,
die mich brausend
trägt und hebt<,>
10 Deinen Mund und deine Brüste
deinen Schoss mir zubewegt. // 080
Stürzen wir in eins zusammen,
dass uns keiner kennt,
Arm und Beine fest verhangen,
15 dass das allerschärfste Auge
nicht mehr trennt
Mund vom Mund
und Glied vom Schoss umfangen
Gastmahl endet mit dem Tanz der Kinder:
die der Gäste Lied und dreistes Wort
bilden unter Kränzen täuschend vor.
Was sie tun, ist ihnen fern und fremd,
05 doch die Gäste schauen, handeln nicht,
da vom Schaun nur¿ loh ihr Innres brennt.
Trank den Becher schnell ich aus,
schmolz schon schneller auf dem Grund
(warf ihn Wirtes Scherz hinein,
oder wuchs er in der Beere,
05 mit dem Kern zur Röte hoffend?)
schmolz zu schnell der Edelstein,
dass ich trinkend nicht erreiche,
dass ich lechzend nie zu ihm,
mit den Lippen nimmer reiche.
Zwischen kahlen Zweigen schlägt
auf das Rad der weisse Pfau;
bis auf kahlem Zweig der Mond
rollt herab zum weissen Pfau.
05 Scheu an kahlen Zweiges End
schliesst das Rad der weisse Pfau,
weil den kahlen Zweig nun mehr
Mond erhellt als weisser Pfau.
Hüpft vom kahlen Zweig hinab
10 still ins Holz der weisse Pfau,
trägt vom kahlen Zweig beschämt
Mondesstaub der Schweif des Pfaus
Tauend tropfen von den Büschen
Beeren, glänzend überprall.
Süss in Haufen überprall
rollen sie zu Fuss den Büschen
Ausgeleerte Schale,
von dem trüben Saft
trägt sie noch die Male.
Reinigt, dass sie prahle
05 sie des Wassers Kraft:
glänzend und erwartend
später Feste Trunk
zeigt sie geil dem Abend
ausgeleerten Prunk.
Schiff, das zwischen Inseln führe
wogt die heisse See
hoch von Früchten, hoch von Düften,
rollenden vom Hain,
05 rollenden von Palmenhainen
her in heisse See,
Schiff, das schnell vorüber führe,
häufte Früchte schwer,
tränke Düfte, eilte glitte
10 zwischen Inseln weiss,
Palmenhain vorüberglitte,
folgt dem Kranichschrei
Zeigt er dir, du Hingegossne,
goldnen Pfeil,
greifst du nach der blanken Spitze,
willst die Hand
05 ritzen, dass das Blut, entströmend,
öffne Königs Herz:
Aber er, mit Lächeln weigert,
was du willst:
„Deine Brust will ich durchbohren,
10 denk der Nacht,
wo du ganz mich dir verlangtest.
Dir gewährt
ist die fürchterliche Bitte“.
Und du liegst // 088
15 gierig Pfeils Geschosse,
Flamme, Brand
reisst dich hin zu Königs Gipfel.
Nur November noch,
Nebel an den trägen Bächen,
20 bleibt dir, wenn du kehrst
nochmals wieder.
Hier im Elend bist du, fremd, verirrt.
Licht vom Lichte liegt im Lichte,
Wolke, leuchtend, zieht im Fluss,
zieht er Nachtlichts Spiegel durch die Büsche Tal hinab.
Büsche bittet er vergeblich
05 nimmer bergen ihn vorm Licht
Büsche, und bleibt Nachtlichts Spiegel,
offner Spiegel Tal hinab.
Biegen Büsche kahle Zweige,
liegt der Spiegel ohne Licht,
10 regen¿ Zweige blinde Wellen,
peitschen dunkel Tal hinab.
Blume, im Gehölz entfaltet
Duft im Dorn,
Schmetterling, der blüht
und süss gesogen
05 trägt die Biene Saft im Lichte weg.
Biegt es, schwebt es, schwankt im Licht,
auf dem Zweig im Licht,
die Blätter schwanken,
sind es Flügel?
05 Was ist der Duft,
was ist die süsse Wiederkehr:
Rauch und Tanz im Holz.
Sonne sammelnd
auf das Hin und
10 auf das Her und Hin,
Blume, Falter,
auf dem Zweig bewegt.
Schaue stumm.
Mag der nie zufriedne Klepper
lange scharren vor der Tür,
isst der Dichter drinnen Plätzchen
Mutter Millas süsse Plätzchen,
05 mag er scharren vor der Tür.
Die Dichtung als Repräsentation, Vergegenwärtigung eines höchst Allgemeinen. Ihre Bildwelt (für mich) möglichst archetypisch: d. h. sie erzählt Grundvorstellungen der Seele. Die uns gemein sind. In diesem Sinn anerkenne ich keine Verpflichtung auf irgendeine Aktualität. Das Gültige ist immer aktuell. Nun freilich kommt es darauf an, immer mehr, immer unerbittlicher auf das Wesentliche zu kommen. Die Gefahr dieser Methode ist, dass sie, wenn die Konzentration des Dichters auch nur einen Augenblick aussetzt, statt Gestalten Kulissen errichtet, Leere mit Staffagen verdeckt. Sie verlangt also klarste Skepsis des Dichters gegenüber ihm selber. Damit er das heilige Bild errichten // 094 kann. Denn die Kunst ist eine Form der Liturgie: eine sinnfällig gewordene Bewegung des Geistes auf ein Übersteigendes, Vollkommenes hin. Und die Bewegung selbst, und ihre Frucht, das Kunstwerk, ist eine Abbildung, ein Abglanz dieses Übersteigenden, Vollkommenen.
02 Denn das Wesentliche verändert sich nicht: es kann in der Veränderung der Konstellation der Weltelemente verändert erscheinen – darum gibt es immer wieder neue Kunstformen und Kunstmittel – aber die Kunst selbst, ihre Gesetze verändern sich nicht. Das Schwierige nun¿ besteht aber darin, das zuzeiten Verwirrende, dass wir diese Gesetze zwar erforschen müssen, dass uns // 095 die Verantwortung gegen uns selbst, der Zwang, über unser Tun uns klar zu werden, uns immer zu dieser Erforschung bewegt: dass wir aber nie damit zu Ende kommen werden, dass wir diese Gesetze nie ganz kennen werden, solange wir die Übersicht über das Ganze nicht haben, nicht selber gleichsam Gott geworden sind. So bleibt die Diskussion über die Regeln der Kunst immer offen (vor allem heute und in Deutschland, wo es so wenig zwingende Konvention gibt).
Die Mauer hoch
tastet die Hand,
ritzt sich blutig,
damit sie erreiche und fasse
05 die hoch vom Rand
zerbröckelnder Quader
sinnende Distel:
fasse und reisse mit hinab
in den Kot die silbern
10 unverletzliche immer glänzende Blume:
glänzender noch im Schmuck
der Tropfen des Bluts von den Händen, // 097
zum Fest, das sie ihnen
unten im Kote bestellt.
Her dringt ein emsiger Sommer und summt
laut in das schläfrige Ohr,
in den Traum von der Schlacht, die wir redlich gewonnen.
Lang verloren ist sie und den geöffneten Augen
05 liegen verrostet, zerbeult Helme Wagen, Geschütz:
von dem Summen des Sommers, emsigen Summen bedrängt.
Wo der Käfer klimmt den Halm empor
und metallen glänzt des Rückens Kuppe
immer näher zu der zarten Dolde,
beugt der Hirt sich nieder, schaut verhält behende
05 des grossen Hundes Maul, dass er nicht belle,
nicht belle jetzt und treibe auf die Herde.
Helle Kugel fällt
herein in den finsteren Saal
rollt, rollt näher, zerspringt
und schnaubend ziehn aus den Scherben
05 Löwe und Panther den Wagen,
efeubekränzten: ich fliehe
in den dunkelsten Winkel.
Doch schneller, zu schnelle fährst du,
schwingst die Peitsche:
10 ich selber liege schon in den Deichseln
und zieh dich, stürmenden Knaben,
brenne vom Strahl deines Augs: // 105
Neu wirft es nieder die Kugel
herein in den finsteren Saal
15 rollt, rollt näher, zerspringt
und schnaubend ziehn aus den Scherben
Löwe und Panther den Wagen:
ziehen Wagen um Wagen,
unzählig rauschend Gewimmel
Lieber Herr Moras, es ist mindestens zwei Jahre her[,] seit Ihrem letzten Brief, worin Sie mir den Entschluss mitteilten, nun doch nichts von mir in den „Merkur“ zu drucken. Inzwischen war ich ein Jahr in Rom, seit dem Herbst bin ich Assistent für Geschichte am Leibniz-Kolleg in Tübingen. Ob meine Produktion in der Richtung sich entwickelt hat, die der des „Merkur“ entspricht, wie man sie vielleicht aus den Versen Holthusens, Krolows u. a., die darin erschienen, ablesen darf: daran, glaube ich, Grund zum Zweifel zu haben. Aber schliesslich braucht das eine nicht das andere auszuschliessen. Und im Merkur liest man ja gelegentlich auch R. A. Schroeder und F. G. Jünger: nicht, dass ich meinte, diesen näher zu sein als den andern, ich möchte // 107 damit nur sagen: der „Merkur“ besitzt offenbar eine Spannweite, die mehrere, ihren Vertretern vielleicht nicht unbedingt verträglich scheinende Richtungen, nebeneinander zu Worte kommen lässt. – Sollten Sie und Herr Paeschke also vielleicht doch noch sich entschliessen können, das eine oder andere meiner Gedichte abzudrucken, so würde mich das sehr freuen: das Gefühl, dass die Früchte einer Arbeit, die mir wesentlich scheint, jene nicht erreichen, denen sie bestimmt sind, erschwert diese Arbeit sehr. Wobei mir freilich doch nichts übrig bliebe, als sie auch so fortzusetzen. // 108 Freilich, wie wir nun einmal sind, deutlich auf Kommunikation angewiesen: die Ermutigung von aussen würde sie diesem Ziel schneller nahebringen. das Bewusstsein, dass ich der geistigen Nation, der ich mich zugehörig fühle, auch wirklich angehöre: angenommen und abgelehnt, anerkannt und kritisiert werde. – Verzeihen Sie meine Offenheit: ich schade mir höchstens selber damit. Aber soll ich mich schämen, zuzugeben, dass ich Leser brauche, dass meine Verse all jenen Deutschen gehören, die dafür offen sind, und dass mich bedrückt, dass es so ungeheuer schwer ist, zu ihnen vorzudringen?
Gedichte von mir haben u. a. schon abgedruckt: „Wort und Tat“ (Innsbruck-Wien), // 109 „Neue Zürcher Nachrichten“ (Zürich), Max Rychners Literatur-Beilage der „Tat“ (Zürich). 1950 erschien ein Bändchen „Gesicht im Mittag“ im Vineta-Verlag, Basel.
Ich bitte Sie, sich nicht zu entschuldigen, wenn Ihre Zeitschrift nichts drucken zu können glaubt; es würde mich betrüben, aber nicht überraschen. Sie senden mir vielleicht für den Fall das Manuskript kommentarlos zurück.
Ich bin mit den besten Grüssen Ihr ergebener
Du hast die letzte Mahlzeit genossen,
bevor die Väter dich hüllten ins Linnen
des makellosen Gewandes:
Brot ihrer umsorgten Äcker,
05 Wein von ihren umsorgten Reben.
Nun gehst du wie immer am Morgen hinaus,
doch ohne die Herde wie sonst.
Heute trägst du ein einzelnes Lamm
auf der Schulter
10 und langsam steigst du empor
auf die Klippe nah vor dem Tor,
wo der Sturzbach herauf zürnt gegen die Wurzeln der Stadt. // 111
Schon fasst dich, willigen, ernsten,
flammenden Auges der Greis
15 und stösst dich schnell
hinab in die Schlucht,
die von weitem, weitem emporbraust:
das Lamm empfängt in die würdige Hürde,
und dich, Hirt, in die Trift,
20 wo du weidest über den Winden.
Sachte setzte der Pfau in der Nacht einen Fuss vor den andern und schleifte den Schweif knisternd hinter sich auf dem Geländer, bis er an die Stelle kam, wo das blaue Gebüsch in den schwarzen Garten hereinbrach, mit dem Gezweig voller Düfte sich den Eintritt erzwang: bis er dort hinkam, Kopf und Krone hob und zögerte erst, sich barg in den Zweigen und anhielt, sodass sein Schweif, einen Augenblick blinkend, hinabfiel vom Geländer. – Erschreckt nun hob sich ein Wind aus den Zweigen, stob der Falter purpurner Sturm in den Glanz, der aus der // 113 Zweige Überhang aufging: der Pfau schlug das Rad in der Nacht.
Der schwarze Eingang der Grotte lockte die Mädchen, als er sich vor ihnen auftat, nach dem Gang durch den nächtlichen Garten. Und trotz dem Dunkel, das die Büsche herabschüttelten überall, fürchteten sie sich jetzt, einzutauchen in dies hohe grenzenlose – so schien es – Gewölbe. Aber als sie sich eine Weile vorwärts getastet hatten, standen sie vor der Wand, und der Mond, der // 114 nach langem wieder hervorkam<,> schien hell auf den offen runden Mund, die Ränder der grundlosen Augen, die weh verzogenen Wangen der furchtbaren stummen Maske.
Wer die Lade bringt vom Strand zur Stadt,
wilden Auges weicht er, wenn geöffnet
er sie hastig vor der Burg des Königs
und Geruch ihm steigt der ersten Blume,
05 Purpur, der das Tal erfüllte, seine Flucht:
wild in Aug und Nüster. – Schreiend flieht er
vor des Volkes Staunen auf die Klippe,
vor des Volkes Argwohn; und ein Vogel
hebt er grosse, ungelenke Schwingen,
10 taumelt erst und schwebt schon sicher weg.
Doch die Blume steigt und ziert die Zinne.
Nur zuweilen streifen scheu die Fische
diese Klippe, wo sie vor als Fischer,
auf der Angel erste Regung wartend,
kauten jenes Kraut, das nach dem Wasser
05 weckte wilde Sucht. Bis dass sie schwammen,
schön mit Schuppen und die Flossen schlagend,
weit hinaus: nur scheu zuweilen streifen
sie die Klippe, wo sie fischend sassen
Vom fernen Licht hallt wider der Meersaal,
vom Echo des Lichts aus den roten (ruhigen) Riffen,
aus den wendenden Fischen:
da eintritt der Flüchtling.
05 Klagend weht ihm das Weinlaub,
weht ihm der Efeu vom Haupt,
und silberne Kugeln vom Mund:
Gesang seines Grusses,
wenn ihm der Greis reicht die Hand,
10 ihn führt in die innere Halle,
wo wogt in Krügen der Wein,
wo glühen die blassen Töchter // 118
im Blick des glühenden Knaben.
Sie taumeln und fassen die Sträucher der Tiefe,
15 Sterne der See in den Haaren,
gehen und schwimmen zwischen den ruhigen Riffen,
im Licht, das hallt von fern herab in den Meersaal.
Vom Felsen hängt ihm am Seil,
läutend die Speise herab,
als ob er nicht hätte genug
der Speise drin in der Höhle.
05 Speise sind ihm die Nächte,
nähren mit dem täglich neu gebackenen,
nimmer dorrenden
inneren Brot.
Wenn das Wasser ihm kommt herab
10 im Krug, der hängt an dem Seil,
dann vergisst er der Wasser des Sees,
die mühsam er schöpfte.
Dort spiegelte Licht sich,
hier ist es.
Unten den Gang entlang am Fusse des Tempels,
führt der Sieger seine Beute,
unter dem Blick der alten hölzernen Bilder.
Wie fürchtet er sie, die Mutter mit Brüsten und Krone,
05 dass er die verborgen im Dunkel Wachenden stört:
selber wandelt als Löwe er nun ohne Ausgang.
Wer den Gang betritt an Tempels Sockel,
wo die alten Bilder stehn: der Adler,
die Hindin und die Kuh im Holze faulend:
ihn bedrängen die, die vor verwandelt
05 in den Nischen hausen unterm Tropfgestein,
lecken ihm Gesicht und Hand, bis dass er,
selbst ein junges Tier die Zitzen saugt der Wölfin.
Von den Scheitern stiegen empor im Rauch
die singenden Vögel,
stiegst du im Rauch du Schöner, Verbrannter,
singst du weiter, Sänger im Singen unzähliger Vögel,
05 singst du über dem Meer und über den Bergen
in den Zweigen des Hains.
Und warst du früher nur hier oder dort,
so bist du jetzt allerorten,
bist nur noch Flügel und Lied
10 dem Wanderer immer zugegen,
und am Morgen weckst du den Schläfer,
wenn du singst auf dem Sims durch das offene Fenster.
Sonne hoch an der Wand leuchtet das Bild,
dies war doch das Werk menschlicher Hände,
und jetzt fliegt die Taube hervor aus dem Mund
des plötzlich leuchtenden Bildes,
05 sie kreist im Gewölb und flieht vor dem Griff
der Maler hinein in den Mund des
Bildes der Mutter.
Wenn uns kentert das Schiff,
so stehn die goldenen Kuppeln
10 hoch in ihrem Gewölk.
Dass sie uns retten hinauf, versprechen wir Kelche und Schalen,
eh wir am ehernen Berg scheitern, entrückt uns // 124
der Tempel:
wo aus dem Mund fliegt plötzlich heraus die
15 kindliche Taube, kreist und flieht vor dem
Griff des Knaben in den Mund des Bildes der Mutter.
Über die Bäume des Gartens
steigt aus der Flamme im Rauch,
verteilt in unzähliger Vögel Stimmen und Flügel
er aus den Scheitern empor.
05 Endlich nun singt er am Morgen
auf dem Sims am Fenster des sanft erwachenden Schläfers:
wenn immer noch unzähliger Vögel Stimme und Flügel
steigt aus der Flamme im Rauch
über den rötlichen Wipfeln des Gartens.
Hängen die Kränze [nicht] hoch in den Wipfeln der schönen,
der schattigen Bäume<,> so künden sie
dieser Zweige Entspriessen aus den beiden auf der Stufe des Hauses
– Vergangnes bedeutenden – Greisen:
05 Geschenk der Geister, Verwandlung der Hütte
ins marmorne Haus, dann den Wunsch
nach gemeinsamem Ende: so wuchsen
die Beine, die Arme
in Äste, in Äste die Finger, und ihr
10 Sinn und Geruch für die Lüfte und
Lichter[,] wiegt und duftet in Blättern. // 127
Und wie jeher nehmen sie die Gäste auf,
unters Dach heute nur ihrer Blätter:
wo die Kränze nun hängen hoch in den
15 Kronen, der schönen, der schattigen Bäume.
Wie der Wipfel sinkt der ernsten Eiche,
nahen klagend alle ringsumher,
alle Nymphen klagen, wenn zur Erde nieder
sinkt der Wipfel tief der ernsten Eiche.
05 Wie der Wipfel sinkt der ernsten Eiche,
tropft das Blut, erbleichen weh die Blätter,
seufzt es aus der Krone schluchzend nieder,
wie der Wipfel sinkt der ernsten Eiche:
Mit dem Wipfel sink ich dieser Eiche,
10 Nymphe, die den Schwestern lange Zeiten lieb,
von den Schwestern scheid ich, ihren Spielen,
mit dem Wipfel sinkend dieser Eiche.
Auf dem Felsen treibt er übers Wasser,
achtets nicht, da lang er Stadt und Strand vergass,
achtlos treibt er über Meer und Meere
bis ihn sichten fern im Osten Fischer,
05 achtlos nah der neuen Stadt und einem neuen Strand.
Dunkel steht im Trauerbaum gereckt
Knabe, dessen irrer Speer getroffen
durchs Gebüsch den brüderlichen Hirsch,
Schläfer, dem als Liebespfand die Kette,
05 im Geweih hängt und die Kapsel
mit dem Bild des Bruders, treu verwahrt.
Ihn, den früh noch er geritten,
haltend das Geweih, das schimmert
auf der Lichtung,
10 ihn nun traf im Mittag irrer Speer,
nicht mehr weinend, steht er da, im Trauerbaum gereckt.
Wenn der blühende Berg jäh grünt
unterm Gewitter, lass ich das Haus,
da drunten braust das Tal
voll von Gewölk, durchwühlt von wenigen Blitzen.
05 Und wenn ich die Windung des Weges
ging eine Zeit unterm Regen hinab
und fürchte die nahende Flamme:
steht auch schon offen die Höhle,
wo der Brunnen mir überrauscht
10 den rauschenden Regen.
Die Windung des Weges am Berg,
der jäh aufgrünt im Gewitter,
geh eine Zeit ich hinab:
tief das Tal kocht voll Gewölk, worin die
05 wenigen Blitze wühlen zuweilen,
und wo mich die Furcht fasst vor dem nahenden Feuer,
steht mir offen die Höhle,
drinnen der Quell überrauscht
den rauschenden Regen.
Die glühende Kerze,
Fiale der Blüten, aus den brausenden Blättern
steigend, Fontäne der Düfte,
ganz nah vor dem Auge verblasst sie:
05 da fern die Kuppe des Berges,
früher Mond, aufbrennt am Nachmittagshimmel,
heller aufbrennt, als die schleuniger westwärts eilende Sonne:
unter dem Weissen, das schwebt, unter dem schneeigen, hoch schwebenden // 134
Mann: (wer ists nur?) und den beiden im Abglanz leuchtenden Freunden,
10 die da sind auf einmal.
Dunkelt die Blume, dunkelt die Sonne: des Bergs
Kuppe drüben allein schwebt, ein
früh aufglimmender Mond
unter dem schneeig, wolkenstill
15 strahlenden Mann: wer ist es?
Erloschene Kerze.
Im Duftgewühl wühlend …