Notizbuch 1952-54

Inhalt: 131 Entwürfe zu 121 Gedichten (17 Endfassungen), Motiv-Notizen, 4 Briefe
Datierung: 16.12.1951 – 13.1.1954
Textträger: Rotbraunes Notizbuch, liniert, Bleistift
Umfang: 193 beschriebene Seiten
Publikation: Die verwandelten Schiffe (20 Gedichte), Verstreutes (3 Gedichte)
Signatur: C-2-b/05 (Schachtel 79)
Spätere Stufen: Manuskripte 1952, 1953, 1954, Typoskripte 1952, 1953, 1954
Kommentar: S. 184-195 Motiv-Notizen, von hinten her eingetragen
Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften
Den diese Wolke hüllt und steigt und stillt
des Berges wechsellichte Höh ersteigt
das Maultier, zögernd vor den Wassern wild,
da sich der Knabe sorglos in das Stieben neigt:
05 dass er doch wüsste, was den Vater drängt,
dass er Gestrüpp und Fels der Höhe sucht,
hätt er nicht freigerissen in die Flucht
sein Leben, eh Gehorsams Blitz es sengt?
Doch wusst er mehr, da hoher Will entzweigt
10 dem Vaterwillen, das bedrohte Bild
des Knaben er dem Abend gern gezeigt,
wo Stern wie Sonne falben Triften gilt.
- Details
- Konvolut: Notizbuch 1952-54
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Erste Fassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: C-2-b/05
- Seite / Blatt: 003
Hinter dem Palaste fällt der
Garten den steilen Hang hinab, Wildnis,
Garten der Natur, Geröll
ist da, wilder Dorn und alle Blumen,
05 die den Fuss des Menschen scheuen,
die nur bunt sind, wenn sie keines
Menschen Auge streift. O wie glücklich
ist der Falter, der dies gänzlich wissend,
dies Bereich, das aller Gärten und
10 manchen Frühlings nie gezeigten Keimling
trägt, selig überschwebt, im Wasser
spiegelnd und begrüsst von der
Schimmerechse aus brüderlicher Stummheit.
- Details
- Konvolut: Notizbuch 1952-54
- Besonderes:
Ab Z. 08 in Verse übergehend
Wiedergabe: Zeilenumbruch folgt dem Textzeugen - Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Prosagedicht
- Datierung: vollständig
- Fassung: Erste Fassung, Letzte Fassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: C-2-b/05
- Seite / Blatt: 004 (oben)
Was aber ists,
das hält und trägt
dies Meer umher,
darin wir immer schliefen // 005
05 das stille steht,
den Tag verweht
aus diesen blassen Riffen?
Die Blasen steigen
fernher grün und rot:
10 wer regte sie,
was atmet in den Tod?
Des Linnen wir, entrafft,
die Augen reiben,
bis die Lider schmerzen:
15 wir schwanken noch,
wir folgen schon gestrafft
dem sanften Fische
den Scherzen
der goldnen Flossen, treiben // 006
20 dem Scheine zu,
der grün sich allhier regt
und dort ist weisse Ruh.
- Details
- Konvolut: Notizbuch 1952-54
- Details:
V. 12 vermutlich für: Des Linnen entrafft, wir
Emendation: Des Linnen, wir, entrafft, → Des Linnen wir, entrafft, - Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Erste Fassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: C-2-b/05
- Seite / Blatt: 004 (unten), 005, 006 (oben)
Strahlend, leuchtend wie nie
versinkt die Sonne im Blut,
versinkt der niedergeschlagne
Held im Purpur, der ausströmt
05 aus seiner herrlich gefassten,
nun gelösten Gestalt,
nun aus der gebrochenen Kraft
des jubelnden Aufstiegs.
Nun, nun fällt er
10 und färbt die weite // 007
Rundung des Himmels
mit dem Gold seiner Treue,
dem Erbe¿ des vollzogenen Ganges,
nun das Gewölk
15 mit Rosen und Duft seines Heimgangs:
denn dieses bleibt uns
vom unerbittlichen Zeugen,
Glanz des herrlichen Todes rings
und endlich das
20 jenseits Entrücktem
fromm zugewandte
seine verborgene Glorie
silbern abglänzende
Antlitz der Sichel.
- Details
- Konvolut: Notizbuch 1952-54
- Besonderes: Strophenunterteilung unsicher
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Erste Fassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: C-2-b/05
- Seite / Blatt: 006 (unten), 007
Westlich bleibt verblichnem Himmel
nur ein kalter Stern zurück,
während aus dem Osten wandelt
Abend sich in Tag zurück:
05 schnell schon hat erhabne Kugel
über uns sich umgedreht,
Ächzend um uralte Achsen,
Geistern, auf dem Karusselle immer immer fahrend,
ihnen ist Musik das Ächzen,
10 das ihr Reigenlied begleitet.
- Details
- Konvolut: Notizbuch 1952-54
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Erste Fassung, Letzte Fassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: C-2-b/05
- Seite / Blatt: 008
Sträubte wandelnd Tier Gefieder,
fiel der Pelikan hinab,
äugt es aus dem Moder wieder,
Kröte in dem düstern Grab
05 unter den geborstnen Stufen,
Jener Haupt<,> die nicht mehr rufen.
Lichtes Tier das Leben spendet,
dunkles, das verzaubert äugt:
Herrschaft dort im Blut verspendet,
10 hier ein Krönlein sie bezeugt:
in der Gruft das böse Licht
Macht der Kröte dichter flicht.
- Details
- Konvolut: Notizbuch 1952-54
- Besonderes: Text nachträglich hier eingeschoben; Neuansatz nach Wer stürzte hinab die Treppe … (S. 19)
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: C-2-b/05
- Seite / Blatt: 009
- Textverweis: Wer stürzte hinab die Treppe …* (a*)
Die Landschaft, Tempel meinem heissen Traum,
der Halle Kühle triefend übern Saum des kahlen Gartens ein in dies Verlies. Wo hellste Blume Blatt und Düfte liess dem dumpfen Ruche und dem eklen Span: wo ist der Uhu, der die Ängste sann, dem kindischen Träumer, der am Weg sich gab, wohl unbedacht, dem Schlaf sich, alpbeschwertem Grab. Wo bist erwacht du, an dem schmutzigen Tisch. // 011
02 Die Strasse draussen rülpst und kaut den hellen Fisch, der lebt und glänzt im klaren Element, ein gräulich und verwesendes Gemisch, in ihrer Gier aus Gängern und Geknirsch der Strassenbahnen: schon ist er tot, fiel hin den plumpen Schergen, die<,> dessen wüste Reste Eingeweihte bergen, Abkunft und stumm bewegte Zier nicht ahnen.
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- Konvolut: Notizbuch 1952-54
- Besonderes: Reime ohne Versumbruch, Druckbuchstaben
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Prosagedicht
- Datierung: vollständig
- Fassung: Erste Fassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: C-2-b/05
- Seite / Blatt: 010, 011
Überfliege, weisser Vogel,
wirre Täler, Hirtenfeuer,
streifen deine schnellen Schwingen.
Und die Träumer um die Gluten,
05 wachen auf aus SchlummerDünsten
warmer Tiere,
ins Gestirn des nackten Himmels,
mild gestillt durch deine Flügel<,>
nah herab bewegte Lider // 013
10 mildern mir die Sternenwüste
- Details
- Konvolut: Notizbuch 1952-54
- Besonderes: Druckbuchstaben
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Erste Fassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: C-2-b/05
- Seite / Blatt: 012, 013 (oben)
Keiner kennt die Pinie wieder,
die der frühen Liebe schattend,
die der unverhüllten Flamme
schattend warf die Schleier nieder.
05 Keiner kennt den Staubbach wieder,
welcher hoher Liebe schimmernd,
welcher hoch gehegter Flamme
schimmernd warf Geschmeide nieder.
Keiner kennt die Sonne wieder,
10 die der toten Liebe sengend, // 014
auf die Aschenspur der Flamme
sengend stieg zum Tanz hernieder.
- Details
- Konvolut: Notizbuch 1952-54
- Besonderes: Druckbuchstaben
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Erste Fassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: C-2-b/05
- Seite / Blatt: 013 (unten), 014 (oben)
Wer doch liehe das Ohr
dem Rauschen des unteren Brunnens,
der vom verschütteten Haus
im Garten quillend geblieben:
05 nur hörbar dem Schläfer im Kraut.
Er stiege hinab in die Kammer,
vom alten Durste gezogen, // 015
den er erst heute erfuhr
und tränke und tränke
10 aus den moosigen Brüsten
des Bildes, das heute noch lächelt:
die Freunde aber erfänden
tot den Gefährten, der lebt
und trügen den lächelnden Leichnam
15 hinein in die Höhle<,>
nicht ahnend, dass hier ist das Tor
wo endet der Gang zum Brunnengewölbe<.>
Schon kommt der Gestillte // 016
und holt die verbrüderte Hülle
20 ins Rauschen des unteren Brunnens:
wer doch ihm liehe das Ohr!
- Details
- Konvolut: Notizbuch 1952-54
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Erste Fassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: C-2-b/05
- Seite / Blatt: 014 (unten), 015, 016 (oben)
Diese Blume
blauer Blätter
wächst nur abseits von dem Garten,
ganz versteckt in Buchs und Dorn,
05 wo die Mauer, wo die Hecke auch dem heissen Mittag wehrt.
Doch sie füllt mit ihren Düften
auch des Gartens helle Weite,
überduftet alle Rosen, aller Lilien // 017
Duft verweht vor dem süssen
10 süssen Ruch,
der verborgnem Ort entströmt.
- Details
- Konvolut: Notizbuch 1952-54
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Erste Fassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: C-2-b/05
- Seite / Blatt: 016 (unten), 017 (oben)
Nicht dass ich den Morgen vergässe,
kaum veränderter Himmel,
Säule Gedächtnis erhebt sich
mir auf Trümmern des
05 Kirchleins, das auf dem Berg
ich einst wallfahrend besuchte,
einst, da mein Gebet, ver-
schleiert Fromme,
mühte auf Knien sich zum Altar: // 018
10 überschwemmt ist er noch heute
von Blumen der Sucht nach Verehrung.
Aber die Stelle des göttlichen Bildes ist leer:
Nun wallen die Düfte empor:
ob sie wohl betören die Taube
15 dort am Gesims, dass sie schwe-
be herbei und mit
Gurren hüte den Altar?
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- Konvolut: Notizbuch 1952-54
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Erste Fassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: C-2-b/05
- Seite / Blatt: 017 (unten), 018