Inhalt: Typoskript-Durchschläge zu 114 Gedichten (2 Endfassungen)
Datierung: 1943/44-1954
Textträger: Einzelblätter (A4-Format)
Publikation: Die verwandelten Schiffe (20 Gedichte), Verstreutes (10 Gedichte)
Signatur: E-01-A-02 (Schachtel 110)
Herkunft: Sammlung Thomas Raeber (Bruder)
Kommentar: Beschreibung
Wiedergabe: Edierte Texte
Warum hast du den Weg so schnell gefunden,
Der heimlich her in diese Lichtung führt?
Schon hat dich, Dunklen, hell der Strahl berührt
Des Mittags. Und, vom Rausche überwunden,
05 Gehst tanzend du, in Zauberzwang gebunden.
Wer hätte die Gefährdung je gespürt,
Bevor des Taumels Wut, zu hoch geschürt,
Der Seele reines Antlitz ihm zerschunden?
Doch unser lang schon angefangner Reigen
10 Soll heischend dich in seine Wirbel ziehn,
Ob du auch eines klar beschränkten Ganges
Entbehren musst: im schwindenden Verneigen
Des grössern Rings, des immer höher hin
Gehobnen Lieds und strengeren Gesanges.
O der Schlinge entwunden, dem Netz entflohn und
losgerissen von der klebrigen Rute,
flieg ich hinweg aus dem trüben Gespräch:
dort unten summt noch die Rede des Paares am Tisch,
05 ganz am Rand noch kaut der weisse Kellner die Nägel:
wie sie sich mühen, mich im Ihren zu halten.
Aber schon bin ich zu hoch und sehe das Meer hinter den Dächern,
spüre Lockung und Zug des Gestirns in seine heissern,
in seine stärkeren Wirbel:
10 wär ich nicht glücklich, wenn's mich versengte,
wenn's mich zwänge, vernichtet, als Funke in seine Flamme zu stieben,
statt an der Rute zu kleben, honigbetörter,
neu mich immer zu fangen im Netz,
mich in die Schlinge mehr zu verwirren mit jeder Bewegung?
Die manche Wolke hüllt und lässt und stillt,
des Berges wechsellichte Höh ersteigt
das Maultier, zögernd vor den Wassern wild.
Aber der Knabe sich ins Stieben neigt:
05 wenn er erriete, was den Vater drängt,
dass er Gestrüpp und Fels der Höhe sucht,
hätt er nicht freigerissen in die Flucht
sein Leben, eh Gehorsams Blitz es sengt?
Doch wusst er mehr, da Vaters Will entzweigt
10 dem stärkern Willen: das geschenkte Bild
des Knaben er dem Abend schöner zeigt,
wo Mond wie Sonne falben Triften gilt.
Treibt ihr noch am niedern Ufer
kümmernd hin,
hell ist wie die Wasserrose
nimmer euch der Sinn:
05 wo sie schwebt auf dunklen Fluten,
fest zugleich darin,
hangt ihr dumpf in Angstgebüschen
ohne Weltgewinn.
Vor Himmels Röte schmilzt
metallene Wandung des Hauses,
und in den Kammern quillt
den Siechen ins geborstene Ohr
05 Klageton des Horns,
sodass sie werfen fort die blutigen Laken.
Aber auf der Schwelle hebt der Sänger
lauteren Kelch des Lieds
empor zum Flammenmund, der unersättlich säuft,
10 dass er ihn stille:
wenn die Najaden alle auf dem Trocknen röcheln,
erlischt die Röte überm wüsten Feld;
geronnen deckt Metall, erkaltend,
des Hauses alten Ort,
15 wo das Horn entfiel des Bläsers Lippe
und die Nackten raffen
verkohlte Fetzen ans Gebrest.
Streife mit den Schwingen, Vogel,
nächtiger Täler Hirtenfeuer,
dass die Träumer um die Glut
wachen auf aus Schlummerdünsten
05 warmen Tiers
ins Gestirn des nackten Himmels:
deine weissen Schwingen mildern,
nah herab bewegte Lider
mildern kalter Sterne Brand.
Keiner kennt die Pinie wieder,
welche früher Liebe schattend,
welche früher heisser Flamme
schattend warf den Schleier nieder.
05 Keiner kennt den Staubbach wieder,
welcher hoher Liebe schimmernd,
welcher hoher stiller Flamme
schimmernd warf Geschmeide nieder.
Jeder kennt die Sonne wieder,
10 die auf tote Liebe sengend,
auf die Aschenspur der Flamme
sengend stieg zum Tanz hernieder.
Und bist erwacht du an dem eklen Tisch,
die Strasse draussen kaut und rülpst den Fisch,
der dennoch lebt und glänzt im Element,
im stinkend hier verwesenden Gemisch
05 aus Händlergier und Fluch, Geknirsch
der Strassenbahn:
den Schergen fiel er hin.
Wo sind, die seiner Glorie nahn,
den Meeresthron und schön bewegten Sinn
10 des Flossenspiels im Traume fahn?
Nächtens stürzt der Strom in lauer Woge
ins Gemach und reisst von Davids Bild
mit dem abgeschlagnen Haupt in Händen
weg den Vorhang, und Geziefer schwimmt
05 tot herein, der Käfer, Panzer, Spinnen.
Hier noch regen Fühler sich und Flügel,
die der Strom an seidene Tapeten
hängt als ekler Hochzeit Kranzeszierde.
Sie bekleckert, endend, Rumpf des Riesen,
10 Raupe noch zuletzt des Knaben Wange,
siegeshelle, Spülicht, Satz der Woge,
Stromes lauer Woge nächtens im Gemach.
Umgestürztem Becher gleich,
leergetrunken tropft der Himmel,
grün mit letzter Spur der Sonne
auf den Platz, der fieberbleich
05 flüchtet, am Gemäur zu kaun,
geil verbrennt in roten Lichtern
des Theaters, feig sich klammert
an die Wagen: nicht zu schaun
Schlund der Nacht und Morgengraun.
Wer das Fleisch noch duldet,
kennt Begierde nicht.
Wer durch Steppen wandert,
kennt den Delfin nicht.
05 Der ist noch verschuldet
Waldes Zwischenlicht,
wer nicht hellen Meeres
Fluten lieber bricht
und, im Schaume fahrend,
10 Himmeln sich ergibt.
Auf dem Seile wandelt,
wer die Spiele liebt,
hochentrückten Heeres
Sinn und Heissung handelt;
15 nicht ist der verschuldet
Waldes Zwischenlicht:
wer das Fleisch noch duldet,
kennt Begierde nicht.
Trennung trägt, die reichgezierte Barke,
zu den Lampen, leuchtend Wiedersehn.
Aus dem grünen Wasser die Delfine
rufen Lockungen, die schillernd wehn:
05 Blasen gelben Glücks, ins Helle steigend.
Dass ich doch vergässe dein Gesicht,
dass ich doch, zur nahen Stunde neigend,
liesse den Delfinen mein Gewicht!
Aber mich trägt, ob sie leck erschiene,
10 Hoffnung fort, die reichgezierte Barke.
O dem Bogen
sanft entschimmert
stösst der Pfeil
Gottentzücken
05 in das Herz, das ganz enthoben
auf der Flammenspitze wimmert:
eh beglückte,
heute sind die Wiesen kahl,
an den dürren Seelenrändern
10 mag kein Kelch den Mittag loben.
Reinigend herabgekommen
steigt das Kind in Wundenwein.
Liebesrot im Kelch geblieben,
Feuer durch das Blut getrieben,
15 trennt es, was es angenommen:
Pfeil inmitten bebt,
Schmachtenden belebt,
schmilzt in Kindes Wesen ein.
Sträubte wandelnd Tier Gefieder,
fiel der Pelikan hinab,
äugt es aus dem Moder wieder:
Kröte in dem eklen Grab
05 unter den geborstnen Stufen
jene hält, die nicht mehr rufen.
Lichtes Tier, das Leben spendet,
dunkles, das verzaubert äugt;
Herrschaft, dort im Blut verspendet,
10 hier ein Krönlein sie bezeugt:
in der Gruft das böse Licht
Macht der Kröte dichter flicht.
Dort aber, dort aber glüht
deines Gedächtnisses innige Blüte,
wo du am Tor des Gewölbes
hebst den Schleier, und Wogen von Flieder
05 hemmen nimmmer den Freund,
wenn er niedersteigt nachmittages,
Unbezwungner, zu dir, die nicht hält der untere König,
zu dir, der Unbezwungen, Bruder zur Schwester:
jetzt, wo die Kinder des Vaters täglich sich treffen,
10 wenn es der Wächter nicht sieht,
heimlich im Hain, der weiter als alle Hallen des Todes:
jetzt, jetzt, wo die Leuchte schattenlos
und ewig die Stunde.
Glanz im unbefleckten Osten:
wie der Pfau, der im Gesträuch sein Rad
schlägt am Schattenrand des Weihers –
und es sprühn die Augen schmetterlingsgleich,
05 wenn er schreitet unter zapfenreicher
Fichte, dem Granatbaum, der von Früchten strotzt –:
Reicher Glanz im unbefleckten Osten
weckt am Weiher auf den Pfau,
zückt das Fichtengrün zur Helle,
10 küsst Granaten in die Süsse:
Reicher Glanz, der steigt im unbefleckten Osten.
Wie die aufgebrochne Rose brennt die Liebe nicht einmal.
Wie die Wüste, quellenlose, dürstet Seele nicht einmal.
Urbild überwindet Abbild, dessen Rühmung Prahlerei.
Wie die Nacht, die makellose, leuchten Tage nicht einmal,
05 welche laute Taten tragen, die dem Nachtsinn fortgeschwemmt:
ihm brennt wie die eine Rose Rosengarten nicht einmal.
Reiner, reiner ist heut dieser Lohn,
den wir gestern zagend noch empfangen:
Mond ist in der tiefsten Stunde schon
hinter Meer und Inselwelt mit Prangen
05 hingesunken. Und das Heer, mit Flügeln
blinkend, kommt von schwarzen Hügeln,
Heiles Schilde mächtig in den Händen,
helfend nieder: grunderregte Welle
drängt, die falschen Lichtes trüglich blenden,
10 Todesfürsten nach der Felsenschwelle.
Und die Pforte donnert überm Drohn.
In die Tiefe, wo das Chaos braust,
fällt vom Stern, der wie der Adler saust
auf den Gipfel aus den höchsten Bränden,
nicht ein Schimmer. Nur in einem Tal
05 wiegt er sich auf grüner Zeder Krone:
Magier, begierig nach dem Sohne,
kennt des Zeichens offenbarte Zahl,
rüstet Herden, ihm sie zuzusenden,
mit den Knechten, nächst dem Tor behaust,
10 über Tiefen, wo das Chaos braust.
Nur Bedrängnis statt erhofften,
statt verheissnen Glücks des Schlafes
an dem kühlen Fuss der Ulme,
wo der Schatten kühner kämpft
05 gegen Nachmittages Licht:
wo die Burg scheint von dem Felsen,
weiss Gemäuer aus dem Silber,
aus den Stacheln der Gewächse,
zwingt den Ruhbegehrer stets
10 neu in diesen hellen Anblick,
sagend: "ich bin stärker als die
Stille und die Schattenkühle;
willst du fliehen, willst du schlafen:
zwingen will ich dich, im Traum
15 aufzusteigen her zu mir,
dich zu ritzen an den Stacheln.
Jede Wunde soll Begierde
nach der Höfe kahlen Mauern,
nach vergessnen Häftlings Seufzern
20 dir befeuern". Ausgedörrt ist
Sinn und Seele beim Erwachen
aus Bedrängnis statt erhofftem,
statt verheissnem Glück des Schlafes.
Wenn er tunkt das Haupt ins untere Wasser,
sieht er dort die ganze Welt
um Gebirg und Bäume stehn,
um Gebirg und Bäume wandeln
05 dort den Kämpfer, Lorbeer pflückend,
und am Ufer stehn, die sich umarmen:
wenn er tunkt das Haupt ins untere Wasser.
Wenn er hebt das Haupt aus unterem Wasser,
sieht er hoch den ganzen Himmel
10 um die Sonnen und die Monde stehn,
um die Sonnen und die Monde wandeln
dort den Sieger mit dem Silberzweig
und am Lichtstrom schauend stehn den Weisen:
wenn er hebt das Haupt aus unterem Wasser.
15 Wenn er tunkt das Haupt ins untere Wasser,
sieht er dort die ganze Welt,
sieht er dort den ganzen Himmel,
einen Abglanz von den Sonn und Monden,
wandeln um Gebirg und Baum,
20 sieht den Sieger mit dem Silberzweig
jenem lächeln, der den Lorbeer pflückt,
und den Weisen über der Umarmung
sieht er widerlächeln in der Woge:
wenn er tunkt das Haupt ins grüne untere Wasser. // 20
25 Wenn er tunkt das Haupt ins untere Wasser,
lockt Gebirg und Baum, dass er sich niedersenke.
Wenn er hebt das Haupt aus unterem Wasser,
locken Sonn und Monde, dass er sie umkreise.
Aber, schwachen Atems, kann er nimmer tauchen,
30 schwacher Flügel trägt ihn nicht empor:
wenn er hebt das Haupt aus unterem Wasser.
Wenn er hinschwimmt auf dem unteren Wasser,
der Gespräche stiller Zwischenlauscher,
weiss er jedes Bild und Spiegelbild,
35 selber unbekannt der Höh und Tiefe,
bis am Abend im Gebüsch des Ufers
bricht aus weisser Brust, was er erfuhr,
weher Sang, den Winden übergeben:
als er hinschwamm auf dem unteren Wasser.
Alter Frau Melancholie
blühn in Armes matter Beuge
nicht der Strauss,
ja die Düfte nicht einmal
05 von dem Blumenstrauss der Sommerwiesen:
und ihr Bruder,
schwülen Sommers dunkler Dämon,
rollt hinweg die goldnen Kugeln
hinter finstere Gebirge,
10 weil der Halle Säulen
diese Last kaum tragen mehr
todestrüben Blicks der Alten,
deren Arm in matter Beuge
nicht mehr hält den Strauss von Wiesen,
15 ja die Düfte nicht einmal
von dem Blumenstrauss der Sommerwiesen.
Wer den finstern Gang betritt am Tempel,
wo die alten Bilder stehn, der Adler
mit der Wölfin und dem Stier, im Holze faulend:
ihn bestürzen die, die vor verwandelt,
05 in den Nischen hausen unterm Tropfgestein.
Und sie lecken ihm Gesicht und Hand, bis dass er,
selbst ein junges Tier, die Zitzen saugt der Wölfin.
Der vom Strand zur Stadt die Blume brachte,
lässt sie fallen, da sie, plötzlich offen,
ihm die Nüstern mit dem Duft verwirrt:
und er flüchtet, zu des Volkes Staunen,
05 auf die Klippe, zu des Volkes Argwohn:
Bis im Sturz ihn, einen Vogel, halten
neue Schwingen, tragen hoch, wenn lang
Fuss um Fuss schon trat in Staub die Blume.
Nur zuweilen streifen tief die Fische
an die Klippe, wo sie vor als Fischer,
auf der Rute erste Regung wartend,
kauten jenes Kraut, das nach dem Wasser
05 weckt die wilde Sucht: Bis dass sie schwammen,
leis mit Schuppen und mit Flossen sinnend,
weit hinaus: Nur tief zuweilen streifen
sie die Klippe, wo sie vormals sassen.
Verteilt in unzähliger Vögel Flügel und Stimme,
stiegst aus dem Rauch du hinauf,
über Scheitern in Flammen erneut:
Singst, wunderbar lindernd, am Morgen
05 den Trauernden, der dir verweinte
alle Stunden der Nacht,
vom Sims des Fensters in Schlaf,
als, über Scheitern in Flammen
erneut, du stiegst aus dem Rauch,
10 in Flügel und Stimme unzähliger Vögel verteilt.
Der Gruss des Flüchtlings hallt wieder im Meersaal,
Kugel des Grusses von ruhenden Riffen:
so dass der Fische nisternder Schwarm stiebt aus den Zweigen,
wenn in verborgenen Krügen der Wein
05 schäumt und schäumen vom Wein die Najaden,
wenn aus den Muscheln sie reissen Gesträuch
und es schwingen durchs Wasser –
taumeln hin an die ruhenden Riffe,
wo der Gruss des Flüchtlings hallt wieder im Meersaal.
Panther und Löwe schütteln
die Splitter der Kugel vom Fell
und ziehn aus den Scherben im Wagen
näher und schneller den Knaben.
05 Ich liege schon in den Strängen und ziehe selber den Knaben,
das Kleid schon brennt mir, das Haar von den Funken des Wagens,
da wieder ziehn aus den Scherben
der Kugel, die sprühend zerspringt,
Panther und Löwe wieder und wieder den Knaben.
Ins Linnen gehüllt des makellosen Gewandes,
gehst du, wie stets am Morgen, hinaus vor das Tor,
doch ohne die Herde,
nur ein einziges Lamm auf der Schulter,
05 hinaus auf des Felsens äusserste Klippe:
Dort fasst dich der Greis an der Schulter,
stösst dich hinab in die Schlucht,
die von weitem, weitem emporbraust:
bereit, zu empfangen das Lamm in die würdige Hürde
10 und dich, Hirt, in die Trift, wo du weidest die willige Herde.
Vom Felsen schwankt ihm am Seil
im Krug das Wasser herab,
da ihn nicht stillte das heimlich
aus dem See mit Mühe geschöpfte:
05 Dort spiegelte Licht sich,
wo mühsam er schöpfte,
heimlich, und sich nicht stillte:
im Krug hier schwankt es geborgen
vom Felsen am Seil ihm herab.
Aus dem Mund des Knaben die Taube
flattert im Kreis und birgt
im Mund der Mutter sich schnell
unter der offenen Kuppel,
05 die leuchtet im Donnergewölk:
wo die kenternden Schiffer versprachen
Schalen und köstliche Kelche,
dass vor des ehernen Bergs
Steilwand sie rette der Knabe,
10 des Mund entflattert die Taube,
kreist und schnell sich verbirgt
in der Mutter lächelndem Mund.
Sachte setzte der Pfau einen Fuss vor den andern und zog den Schweif knisternd hinter sich her auf dem Geländer, bis er an die Stelle kam, wo das Gebüsch wuchernd in den schwarzen Garten hereinbrach, mit dem Gezweig voller Düfte sich den Eintritt erzwang: Bis er dorthin kam, Kopf und Krone hob, zögerte erst und dann anhielt, sodass sein Schweif, einen Augenblick blinkend, vom Geländer hinabfiel und dann sich barg in den Zweigen.
02 Erschreckt nun hob sich ein Wind aus dem Busch, stob ein purpurner Faltersturm in den Glanz, der aus der Zweige Überhang aufging: Der Pfau schlug das Rad in die Nacht.
Von den Gipfeln ist die fremde Taube
niedergeflogen ins Tal,
wo sie nicht achtet der Wandrer.
Nur dem Flüchtling, dem der Mittagsdämon
05 treibt das Salz aus den Augen,
schwebt sie, wenn er entkleidet die Mitte des Wassers erreicht, in
stillen Kreisen gnadenglänzend aufs Haupt.
Eine schwere Dolde lässt
von den Kindern im Garten
schwankend sich hin und wider bewegen.
Bis sie den Zweig schwerer hinabzieht,
05 schwerer hinabzieht unwiderstehlich
unter Blüten Betörte begräbt und
erstickt in Duftrausch.
Nimmer fand ich die Rose, solang sich
hob am Eingang zum Holz als Schlange der Erdgeist,
sprang, ein Löwe, dem Bedränger ins Antlitz,
Aufgerafftem fiel als Adler ins Auge.
05 Erst als Mut unüberwindlich
brach hervor aus der Tiefe jenseits des Herzens,
drang ich ein und sah die Rose
glühen vor den ZeItgenossen des Königs,
der im Thronzelt ehrt ob Kronen die Rose,
10Tod dem Pflückenden, aber dem Schauenden Leben:
Ganz bin ich eins mit dem König in der gefundenen Rose.
Wo denn anders ist dieser Strauch
Reinen Herzens Erfahrung,
mit silbernen Blättern glänzend,
als in dem herbstlichen Garten Gegenwart,
05 dessen Kronen tragen die Kuppel
des Hauses aus Spielen der Liebe?
Wo denn anders ist er als hier am Ende des Jahrs,
das nie süsser schmeckt als im Abschied?
Wer immer wusste vom Abschied,
10 schon als die Taube, weisse Gefährtin dem Kind,
aus der Hand entglänzte über die roten und gelben Kronen der Bäume
aus Furcht vor dem Winter:
der lächelt jetzt und geht
allein hinein unter die Kuppel,
15 schliesst die Tür, wie die Sonne
sank eben und Kühle weht aus dem Strauch
Reinen Herzens Erfahrung
mit matt gewordenen Blättern.
Vor dem offen auf den Strand geleerten
Füllhorn edler Steine fasst Begierde
die vergessenen Inselbewohner, dieser
Schätze Heimat, Meeres Reich zu schauen,
05 wo die Ahnen – wie sie glauben – wohnten:
Und sie gehn den Strand hinaus der Tiefe
zu, noch immer tiefer, bis die Flut
raubt den Atem und die Väterhallen
leuchten durch das aufgetane Tor.
Im falschen Spiel von Strom und Nebel lechzt
gestaltlos alles und aus Wechselwehen
nach jenem Umriss, den die Stunde weigert:
das Haus gespenstisch abgezogener Schein
05 des einstmals wahren Bilds, und wie zum Sturz
ins Leere Lockung Steg, Scheinsteg hinüber
den Scheinfluss: 0 dass gänzlich schwänden doch
die trügrisch wehenden Nebel und das Haus,
die Brücke und der Strom da wären wirklich,
10 aus Irrung leitend portwärts Aug und Fuss.
Wäre dieser Strom doch schon erhoben
diese Tiefe schon bereut
wär der Feind vorm Engelheer zerstoben
und das Leben aus dem Sieg erneut,
05 würde an den letzten Abendhängen
jede Pflanze rein benannt
und in unversehrten Fängen
trüg der Vogel endlich fort uns aus dem Brand.
Schwillt und mündet ins Meer der Strom und empfing
nicht zuvor den klaren Bach aus
goldener Pforte der Geheimnisstadt
mit dem köstlichen Geröll: Diamanten,
05 immer gleich in lichtspendender Reinheit,
nie von der Strömung verzehrten: was frommt ihm,
dass von der Tafel des Königs
strömen nieder unendlich Rinnsale lauteren Weins?
Obgleich die Tore dröhnen in die Pfosten
und durch die Halle fliegen dunklen Schalles
die grossen Vögel – siehe wie ermatten
im Schatten die blinkenden Geräte – so heben
05 die Greise kaum vom Mahl das Haupt, zu herrlich
ist ihnen Duft und Schmack des Gottes, der
Gefangenen auch in Brot und Wein geheim
zu eigen bleibt und mehr als Mittagsonne.
Wenn du nicht vermagst das Unlenkbare zu lenken,
sei zur Tröstung dir immer das Gewitter des Himmels,
sei dir das Toben der Lüfte, Donner und tötende Flamme,
die die verschlossnen öffnet, weckt die versiegten Quellen
05 aus den Sockeln uralt verschollener Bilder: So bringt
Schrecken Heiliges wieder hervor, die Gräber erbrechend.
Was ist im trüben Moor das Reinere,
davor zur Trübnis wird dies klare Ufer?
da Stadt und Garten einzig gegenwärtig
sind dort und diese obern bleiben Schatten,
05 geworfen an die Höhlendecke, die lastet
auf unsrem Haupt, und Freiheit ist der Eingang
hinunter in die widerliche Lache,
wo aus der Fische aufgeblähten Leichen,
aus fauler Pflanzen Resten steigt der Turm
10 ins Aug und ins Geblüt die Beere schwillt?
Auf der Insel gehn die gestrandeten Schiffer.
Sie aber schweigt und ist schön inmitten des Meeres,
ob auch jene rufen klüftiger Berge
Wirrsal und wüste Wildnis der Herkunft und gehn doch
05 heute im Garten der Götter: ihnen ist Duft
von den Bäumen, Gesang der Zikaden und das
hohe Rauschen der Flut nur Elend, solange
ruhlos bleibt ihre Seele und das Gewaltige
will, nicht wissend das Glück der reinen Beschauung:
10 Ruhe im Einklang des Meers mit dem Himmel und den
Quellen des waldigen Bergs, wo das Ganze tönt.
Der Herzgesang, der aus dem Innern schwirrt
und sanft die Seele aus den Fesseln wirrt,
der wie die Taube auf den Gipfeln girrt:
wie hätt er auch die schmachtende gefunden,
05 das Tor, den wilden Wächter überwunden
nach ach so vielen kerkerdunklen Stunden
gesprengt die Schlösser und die Mauern hart,
wenn nicht im tiefsten Brunnen aufgespart
ein fliessend Licht vom Licht geoffenbart?
Ob ich in dem Berge gehe jahrlang
brennt mir doch immer wieder
unvermutet durch die Spalte
zwischen totem Astwerk
05 auf die rote Scheibe:
zündet im Höhlengrund den Stein, die Seele
an zum neuen Morgen.
Die Taube trägt die heilige Ampulle
zum Pestgewölb hinab,
zerbricht am in den Leichen unerkannten Königshaupt
die ganz mit Wohlgeruch die Düsternis erfüllt,
05 sodass, durch dieses Zeichen auferweckt, der Bischof
vom Lager schwankt, mit blauen Händen
zu krönen halbverweste doch gesalbte Stirn.
Tritt hinab nun nach den Führern
der Verwünschte aus der oberen Welt der
Blumen und der fischbelebten Wasser
in den Glanz der toten Minerale,
05 wo der Dämon unbesiegbar wohnt:
weiss er, dass in kurzem alle folgen
die noch atmend lieben,
durch die Felsentüren in die Unterwelt.
Wenn die obere hier verblasst,
10 muss dort unten totes Bild an totem Bild
innerlich im Licht des Erdendämons glänzen.
Wer da Gold wirft durch das Fenster des Armen,
ja Gebirge versetzt mit grösserer Kraft,
schwebt verschlossen im Gemach des Gebetes
über der Erde und nährt sich,
05 Säugling, an der ewigen Brust.
Der Sommer ist erkannt,
am End der Glanz,
und unverwandt
ist schon die Traurigkeit gebannt
05 in diesen Kranz
aus Blumen und aus Beeren.
Und willst du den beschweren
mit Süssem noch und noch,
so musst du Last dir mehren:
10 vom Obsthain und den leeren,
entweihten Gärten kommen doch
die Früchte dir zumal aufs Haupt.
Mit Efeu lang der Trunkenheit belaubt
gehst in der Dämmerröte,
15 die dir die Rauschesnacht geraubt,
und irrst vom Schall ertaubt
der wirren Flöte
in Reichtum ächzend durch das Haus.
Wer in das Totenreich vermessene Fahrt
auf Wagen rauscht mit schnell verschlissnem Prunken
und überdrüssig des, was offenbart,
mit aus dem feuchten Stein geschlagnen Funken
05 die lang verborgene Höhle kaum erhellt,
wo, von den Lebensgärten einst entsunken,
die Flieder in der unbestimmten Welt
vergrauen düftelos in Moderfeuchte:
der taumelt rückwärts vor dem heiligen Zelt
10 am Jauchepfuhl, der ihm das Blut verseuchte,
vom Gegenufer unzerstörter Macht,
die strahlender als jene frühe Leuchte
den Kranken ruft in Königs heile Pracht.
Schwemmt der Fluss aus hohen, kaum gefurchten
Tälern nach den alten Tiefen mich
dieser Lust zurück, und duften wieder
Wiesen, wo der Fallende nicht weiter,
05 von dem hohen Ort nicht weiter fällt:
immer labt ihn dieses Tales schlummernd
Leben, Kraut und bunter Garten an dem
breiten, inselreichen Spendestrom.
Irrgeworden vor dem Ueberhellen
fällt der Vogel immerfort nach innen,
unentwegten Falls Spirale findet
jedem Innenort noch einen inner-
05 innersten: so wie das Trostlicht den
Abendgänger lockt und im Gehölz
stets nach vorne flieht und über Schluchten
noch enthoben an den neuen Ort
unerreichbar angebotner Zuflucht:
10 fällt der Vogel, willos niederkreisend,
in den Grund, der jenseits des erreichten
immer noch im Ueberhellen liegt.
Vergänglich ist auch dieses Bildnis, kaum
enthüllt, das stieg herab in das Gewölbe,
wo sitzen schon die vielen auf den Thronen
und füllen das Gemach mit Innenglanz,
05 obgleich sie tot sind gegen dieses Abbild
des wirklicheren Lebens. Und wenn es auch
schien Braut und höchstes Gut der schmachtend lang
in Tiefen irrenden Seele, so hört sie doch
auf einmal, dass unter allen Bildern bebt
10 im Berg die Höhle, wankend vom Grund, und sich
die Felsen spalten und aus den Donnern steigt,
den keiner zu sehnen wagt, der Herrscher: stillend
noch über dieses Bildnis, das vergänglich.
Das heraufstieg in den Wald
an der Bergeslehne knisternd Tier
brach den Schlaf mir auf der Sonnenkuppe
unterm einsam kühlen Schattenbaum:
05 wie das mich erschreckte, Knacken
schützenden Gehölzes, das den
Abstieg birgt; wo ringsum dauern
Schluchten ungestümer Bäche,
die, vergessen unter Sommerstille
10 und dem Summen dunkler Hummeln,
wieder drangen aus der Seele
schreckend auf, die nie gedämpften:
als heraufstieg in den Wald
an der Bergeslehne knisternd Tier.
O dieses Tages schnell geschmolzne Zeit,
wie fällt sie geiergleich von dunklen Bergen
auf hastigen Gang der Wanderer, die seit
der ersten Frühe sich im Mantel bergen
05 vorm Anblick, der das heisse Auge quält:
den Leichen in den aufgeklafften Särgen.
Auch jene hatten fieberig gezählt
die Stunden, ob sie der gebotenen Fahrt
genügten? Da den Siegern zugewählt
10 der Knabe ging, vom Siechtum ausgespart.
Gefangener der Tiefsee riss sich los
und hinauf in die oberen Wasser:
wie war es da Licht und nur Licht
dem endlich befreiten aus den Wassern des Lebens,
05 nur Licht noch hier in den oberen Wassern
der Tiefsee entrissnem Gefangnen, nur Tod.
Wirr fährt hin und her der Vogel
im Gespinst des Scheinlichts, das
wächst und zieht Irrfäden über
die verborgene Flamme: dieses
05 Netz noch wächst über Wiesen und den
reinen Schrei der Grillen und des
Kuckucks Ruf, des andern, glücklichen
Vogels: er aber sucht überm Scheinlicht
tauben Fadengespinstes in des
10 Grillenschreies reiner Burg
offene Fenster durch die Kuckucks
Rufwand in die Stille des Walds,
wo das Dunkel ganz im Dickicht
hält das Feuer: endlich
15 Licht dem Irrschein entronnenen Vogel.
Dem der heimlich aus von Tänzern
lautem Saale floh,
ist der Weg verwuchert,
wenn der Ruf der suchenden Genossen
05 im Gesang der Grillen schmolz.
Glanz des Festes aber blich im
Schein des übers Morgenlicht
reinigenden, unauslotbar tiefen Quells.
Kühle tropft auf die Blume schwimmend im Glutsee,
wenn sie zufällig der Brodelkreis an den Felsen hinanträgt:
Leben empfängt sie, blauend in der Berührung,
und erlischt alsbald wieder glutgetränkt im Glutsee,
bis sie, von neuem gespielt an den Fels der Erlösung, von
neuem empfängt in eines Tropfenfalls Nu
Leben ewiger als Aeonen im Gluttod.
Ich sitz am Säulenstumpf der Nacht und werfe
nach dem Polypen, der gen Westen sinkt,
das Netz und fange schliesslich nur den Mond:
sein Schwimmen ohne Flossenregung tröstet
05 mit vieler Sternenfische Wimperschlagen
gar bald mich, wenn ich leise aus der Flut
die Beute zieh zum Säulenstumpf der Nacht.
Wechselt nicht der Fischer Steg und Strand,
dass er jenen kühnsten fände,
dass er lachend auf die Lände
zög den Haifisch, der sein Boot berannt?
05 Bringt er hoch ihn nicht die schroffen Wände,
ob er lang auch ächzend riss,
sich die Lippe blutig biss,
schafft er's leicht auf weichem Sandgelände:
Wo das stumme Maul die Angel greift,
10 trägt's der Tiefe Rauschen,
macht das Ohr des Fischers lauschen:
der nun Träume wach mit Sinnen greift.
Die Flöte rief, als wir noch immer fielen
durch Distelwirrnis tief, tief ins Gebirg,
uns tröstend zu, dass wir des rechten Falls
gestürzt und uns getrost ihm liessen:
05 Wenn auch der Flügel schwarzen Nestlings, als
Dämonenfittich wachsend, mit uns sank,
so rann der Sand doch lauterster Gesteine,
und im Kristallstaub rann das lichte Gold
von Höhlenwänden, wo wir endlich hielten,
10 bis es die scharze Schwinge überschäumt.
Kennst Du mich, der eh dich küsste,
kennst du meiner Lippe Brand;
kennst du, deren Nacht ich süsste,
mich am duftenden Gewand?
05 Ja, du bist's, den ich vernommen,
schönrer Schall als Tamburin:
Wehn und Wort ist angekommen,
schon die Lippe aufgenommen.
Statt vorm Feuer schnell zu fliehn,
10 such ich Kühlung mittendrin.
Den schwebenden, den steigenden Ballon,
wer hält den Traum,
der aller Last entbehrt,
und flieht zum Saum:
05 wo noch der Nachen voll
und fruchtbeschwert
fährt Tag hinweg? – Der Baum
fängt mit den Aesten schon
den schwankenden, den sinkenden Ballon.
Hängen Waldes Schattennetze nieder,
spüren Hunde kläffend nach dem Reh:
dass es sinkt in falbe Kräuter nieder,
glüher Nüstern Beute, reines Reh,
05 das sie auf der Fährte manches Wildes rochen.
Glüher Mäuler, die nun stillt das Reh,
fallend Geifergier zur Atzung nieder,
Hundegier, die lodert nach dem Reh
irre, wenn die Netze hängen nieder.
Hände vierer Gründerväter heben
Thron empor in Tanz der Wolken, Geister,
heben mühlos mit dem Blick, der stärker
als die Hand, den schweren Stuhl: er schwebt,
05 himmlisches Gerät schon selber, dass
keiner wagte, ob sich jeder auch
Herrscher dünkt im Haupt, ihn zu besteigen.
Fürchtend, dass er, an so hohen Ort
ganz erhoben, höb empor die Welt
10 in die Himmelssphären und die schwere
stürzte rückwärts berstend in den Schutt.
Quelle springt dem Meere kindlich zu,
spricht geschwätzig in den schweren Sang
starken Läufers, der zum Felsen brandet.
Kleiner Schwester plätscherndes Begrüssen
05 reizt, den keiner hält, zum hohen Griff,
dass er, schäumend, übersteigt das Riff,
stürzt hinan und, krankend nach der Süssen,
vor der Ueberraschten Füssen landet
Muschel, Stern und Krebs. Behängt mit Tang
10 fasst er sie und küsst den Mund ihr zu.
Kränze der Pilger in den Kronen der Bäume
preisen des Fremdlings abends vollendete Gabe:
Als in der Kühle die Greise den Mittag bedachten –
wie der Fremdling, von der Strasse sich wendend
05 nochmals zurück, wandelt zum Tempel die Hütte –
griffen beider Füsse knorrig die Krume,
griffen die Hände verholzt und belaubt in den Himmel,
Schatten zu geben den Pilgern für immer wie bisher,
dort, wo des Fremdlings abends vollendete Gabe
10 preisen die Kränze herab aus den Kronen der Bäume.
Wie der Wipfel sinkt der lichten Eiche,
nahen klagend alle ringsumher,
alle Nymphen klagen, wenn zur Erde
sinkt der Wipfel tief der lichten Eiche.
05 Wie der Wipfel sinkt der lichten Eiche,
bleichen weh die Blätter, tropft das Blut,
seufzt es aus der Krone klagend nieder,
wie der Wipfel sinkt der lichten Eiche:
Mit dem Wipfel sink ich dieser Eiche,
10 Schwester, die den Schwestern lange lieb;
von den Schwestern scheid ich, ihren Spielen,
mit dem Wipfel sinkend dieser Eiche.
Der Berg grünt plötzlich
auf im Gewitter, und eine Zeit unterm Regen
geh die Windung des Wegs ich hinab,
wo tief kocht das Gewölk, zuweilen
05 durchwühlt von wandernden Blitzen,
die wandern herwärts, die nahn:
Der singt in den Fesseln,
der Greis treibt unter den Brücken der Stadt
wider die Strömung hinauf
zur nächtlich mit Lampen
05 im Winde wogenden Halle
oben am Ufer. –
Nur still aus der goldenen Wölbung
mit unermüdeten Lidern
blickt der Herrscher herab,
10 entgegen dem Greis,
den tragen die Brüder vom Floss
herein, nun stumm in den Fesseln.
Die Brandung des Schluchzens empor
zu deinem Thron auf die Mauer
übersummt das Summen der Hummeln,
der Pfeile, die vor deinem Antlitz,
05 ehe noch traf ihr Stachel, wenden und sinken:
Bis tropfen, tropfen die Tränen
deiner offenen Augen
vom Thron, von der Mauer hinab
in die Brandung des Jauchzens.
Schneller, schneller treibt der Kiel
übern Lenker, den vom Steuer warf der Vogel,
stürzend aus dem Mond mit starren Flügeln,
schweigend in die winterstille Woge.
05 Schneller, schneller trägt der Kiel die Schläfer
auf das Riff, wo glänzen unter Kieseln
die Gebeine jener, welche früher
liefen auf das Riff in Winters Mondesstille.
Hängen über den Dolden
des buchtigen Ufers die Segel,
fällt aus den Felsen
der Feind mit dem Speer.
05 Da tauchen, da schwinden die Segel,
da sinken die Schiffe im Schaum,
und Schwimmerinnen für Schiffe
steigen herauf.
Aus dem Ufergebüsch
kommen sie wieder mit Fackeln
und steigen zur Grotte hinab,
wo sieht über silberne Herzen
05 das Auge der Mutter aufs Meer,
da sie her ohne Steuer und Ruder
trieb, bis aus dem Gebüsch
sie kamen und holten vom Schiff
die Wartende ein.
Purpurn troff
der Baum der roten Beeren,
troff, vom Wind verwundet, in den Himmel,
dass das lichte Laken dunkelt.
05 Mit den nachterwartend üppig
überquollnen Blätterfluten troffen
nun die Beeren,
die da blutend, nicht verblutend, rissen
auf das Laken,
10 auf in Baumes Abendwunde.
Die grossen dem Meer entglittenen Wolken
wenden sich weg von der Stadt,
die mit Lichtern leuchtet und scheucht
die langsam sinkenden Ballen.
05 Sie sanken entgegen dem Turm
und fliehn, von der Spitze getroffen,
zurück in die sich im Meer
düster spiegelnde Dunstwand.
Schlaftrunken stürzen die Schwestern hinein in den Brandrausch,
im offenen Auge den Stier,
der gestern, trunken auch er,
stürzte die Stirn in den Fels, der brannte von Blüten,
05 anfachte von neuem den Fels mit Blut aus zerbrochenem Haupt. –
Im offenen Auge den Stier,
trunkener stürzen die Schwestern vereint in den Brandrausch.