Inhalt: 76 Manuskripte und 1 Typoskript zu 24 Gedichten (1 Endfassung)
Datierung: 30.1.1958 – 7.9.1958
Textträger: 118 Einzelblätter (A4-Format), z.T. Typoskriptmakulatur; Bleistift, schwarzer und z.T. blauer Kugelschreiber
Umfang: 24 Dossiers, 144 beschriebene Seiten
Publikation: GEDICHTE (8 Gedichte), Verstreutes (3 Gedichte)
Signatur: A-5-d/05 (Schachtel 37)
Herkunft: Grüne Mappe EG 1958 I
Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften:
Im Springen dürstet die Quelle,
leckt auf die Finsternis,
leckt stockend nach der Helle;
o Grotte, o Bitternis.
05 Draussen zaudert die Helle,
o Grotte, o Bitternis,
das Rinnsal wird nicht zur Welle,
fürchtet die Finsternis,
verhält das Springen der Quelle
10 im Kleinmut der Finsternis:
o Grotte, o Bitternis,
dir schmilzt nicht die Helle
auf der Zunge. Die Quelle
leckt Salz und leckt Finsternis.
15 Zu weit ist der Weg für die Welle,
o Grotte, o Bitternis.
Im Springen dürstet die Quelle,
leckt auf die Finsternis,
leckt stockend nach der Helle:
o Grotte, o Bitternis.
05 Draussen zaudert die Helle,
o Grotte, o Bitternis;
das Rinnsal wird nicht zur Welle,
fürchtet die Finsternis,
verhält das Springen der Quelle
10 im Kleinmut der Finsternis:
o Grotte, o Bitternis,
dir schmilzt nicht die Helle
auf der Zunge. Die Quelle
leckt Salz und leckt Finsternis.
15 Zu weit ist der Weg für die Welle,
o Grotte, o Bitternis.
Im Springen dürstet die Quelle,
leckt auf die Finsternis,
leckt stockend nach der Helle:
o Grotte, o Bitternis.
05 Draussen zaudert die Helle,
o Grotte, o Bitternis;
das Rinnsal wird nicht zur Welle,
fürchtet die Finsternis,
verhält das Springen der Quelle
10 im Kleinmut der Finsternis:
o Grotte, o Bitternis,
dir schmilzt nicht die Helle
auf der Zunge. Die Quelle
leckt Salz und leckt Finsternis.
15 Zu weit ist der Weg für dei Welle,
o Grotte, o Bitternis.
Wer gejagt von Hundegebell
den Berghang durch das Gestrüpp
hinaufkeucht, taucht
ohne Zögern auch in die brüchige Kuppel und schwimmt
05 sacht gegen die offne Laterne.
Schwimmt über die Knochen der Nonnen auf den steineren Thronen
hinweg
sacht durch die Gruft in das
brüchig moosige Becken,
lässt sich durch den Wirbel
10 der Laterne am Ende gerne schnell hinausziehn, dorthin,
wo man nicht mehr bedarf des Trosts einer behandschuhten Hand,
die aus der goldnen Karosse im Regen uns zuwinkt.
Das Hundegebell jagt mich auf den Berg durch die
Geschwülste der Wurzeln.
Ich keuche und tauche ohne Zögern in die brüchige Kuppel
und schwimme gegen die offne Laterne.
Ich schwimme über die Knochen der Nonnen auf den Thronen
aus Stein durch die Gruft in das brüchige Becken
05 und lasse von dem Wirbel der Laterne mich am Ende gerne
hinausziehn.
Jetzt bedarf ich nicht mehr des Trosts einer behandschuhten Hand,
die aus der goldnen Karosse unter dem Regen mir zuwinkt.
Hundegebell jagt mich auf den Berg über Wurzelgeschwülste.
Ich stolpere, keuche und springe dann in die Gruft
und schwimme über die Nonnenskelette auf steinernen Thronen
hinaus in die Kuppel
und lasse mich von der zerbrochnen Laterne gern in die Schlucht
ohne Boden hinabziehn. // 03v
05 – Wie aber soll ein Handschuh,
der aus einer goldnen Karosse herüber
winkt, mich trösten in Zukunft, mich trösten über den Regen?
Hundegebell treibt mich auf den Berg über Wurzelgeschwülste.
Ich stolpere, keuche und springe dann in die Gruft
und schwimme über die Nonnenskelette auf steinernen Thronen
hinaus in die Kuppel
und lasse mich gern von der zerbrochnen Laterne in die Schlucht
ohne Boden hinabziehn.
05 – Wie aber soll ein Handschuh, der aus einer goldnen Karosse
herüber
winkt, mich trösten in Zukunft, mich trösten über den Regen?
Hundegebell treibt mich auf den Berg über Wurzelgeschwülste.
Ich stolpere, keuche und springe dann in die Gruft
und schwimme über die Skelette der Nonnen auf steineren
Thronen hinaus in die Kuppel
und lasse mich gern von der zerbrochnen Laterne in die Schlucht
ohne Boden hinabziehn.
05 – Wie aber soll ein Handschuh, der aus einer Karosse herüber
winkt, mich trösten in Zukunft, mich trösten über den Regen?
Du hebst das Horn
und vergiftest die Winde,
hebst es auf vor dem Wald,
den versteckten
05 Blüten, den Teichen mit Rosen,
den Grotten voll von Lianen.
Du senkst das Horn
und dringst hinein in den Wald;
da sind die Blüten verfault
10 und die riesigen Bäume verkohlt.
Der Teich ist ein Moor ohne Rosen,
Moderlöcher die Grotten.
Du musst hier weiter, du musst
durch die Gänge,
15 gewundnen gleich deinem Horn, // 02
doch nicht purpurn. Weh deinem weissen
Fell: denn da drinnen
liegt nicht Minotauros. Unter zerbrochnen
Glasdächern uralter Fabriken,
20 bei rostroten Maschinen,
die keiner mehr zu bedienen versteht,
liegen die Mumien da:
Könige wie aus Leder
und Krokodile mit blätternden Schuppen
25 (Blätter, duftende Blüten)
Augen, offen und schimmlig,
(im Teich die offenen Rosen<)>.
Hebe nochmals dein Horn,
dann ist nur noch Staub,
30 und du watest.
Moder war noch ein Duft // 03
Labyrinth war noch eine Richtung.
Die Mumien waren ein Grausen.
Jetzt watest du bis zu den Knöcheln
35 nur noch im flimmernden Staub.
Du watest im Kreis und suchst eine Jungfrau.
Du hebst das Horn
und vergiftest die Winde,
hebst es auf vor dem Wald,
den versteckten
05 Blüten, den Teichen mit Rosen,
den Grotten voll von Lianen.
Du senkst das Horn
und dringst hinein in den Wald;
da sind die Blüten verfault
10 und die riesigen Bäume verkohlt.
Der Teich ist ein Moor ohne Rosen,
Moder die Grotten.
Du musst aber weiter,
du musst durch die Gänge,
15 gewundnen gleich deinem Horn, // 05
doch nicht purpurn.
Weh deinem weissen Fell:
denn da drinnen liegt nicht Minotauros.
Unter zerbrochnen
20 Glasdächern uralter Fabriken
bei rostroten Maschinen,
die keiner mehr zu bedienen versteht,
liegen die Mumien da:
Könige aus Leder
25 und Krokodile mit blätternden Schuppen
(Blätter, duftende Blüten)
Augen, offen und schimmlig
(im Teich die offenen Rosen). // 06
Hebe nochmals dein Horn,
30 dann ist nur noch Staub,
und du watest.
Dann ist Staub nur noch statt Moder,
statt Labyrinth,
statt Mumien ist nur noch Staub
35 und du watest bis zu den Knöcheln
ganz im flimmernden Staub,
watest im Kreis und siehst
überall eine Jungfrau.
Du hebst das Horn
und vergiftest die Winde,
hebst es auf vor dem Wald,
den versteckten
05 Blüten, den Teichen mit Rosen,
den Grotten voll von Lianen.
Du senkst das Horn
und dringst hinein in den Wald;
da sind die Blüten verfault
10 und verkohlt die riesigen Bäume.
Der Teich ist ein Moor ohne Rosen,
Moder die Grotten.
Du musst aber weiter, du musst
durch die Gänge, die gleich deinem Horn
15 gewunden sind, doch nicht purpurn. // 08
Weh deinem Vlies:
da drinnen liegt nicht Minotauros.
Unter zerbrochnen
Glasdächern uralter Fabriken
20 bei rostroten Maschinen,
die keiner mehr zu bedienen versteht,
liegen die Mumien da,
Könige aus Leder
und Krokodile mit blätternden Schuppen,
25 (Blätter, duftende Blüten)
Augen, offen und schimmlig,
(im Teich die offenen Rosen). // 09
Hebe wieder dein Horn,
dann ist nur noch Staub, und du watest.
30 Staub ist nur noch statt Moder.
Statt Labyrinth,
statt Mumien ist nur noch Staub.
Und du watest bis zu den Knöcheln
tief im flimmernden Staub,
35 watest im Kreis und siehst
überall eine Jungfrau.
Ich habe den Berg, ich habe den weissen
Parthenon vergessen.
Und das Haus des Erechtheus mit den Karyatiden
hab ich vergessen.
05 Hör ich das Wort Erechtheion,
denk ich an den gestreiften Pullover
zwischen den Karyatiden:
Quasi morto.
Jetzt im Sand des saronischen Golfs ist unser Irren
10 zwischen Phaleron und Piräus nur noch ein Stummfilm,
unser erster Gang zum Lykabettos (oder wars zum Hymettos?)
ein Sandspiel der Kinder; // 02
Quasi morto
im Sand des saronischen Golfs
15 schmeckt mein Mund dein Ohr
salzig und schmeckt mein Mund
Salz und Öl deiner Schulter.
Quasi morto,
voll ist dein Ohr am saronischen Golf von den Bienen,
20 voll vom Gesumm des Hymettos.
Ich habe die Namen vergessen:
Athen, Lykabettos, Hymettos,
Phaleron und Piräus.
Salz und Öl deiner Schulter im Mund
25 und das Summen im Ohr, in deinem in meinem
der Bienen des fernen Hymettos:
O, quasi morto.
Ich habe den Berg mit dem weissen
Parthenon vergessen.
Und das Haus des Erechtheus mit den Karyatiden
hab ich vergessen.
05 Hör ich das Wort Erechtheion,
seh ich deinen gestreiften Pullover
zwischen den Karyatiden,
quasi morto.
Jetzt, im Sand des saronischen Golfs ist unser Irren
10 zwischen Phaleron und Piräus nur noch ein Stummfilm,
unser erster Gang zum Lykabettos (oder wars zum Hymettos?)
ein Sandspiel der Kinder. // 04
Quasi morto,
im Sand des saronischen Golfs
15 schmeckt mein Mund dein Ohr
salzig und schmeckt mein Mund
Salz und Öl deiner Schulter.
Quasi morto,
voll ist dein Ohr am saronischen Golf von den Bienen,
20 voll vom Gesumm des Hymettos.
Ich habe die Namen vergessen:
Athen, Lykabettos, Hymettos,
Phaleron und Piräus.
Salz und Öl deiner Schulter im Mund
25 und das Summen im Ohr, in deinem, in meinem,
der Bienen des fernen Hymettos:
O, quasi morto.
Warum flogen nicht Kaiser Rudolf und Tycho
Brahe vom Hradschin hinaus in den Weltraum?
Warum nahmen sie nicht aus ihrem
Wunderkabinett eine Kugel
05 – konstruiert von buddhistischen Mönchen in China? –
und flogen damit zum Mond?
Sie hätten sich nicht gefürchtet,
denn sie waren auf alles gefasst.
Besser gefasst als wir,
10 die sich schon fürchten im Flugzeug über den Athos zu fliegen.
Nicht wegen der Löcher,
in die es manchmal hinabsackt.
Da gibt es höchstens Angst vor dem Tod, // 02
Die Geistesangst ist es, einfach
15 hinweg über Alexander zu fliegen,
der für einen Augenblick Halt macht,
bevor er zum Euphrat und nach Indien aufbricht.
Wir rüsten die Boote zur Fahrt zum Uranos, zur Selene // 03
und fürchten uns schon, zu fliegen über den Athos:
20 Warum denn wir,
warum nicht Kaiser Rudolf und Tycho Brahe vom Hradschin?
Sie hätten sich nicht gefürchet. Sie waren auf alles gefasst.
Warum flogen nicht Kaiser Rudolf und Tycho
Brahe vom Hradschin hinaus in den Weltraum?
Warum nahmen sie nicht aus ihrem Wunderkabinett eine Kugel
– konstruiert von buddhistischen Mönchen in China –
05 und flogen damit zum Mond?
Sie hätten sich nicht gefürchtet,
denn sie waren auf alles gefasst.
Besser als wir, die sich schon fürchten,
im Flugzeug über den Athos zu fliegen.
10 Nicht wegen der Löcher, in die es manchmal hinabsackt.
Da haben wir höchstens Angst vor dem Tod.
Nein, wegen der Geistesangst,
einfach hinweg über Alexander zu fliegen,
der für einen Augenblick Halt macht,
15 bevor er zum Euphrat und nach Indien aufbricht. // 05
Wir rüsten die Boote zur Fahrt zum Uranos, zur Selene
und fürchten uns schon, zu fliegen über den Athos:
Warum denn wir,
warum nicht Kaiser Rudolf und Tycho Brahe in einer Kugel vom
Hradschin?
20 Sie hätten sich nicht gefürchtet, sie waren auf alles gefasst.
Warum flogen nicht Kaiser Rudolf und Tycho
Brahe vom Hradschin hinaus in den Weltraum?
Warum nahmen sie nicht aus ihrem Wunderkabinett eine Kugel
– konstruiert von buddhistischen Mönchen in China –
05 und flogen damit zum Mond?
Sie hätten sich nicht gefürchtet,
denn sie waren auf alles gefasst.
Besser als wir, die sich schon fürchten, über den Athos zu fliegen.
Nicht wegen der Löcher, in die das Flugzeug manchmal hinabsackt. // 07
10 Nein, hinabstürzen in ein Saugloch,
zerschellen am Gipfel, wär es nicht besser,
als einfach hinweg über Alexander zu fliegen,
der für einen Augenblick zögert und Halt macht,
bevor er zum Euphrat und nach Indien aufbricht?
15 Wir rüsten die Boote zur Fahrt hinaus in den Weltraum, zum Mond
und fürchten uns schon, zu fliegen über den Athos:
Warum denn wir,
warum flogen nicht Kaiser Rudolf und Tycho Brahe in einer Kugel
vom Hradschin?
Sie hätten sich nicht gefürchet,
20 sie waren auf alles gefasst.
Warum flogen nicht Kaiser Rudolf und Tycho
Brahe vom Hradschin hinaus in den Weltraum?
Warum nahmen sie nicht aus ihrem Wunderkabinett eine Kugel
– konstruiert von buddhistischen Mönchen in China –
05 und flogen damit zum Mond?
Statt unser, die sich über den Athos zu fliegen schon fürchten:
Nicht wegen der Löcher,
in die das Flugzeug manchmal hinabsackt.
Nein, zerschellen am Gipfel, wär es nicht besser,
10 als einfach hinweg über Alexander zu fliegen, // 09
der für einen Augenblick zögert und Halt macht,
bevor er zum Euphrat und nach Indien aufbricht?
Warum flogen nicht Kaiser Rudolf und Tycho
Brahe in einer Kugel vom Hradschin
15 hinaus in den Weltraum, zum Mond?
Statt unser, statt unser,
die sich über den Athos zu fliegen schon fürchten?
Sie hätten sich nicht gefürchtet,
sie waren auf alles gefasst.
Das Mädchen wird am Morgen seine Milch trinken und den Löwen
vergessen.
Aber ein neuer Löwe wird auch in der nächsten Nacht aus der Ecke
hinterm Schrank hervorkommen und das Zimmer mit Mähne und
Schnauze erfüllen.
Und es wird ihn, zitternd zwar, küssen.
05 Und zum Lohn verwandelt sich der Löwe zum Prinzen.
Und Prinzen vertragen Küsse eben so wenig wie Löwen:
Sie erstarren und liegen, Steinblöcke, in der Ecke des Zimmers.
Das Mädchen wird am Morgen weinen und seine Milch trinken und
den Löwen vergessen.
Aber in der nächsten Nacht wird es den neuen Löwen doch wieder
küssen. // 02
10 Bald liegen im Zimmer die Steine in allen Ecken,
Findlinge, zurückgelassen von den nächtlichen Gletschern.
Die Besucher tun, als ob sie nichts sähen.
Sie wissen ja nichts von der Sekunde des Prinzen.
Das Mädchen wird am Morgen seine Milch trinken und
den Löwen vergessen.
Das Mädchen weint am Morgen und trinkt seine Milch und vergisst
den nächtlichen Löwen.
Aber in der nächsten Nacht kommt aus der Ecke
hinter dem Schrank ein anderer Löwe hervor
und erfüllt das Zimmer mit der Schnauze und mit der Mähne.
05 Und das Mädchen küsst ihn, wenn es auch zittert.
Und zum Lohn verwandelt sich der Löwe zum Prinzen.
Aber Prinzen vertragen Küsse nicht besser als Löwen:
Er erstarrt und liegt, ein Steinblock, in der Ecke des Zimmers.
Das Mädchen weint am Morgen und trinkt seine Milch und vergisst
den nächtlichen Löwen.
10 Aber in der nächsten Nacht wird es den neuen Löwen doch wieder
küssen. // 04
Bald liegen die Findlinge in allen Ecken des Zimmers,
zurückgelassen von den nächtlichen Gletschern.
Die Besucher tun, als ob sie nichts sähen,
sie wissen ja nichts von der Sekunde des Prinzen.
15 Das Mädchen weint am Morgen und trinkt seine Milch und vergisst
den nächtlichen Löwen.
Das Mädchen weint am Morgen und trinkt seine Milch und vergisst
den nächtlichen Löwen.
Aber in der nächsten Nacht kommt aus der Ecke
hinter dem Schrank ein anderer Löwe hervor
und erfüllt das Zimmer mit der Schnauze und mit der Mähne.
05 Und das Mädchen küsst ihn, wenn es auch zittert.
Und zum Lohn verwandelt sich der Löwe zum Prinzen.
Aber Prinzen vertragen Küsse nicht besser als Löwen:
Er erstarrt und liegt, ein Steinblock, in der Ecke des Zimmers.
Das Mädchen weint am Morgen und trinkt seine Milch und vergisst
den nächtlichen Löwen. // 06
10 Aber in der nächsten Nacht wird es den neuen Löwen doch wieder
küssen.
Bald liegen die Findlinge in allen Ecken des Zimmers,
zurückgelassen von den nächtlichen Gletschern.
Die Besucher tun, als ob sie nichts sähen,
sie wissen ja nichts von der Sekunde des Prinzen.
15 Das Mädchen weint am Morgen und trinkt seine Milch und vergisst
den nächtlichen Löwen.
An warmen Abenden übt man bisweilen
für das grosse Festgepränge im Juni:
die beiden steinernen Löwen richten sich auf und machen
langsam drei Schritte.
05 Dann heben sie die Tatzen und reissen
sich die Brust auf und zeigen darin das bayrische Wappen.
Die Brunnen am Ende des Prospekts springen müssig;
denn die Feldherrnhalle ist noch ganz in Gerüsten
und leer: Vor wem
10 paradieren die Löwen, vor wem
springen die Brunnen?
Man hat den Prospekt genau erneuert,
die Kopien florentinischer Bauten pietätvoll wieder errichtet. // 02
Am Abend des Fests aber, ergeht eine glaubhafte Meldung,
15 wird man in der Feldherrnhalle eine automatische Venus enthüllen.
Dann wissen die Löwen,
für wen sie paradieren und bayrische Wappen enthüllen.
Dann wissen die Brunnen,
für wen, den Originalen in Rom fast zum Verwechseln ähnlich,
20 sie springen.
Die automatische Venus beherrscht den genau renovierten Prospekt
mit dem Wiegen der Hüften,
die nur fast unhörbar schnarren. // 03
Nachher kommt noch höchstens der Abend
25 – auch darauf soll man schon üben –
wo ein riesiger Pilz hinter dem Siegestor aufsteigt
und mit einem übertaghellen
Schein den Prospekt und die Brunnen und die Feldherrnhalle
beleuchtet.
Und mit den Kopien zugleich beleuchtet der gleiche
30 Pilz – das ist das grosse Wunder der Technik –
auch die Originale, die Paläste in Florenz, die Brunnen, die Tore
in Rom.
Alles erstrahlt an jenem Abend zugleich
und verglüht und wird Asche.
In diesem Feuerwerk wird dann endlich
35 – das ist das grosse Wunder der Technik – // 04
eins die ganze zerrissene Erde,
schmelzen dahin die verhassten Distanzen,
und wir brauchen nicht mehr Kopien.
Bis dahin herrscht aus der Halle
40 über die Löwen,
über die Brunnen,
über den genau renovierten Prospekt
die automatische Venus
und wiegt die Hüften,
45 die nur fast unhörbar schnarren.
An warmen Abenden übt man immer
für das grosse Festgepränge im Juni:
Die beiden steinernen Löwen richten sich auf und machen
langsam drei Schritte.
05 Dann heben sie die Tatze und reissen
sich die Brust auf und zeigen darin das bayrische Wappen.
Die Brunnen am Ende des Prospekts springen müssig;
denn die Feldherrnhalle ist noch ganz in Gerüsten
und leer: Vor wem
10 paradieren die Löwen, vor wem
springen die Brunnen?
Man hat den Prospekt genau renoviert,
die Kopien florentinischer Bauten pietätvoll wieder errichtet.
Am Abend des Fests aber, so ergeht eine glaubhafte Meldung, // 06
15 wird man in der Feldherrnhalle eine automatische Venus enthüllen.
Dann wissen die Löwen,
für wen sie paradieren und bayrische Wappen enthüllen.
Dann wissen die Brunnen,
für wen, den Originalen in Rom zum Verwechseln ähnlich,
20 sie springen.
Die automatische Venus beherrscht
den genau renovierten Prospekt
und wiegt die Hüften,
die nur fast unhörbar schnarren.
25 Nachher aber kommt noch der andere Abend,
– auch darauf soll man schon üben –
wo ein riesiger Pilz hinter dem Siegestor aufsteigt
und mit einem übertaghellen // 07
Schein den Prospekt und die Brunnen und die
Feldherrnhalle beleuchtet.
30 Und mit den Kopien zugleich beleuchtet der gleiche
Pilz – das ist das grosse Wunder der Technik –
auch die Originale,
die Paläste in Florenz, die Brunnen, die Tore in Rom.
Alles erstrahlt an jenem Abend zugleich
35und verglüht in einer Sekunde zu Asche.
In diesem Feuerwerk schmelzen dann endlich
– das ist das grosse Wunder der Technik –
dahin die verhassten Distanzen,
und wir brauchen nicht mehr Kopien. // 08
40 Bis dahin herrscht aus der Halle
über die Löwen,
über die Brunnen,
über den genau renovierten Prospekt
die automatische Venus
45 und wiegt die Hüften,
die nur fast unhörbar schnarren.
An warmen Abenden übt man immer
für das grosse Festgepränge im Juni:
Die beiden Löwen richten sich auf und machen
langsam drei Schritte.
05 Dann heben sie die Tatzen und reissen
sich die Brust auf und zeigen darin das bayrische Wappen.
Die Brunnen am Ende des Prospekts springen müssig;
denn die Feldherrnhalle ist noch ganz in Gerüsten
und leer: Vor wem
10 paradieren die Löwen, vor wem
springen die Brunnen? // 10
Man hat den Prospekt genau renoviert,
die Kopien florentinischer Bauten pietätvoll wieder errichtet.
Am Abend des Fests aber,
15 so ergeht eine glaubhafte Meldung,
wird man in der Feldherrnhalle eine automatische Venus enthüllen.
Dann wissen die Löwen,
für wen sie paradieren und bayrische Wappen enthüllen
Dann wissen die Brunnen,
20 für wen, den Originalen in Rom zum Verwechseln ähnlich,
sie springen. // 11
Die automatische Venus beherrscht
den genau renovierten Prospekt
und wiegt die Hüften,
25 die nur fast unhörbar schnarren.
Nachher aber kommt der andere Abend
– auch darauf soll man schon üben –
wo ein riesiger Pilz hinter dem Siegestor aufsteigt
und mit einem übertaghellen
30 Schein den Prospekt und die Brunnen und die Feldherrnhalle
beleuchtet.
Und zugleich mit den Kopien beleuchtet der gleiche
Pilz – das ist das grosse Wunder der Technik –
auch die Originale,
die Paläste in Florenz, die Brunnen, die Tore in Rom. // 12
35 Alles erstrahlt an jenem Abend zugleich
und verglüht in einer Sekunde zu Asche.
In diesem Feuerwerk schmelzen dann endlich
– das ist das grosse Wunder der Technik –
dahin die verhassten Distanzen,
40 und wir brauchen nicht mehr Kopien.
Bis dahin herrscht aus der Halle
über die Löwen,
über die Brunnen,
über den genau renovierten Prospekt
45 die automatische Venus
und wiegt die Hüften,
die nur fast unhörbar schnarren.
Du machst täglich deine „einsame Übung“
und weisst nicht,
ob es mehr ist als eine Clementi[s]-Etüde,
wertlos an sich,
05 woran du dich ganz (und mit übertriebenem Ernst) gibst.
Wirst du das Konzert selbst jemals spielen?
Wird nicht bloss die Art,
mit der du die Finger spreizest
und weit auseinanderliegende Tasten gleichzeitig anschlägst,
10 Vorbild sein für den Lehrer dessen,
der das Konzert einmal aufführt und kann?
Das ist vielleicht, höchstens, dein Auftrag.
Doch sicher weisst du,
dass die Schneegebirge über den Palmen, // 02
15 die grünen Brunnen, Granada und die Boboligärten
nicht mehr sind für dein Gedicht als deine Schmerzen am After,
dein stockender Stuhlgang, das Brennen.
Wer eine Fornarina geküsst und begattet,
schickt sie am Morgen fort.
20 Denn die „einsame Übung“ erträgt keine Gesellschaft.
Er wird sie malen, vielleicht als Madonna.
Aber es ist ihm lieber,
wenn sie ihn in der nächsten Nacht bei einem andern vergisst.
Die „einsame Übung“ verbietet die Liebe als Zustand.
25 Fiametta wird darum in der Kirche begraben,
und darum gehen die Huren
in der Prozession feierlich unter dem Himmel: // 03
Sie wiederholen unendlich das „retardierende Sterben,
um zwei Tote zu erzeugen“: Nur die Toten,
30 die Ausgeglühten, deren Herz
die Spritze Wollust stets neu wieder anästhesiert hat,
sind fähig zur „einsamen Übung“.
Wozu, wer weiss wozu?
Du weisst nur: die Brunnen, die Palmen, die Gipfel Granadas,
35 die Boboligärten treiben dich nicht mehr als die Schmerzen im After,
dein stockender Stuhlgang täglich zur „einsamen Übung“.
Du machst täglich deine „einsame Übung“,
und weisst nicht,
ob es mehr ist als eine Etüde,
wertlos an sich,
05 worein du dich ganz gibst.
Wirst du das Konzert selbst jemals spielen?
Wird nicht bloss die Art,
mit der du die Finger spreizest
und weit auseinanderliegende Tasten gleichzeitig anschlägst,
10 Vorbild sein für den Lehrer dessen,
der das Konzert einmal aufführt und kann?
Doch sicher weisst du,
dass die Schneegebirge über den Palmen,
die grünen Brunnen Granadas und die Boboligärten // 02
15 nicht mehr sind für dein Gedicht als deine Schmerzen am After,
dein stockender Stuhlgang, das Brennen.
Wer eine Fornarina geküsst und begattet,
schickt sie am Morgen fort.
Denn die „einsame Übung“ erträgt keine Gesellschaft.
20 Er wird sie malen, vielleicht als Madonna.
Aber es ist ihm lieber,
wenn sie ihn in der nächsten Nacht bei einem andern vergisst.
Die „einsame Übung“ verbietet die Liebe als Zustand. // 03
Weil sie das „retardierende Sterben, um zwei Tote zu erzeugen“
25 unendlich wiederholt hat,
wird die Fiammetta in der Kirche begraben.
Weil nur die Toten,
die Ausgeglühten, deren Herz
die Spritze Wollust stets neu wieder anästhesiert hat,
30 fähig sind zur „einsamen Übung“,
gehen die Huren
in der Prozession feierlich unter dem Himmel. // 04
Darum vielleicht. Doch du weisst nur:
die grünen Brunnen, die Palmen, die Gipfel Granadas,
35 die Boboligärten erregen dich nicht mehr als die Schmerzen im After,
dein stockender Stuhlgang täglich zur „einsamen Übung“.
Du machst täglich deine „einsame Übung“,
und weisst nicht,
ob es mehr ist als eine Etüde,
wertlos an sich,
05 worein du dich ganz gibst.
Wirst du das Konzert selbst jemals spielen?
Wird nicht bloss die Art,
mit der du die Finger spreizest
und weit auseinander liegende Tasten gleichzeitig anschlägst,
10 Vorbild sein für den Lehrer dessen,
der das Konzert einmal aufführt und kann?
Doch sicher weisst du,
dass die Schneegebirge über den Palmen,
die grünen Brunnen Granadas und die Boboligärten
15 nicht mehr sind in deinem Gedicht als deine Schmerzen am
After, // 06
dein stockender Stuhlgang, das Brennen.
Wer eine Fornarina geküsst und begattet,
schickt sie am Morgen fort.
Denn die „einsame Übung“ verträgt keine Gesellschaft.
20 Er wird sie malen, vielleicht als Madonna.
Aber es ist ihm lieber,
wenn sie ihn in der nächsten Nacht bei einem andern vergisst.
Die „einsame Übung“ verbietet die Liebe als Zustand.
Weil sie das „retardierende Sterben, um zwei Tote zu erzeugen“
25 unendlich oft wiederholt hat,
wird die Fiammetta in der Kirche begraben.
Weil nur die Ausgeglühten,
deren Herz die Spritze Wollust stets neu wieder anästhesiert
hat,
fähig sind zur „einsamen Übung“
30 gehen die Huren
in der Prozession feierlich hinter dem Himmel. // 07
Darum vielleicht. Doch du weisst nur:
die grünen Brunnen, die Palmen, die Schneegebirge Granadas,
die Boboligärten erregen dich nicht mehr als die Schmerzen im After,
35 als dein stockender Stuhlgang täglich zur „einsamen Übung“.
Die Nase lernt den Kot der Ratten und den Kot der Vögel am Ende
ertragen.
Der Fuss gewöhnt sich an die kleinen Aase und schiebt sie zur Seite.
Das Ohr gewöhnt sich an das Splittern der kleinen Knochen.
Aber das Auge gewöhnt sich niemals an die kranke Finsternis.
05 Immer wieder leckt die Zunge aus der versteckten Luke ein Stück
Dunkel weg.
Auf der Suche stösst die Hand zuletzt auf eine Fledermaus.
Hier ist die Luke, dort das Meer, der Strand.
Hier tönen ganz weit her, wie Zirpen von Insekten, die Rufe der
Kentauren.
Sie laufen in Rudeln, winzig, und zielen mit den Pfeilen auf das
Schlachtschiff,
10 das, ein altes Spielzeug, langsam vorbeifährt zur Verschrottung. // 01v
Die Kellertüre wurde damals von einer Bombe zugeschüttet.
Den Kot der Ratten lernt die Nase am Ende ertragen.
Der Fuss gewöhnt sich an die kleinen Aase und schiebt sie zur Seite.
Das Ohr gewöhnt sich an das Splittern der Knochen.
Aber das Auge gewöhnt sich an die kranke Finsternis niemals.
05 Immer wieder leckt eine Zunge aus der verborgenen Lücke
ein Stück davon weg.
Die Hand tastet und reisst eine Fledermaus ab –
und findet die Lücke: dort ist der Strand und das Meer.
Insektengezirp tönt der Ruf der Kentauren herüber.
10 Sie laufen winzig in Rudeln und zielen mit Pfeilen aufs Schlachtschiff,
das, ein altes Spielzeug, zur Verschrottung vorbeifährt und zögert.
Die Nase lernt den Kot der Ratten am Ende ertragen.
Der Fuss gewöhnt sich an die kleinen Aase, zertritt sie.
Das Ohr gewöhnt sich an das Knirschen der Knochen.
Aber das Auge gewöhnt sich an die Finsternis niemals.
05 Die Hand tastet und reisst eine Fledermaus ab und findet die Lücke:
Dort ist der Strand und das Meer.
Die Kentauren zirpen von weitem herüber. Sie laufen
winzig in Rudeln und zielen mit Pfeilen aufs Schlachtschiff.
Es fährt zur Verschrottung vorbei und will nicht verstehen und zögert.
Oben im Saal presst Dionys sein Ohr an den Mund der ehrnen Sibylle.
Warum sprechen die Gefangenen unten im Kerker nicht
und machen nur immerfort klick, klick,
werfen nur kleine Kiesel ans Ei, das im Gewölb hängt?
05 Das Ei ist zwar voll von Gift, und wenn es zerschellt,
röcheln drunten sofort alle Gefangnen [und] verkrümmt an den Wänden. // 02
Aber dies Klick, klick ist da nicht eine geheime Sprache,
und Dionys hört, wie sie gegen ihn sich verschwören,
doch er versteht nicht? Es ist vielleicht besser,
10 er lässt das Ei wegnehmen:
Was nützt ihm der Tod der Gefangnen,
wenn er nicht weiss, was sie zuvor mit dem Klick, klick beredet?
Dionys presst vergeblich sein Ohr an den ehernen Mund der Sibylle.
Oben im Saal presst Dionys sein Ohr an den Mund der ehrnen Sibylle:
Die Gefangenen unten im Kerker werfen kleine Kiesel ans Ei,
das im Gewölb hängt. Das macht Klick, klick!
Aber sie sprechen kein einziges Wort.
05 Das Ei ist voll Gift, und wenn es zerbricht,
röcheln unten im Kerker sofort die Gefangenen verkrümmt an den
Wänden.
Aber das Klick, klick ist vielleicht ihre geheime Sprache,
und Dionys hört zwar, wie sie sich gegen ihn verschwören,
doch er versteht nicht: Es ist wohl besser,
10 er lässt das Ei wegnehmen. Nichts nützt ihm der Tod der Gefangnen, // 03v
wenn er nicht weiss, was sie gegen ihn mit dem Klick, klick beredet. –
Dionys presst vergeblich sein Ohr an den ehernen Mund der Sibylle.
Oben im Saal presst Dionys sein Ohr an den Mund der ehrnen Sibylle.
Unten im Kerker hängt ein Ei im Gewölb.
Und die Gefangnen werfen es – Klick, klick – mit Kieseln.
Das Ei ist voll Gift, und wenn es zerbricht,
05 röcheln die Gefangnen sofort verkrümmt an den Wänden.
Er nimmt wohl besser das Ei weg.
Nichts nützt ihm der Tod der Gefangnen, wenn er nicht weiss, // 05
was sie gegen ihn mit dem Klick–Klick beredet. –
Dionys presst vergeblich sein Ohr an den ehernen Mund der Sibylle.
Oben im Saal presst Dionys sein Ohr an den Mund der ehrnen Sibylle.
Die Gefangenen unten im Kerker werfen – klick, klick – mit Kieseln.
Das Ei, das von der Decke hängt, ist voll Gift;
und wenn es zerbricht,
05 röcheln die Gefangnen verkrümmt an den Wänden.
Er nimmt wohl besser das Ei weg:
Nichts nützt ihm der Tod der Gefangnen,
wenn er nicht weiss,
was sie gegen ihn mit dem Klick–klick beredet.
10 Dionys presst vergeblich sein Ohr an den ehernen Mund der Sibylle.
Der Wind vom Gebirge ist kalt.
Sie weichen vom Sandstrand aus
und küssen sich abseits, in der Grotte.
Der Wind vom Gebirge ist kalt,
05 aber nur er weckt die in der Stille
toten Rosen: sie blühen nur in der Drehung.
Sausende Rosen des Winds, aus dem Grund
das Wasser aufsaugende Rosen. Sie riechen
den Duft nicht, bevor die Pampelmuse, rot geworden vom Tisch fällt.
10 Jetzt frieren sie vor den Grotten; die Rosen
erloschen auch für sie, die allein
waren das Beet zu sehen begabt // 02
rot sausen bis zum Gebirge.
Der Wind vom Gebirge war kalt.
15 Sie wichen vom Sandstrand aus
und küssten sich in der Grotte. – Sie kommen
schon aus der Grotte. Die kalte
Stunde des Winds vom Gebirge allein ist die Stunde der Rosen.
Der Wind vom Gebirge ist kalt,
sie weichen vom Sandstrand aus
und küssen sich abseits in der Grotte.
Der Wind vom Gebirge ist kalt,
05 aber nur er weckt die toten
Rosen: sie blühen nur in der Drehung,
sausende Rosen des Winds, aus dem Grund
Wasser aufsaugende Rosen.
Sie riechen den Duft nicht, bevor
10 die Pampelmuse, rot geworden, vom Tisch fällt.
Jetzt frieren sie vor der Grotte; die Rosen
erloschen auch für sie, die allein
sahen sausen rot // 04
bis zum Gebirge das Beet.
15 Der Wind vom Gebirge war kalt.
Sie wichen vom Sandstrand aus
und küssten sich in der Grotte. –
Sie kommen schon aus der Grotte.
Die kalte Stunde des Winds
20 vom Gebirge allein ist die Stunde der Rosen.
Der Wind vom Gebirge ist kalt,
sie weichen vom Sandstrand aus
und küssen sich in der Grotte.
Der Wind vom Gebirge ist kalt,
05 aber nur er weckt die toten
Rosen: sie blühen nur in der Drehung,
sausende Rosen des Winds, aus dem Grund
Wasser aufsaugende Rosen.
Sie riechen den Duft nicht, bevor
10 die Pampelmuse, rot geworden, vom Tisch fällt.
Jetzt frieren sie vor der Grotte, die Rosen
erloschen auch für sie, die allein
sahen rot sausen das Beet bis zum Gebirge. // 06
Der Wind vom Gebirge war kalt.
15 Sie wichen vom Sandstrand aus
und küssten sich in der Grotte. –
Sie kommen schon aus der Grotte.
Die kalte Stunde des Winds
vom Gebirge allein ist die Stunde der Rosen.
Landeinwärts floh mit dem Wind von dem bebenden Meer die Woge
der Nymphen.
Das Rotlicht hielt auf an der Strasse und staute die Woge der Nymphen,
denn vom Strand rasten zurück zur Stadt
nach einem langen Wasserwochenende die Wagen.
05 Und es gab kein Schild „Nymphenwechsel“.
Die Woge der Nymphen staute sich, stockte. Die Frage:
Warum nicht weiter? drehte sich, Windmühlen, im Wind immer
weiter. // 07v
Vom Berghang jenseits liefen mit dem Sturm herab die Giganten,
die Bräute zu holen.
10 Das Rotlicht hielt sie auf an der Strasse und staute das Geröll der
Giganten;
denn vom Strand rasten zurück zur Stadt nach einem langen
Wasserwochenende die Wagen.
Und es gab kein Schild „Gigantenwechsel“.
Der Sturz der Giganten staute sich, stockte. Der Zorn
„Warum nicht weiter?“ blieb, Felsblöcke, liegen.
15 Die Wagen rasen noch heute vom Strand
zur Stadt nach langen Wasserwochenenden zurück.
Furchtlos. Sie meinen, die Windmühlen und die Felsen
bleiben, bloss weil Rotlicht ist, gegenüber einander
stehn an der Strasse, für immer, für immer.
Die Woge der Nymphen floh mit dem Wind vorm Meerbeben
landeinwärts.
Das Rotlicht hielt an der Strasse auf und staute die Woge der Nymphen.
Denn die Wagen rasten zurück nach dem langen Wasserwochenende
zur Stadt.
Und es gab kein Schild „Nymphenwechsel“.
05 Die Woge der Nymphen stand. Aber die Frage
„Warum nicht weiter?“ drehte sich, Windmühlen, im Wind immer
weiter. // 09
Der Sturz der Giganten brach mit dem Sturm vom Berghang jenseits,
die Bräute zu holen.
Das Rotlicht hielt sie auf an der Strasse und staute den Sturz der
Giganten.
Denn die Wagen rasten zurück nach dem langen Wasserwochenende
zur Stadt.
10 Und es gab kein Schild „Gigantenwechsel“.
Der Sturz der Giganten stand. Aber der Zorn
„Warum nicht weiter?“ blieb, Felsblöcke, liegen.
Die Wagen rasen noch heute zurück nach langen Wasserwochenenden
zur Stadt.
Sie meinen, die Windmühlen, die Felsen
15 bleiben, bloss weil Rotlicht ist, gegenüber einander
stehn an der Strasse, für immer, für immer.
Die Woge der Nymphen floh mit dem Wind vorm Meerbeben
landeinwärts.
Das Rotlicht hielt auf an der Strasse und staute die Woge der Nymphen.
Denn die Wagen rasten nach dem Wasserwochenende zurück in die
Stadt,
und es gab kein Schild „Nymphenwechsel“.
05 Die Woge der Nymphen stand. Aber ihr Fragen
„Warum nicht weiter?“ dreht sich, Windmühlen, im Wind immer weiter.
Der Sturz der Giganten brach mit dem Sturm jenseits vom Berghang,
die Bräute zu holen.
Das Rotlicht hielt sie auf an der Strasse und staute den Sturz der
Giganten.
Denn die Wagen rasten nach dem langen Wasserwochenende zurück
in die Stadt;
10 und es gab kein Schild „Gigantenwechsel“. // 11
Der Sturz der Giganten stand. Aber ihr Zürnen
„Warum nicht weiter?“ blieb, Felsblöcke, liegen.
Die Wagen rasen noch heute nach den Wasserwochenenden zurück
in die Stadt.
Sie meinen, die Windmühlen, die Felsen
15 bleiben, bloss weil Rotlicht ist, gegenüber einander
stehn an der Strasse, für immer, für immer.
Zwischen den Säulen tritt er manchmal hervor, dann aber gleich wieder
zurück.
Als einziger von den vielen Touristen bemerke ich ihn
und achte nicht mehr auf die Erklärung des Führers.
Das leise Streifen seines Flügels an eine Säule hat mich erschreckt.
05 Aber ich will den andern Touristen nicht auffallen
und den Führer nicht zum tadelnden Innehalten bringen.
So ist schon nichts mehr da, als ich mich endlich verstohlen umsehe.
Die monotone Beschreibung ersetzt nun auch mir, auch mir
den Einflug und den Aufenthalt, das Lächeln, den Wink eines
leibhaftigen Engels.
Zwischen den Säulen knistert es einmal und zweimal.
Als einziger höre ich es
und achte nicht mehr auf die Erklärung des Führers.
Das Streifen eines Flügels an eine Säule hat mich erschreckt.
05 Aber ich will nicht, dass der Führer auf einmal abbricht
und mit der ganzen Gesellschaft schweigt und mich ansieht.
So ist schon nichts mehr da, als ich mich endlich verstohlen umblicke.
Die monotone Erklärung ersetzt schon wieder auch mir, auch mir // 02v
den Einflug, den Aufenthalt, das Flügelknistern eines leibhaftigen
Engels.
Ein Knistern zwischen den Säulen erschreckt mich
und ich achte nicht mehr auf die Erklärung des Führers.
Aber ich will nicht, dass er auf einmal abbricht
und schweigt und mit der ganzen Gesellschaft mich ansieht.
05 So ist schon nichts mehr da zwischen den Säulen,
als ich mich endlich verstohlen umblicke.
Die monotone Erklärung ersetzt schon wieder auch mir, auch mir
den Einflug, den Aufenthalt, das Flügelknistern eines leibhaftigen
Engels.
Nicht diese blauen Winde des Mittags
sind es, die du fliehst, nicht dieser gelb
entschlusslose Ginster:
Unter dem Tor reicht dir ein Fremder
05 zwar einen Zweig.
Aber er ist nicht eindringlich genug,
nicht so eindringlich gereicht,
dass er dich erschreckte.
Dennoch fliehst du, du fliehst in das Tor,
10 wo die Büste aus ihrer Nische mit dem Steinblick dich ansieht
wie eine Katze: Die Katze aber am Sockel miaut. // 01v
Du siehst sie nicht, und du trittst sie.
Hier im Schatten des Tors ist es finster.
Wie brächte ein Ginster, gereicht
15 nicht eindringlich genug von einem Fremden, hier Licht?
Nicht diese Katze Mittag ist es,
die du fliehst, nicht dieser entschlusslose Ginster:
Unter dem Tor reicht dir ein Fremder zwar einen Zweig.
Aber er ist nicht eindringlich genug,
05 nicht so eindringlich gereicht,
dass er dich erschreckte.
Dennoch fliehst du, du fliehst in das Tor.
Und die Büste aus ihrer Nische mustert dich mit dem Steinblick
wie eine Katze: Die Katze aber am Sockel miaut.
10 Du siehst sie nicht, und du trittst sie;
hier im Schatten des Tors ist es finster.
Da bringt kein Ginster, gereicht,
nicht eindringlich genug gereicht von einem Fremden,
da bringt kein entschlussloser Ginster hier Licht.
Nicht diese Katze Mittag ist es, die du fliehst,
nicht dieser entschlusslose Ginster:
unter dem Tor reicht dir der Fremde
zwar einen Zweig. Aber er ist nicht eindringlich
05 genug, nicht so eindringlich gereicht,
dass er dich erschreckte.
Dennoch fliehst du, fliehst in das Tor.
Und die Büste mustert dich aus ihrer Nische
mit dem Steinblick der Katze.
10 Die Katze aber am Sockel miaut.
Du siehst sie nicht, und du trittst sie.
Unter dem Tor ist es finster. Da bringt kein Ginster,
von dem Fremden nicht eindringlich genug dir gereicht,
da bringt kein entschlussloser Ginster dir Licht.
Nicht diese Katze Mittag ists, die du fliehst,
nicht dieser entschlusslose Ginster.
Unter dem Tor reicht dir der Fremde
zwar einen Zweig. Aber er ist nicht eindringlich
05 genug, nicht so eindringlich gereicht,
dass er dich erschreckte.
Dennoch fliehst du, fliehst in das Tor.
Und die Büste mustert dich aus der Nische
mit dem Steinblick der Katze.
10 Die Katze aber am Sockel miaut.
Du siehst sie nicht, und du trittst sie.
Unter dem Tor ist es finster. Da bringt kein Ginster,
den ein Fremder nicht eindringlich genug dir gereicht,
da bringt kein entschlussloser Ginster dir Licht.
Nicht die Katze Mittag ists, die du fliehst,
nicht der unentschlossene Ginster.
Unter dem Tor reicht dir der Fremde
zwar einen Zweig. Aber er ist nicht gelb
05 genug, nicht so gelb gereicht,
dass er dich erschreckte.
Dennoch fliehst du, fliehst in das Tor.
Und die Büste mustert dich aus der Nische
mit dem Steinblick der Katze.
10 Die Katze aber am Sockel miaut.
Du siehst sie nicht und du trittst sie.
Unter dem Tor ist es finster. Da bringt kein Ginster,
den ein Fremder nicht gelb genug dir gereicht,
da bringt dir Licht kein unentschlossener Ginster.
Der Tagbaum verbrennt in den Blüten
und leckt anstelle von Waldharz den Torgang:
Vergiss nicht, Daphne, dort liegt
die Lache Urin, Lethe des Knaben.
05 Er gewann mit dem Motorrad die Hoffnung auf Daphne.
Daphne entrann dem Apollon.
Der Nachtbaum beschattet im Torgang
den Sarkophag auch am Mittag.
Wasser quillt, Illusion des lebendigen Brunnens.
10 Nachtbaum und Ruhmbaum,
doch Todesbaum bleibt er am Brunnen.
Aus dem Sarkophag quillt Wasser von Lethe;
und Daphne, gerettet im Schatten,
hat Apollon vergessen.
15 Die Lache Urin hat der Knabe gelassen
und floh mit dem Motorrad. // 06v
Der Tagbaum verbrennt in den Blüten,
leckt Lethe begierig.
Im Torgang gibt es kein Harz.
20 Hier ist es dunkel am Mittag,
der Brunnen bleibt immer ein Sarg.
Hüte dich, Daphne, vergiss nicht, Daphne,
sein Wasser ist Lethe.
Der Baum verbrennt in den Blüten.
Vergiss nicht, Daphne,
im Torgang liegt die Lache Urin.
Auf dem Motorrad
05 gewann der Knabe sich Daphne.
Daphne entrann dem Apollo.
Der Baum beschattet im Torgang
den Sarkophag auch am Mittag.
Aus dem Sarkophag quillt Wasser von Lethe,
10 der Todbaum beschattet den Brunnen.
Daphne, gerettet im Schatten,
hat Apollo vergessen. // 08
Die Lache Urin liegt im Torgang,
der Knabe floh auf dem Motorrad.
15 Der Baum verbrennt in den Blüten.
Der Baum beschattet im Torgang
den Sarkophag auch am Mittag:
der Brunnen bleibt immer ein Sarg.
Hüte dich, Daphne, vergiss nicht, Daphne,
20 sein Wasser, sein Wasser ist Lethe.
Vergiss nicht, Daphne, im Torgang
liegt die Lache Urin.
Auf dem Motorrad
floh der Knabe vor Daphne.
05 Daphne entrann dem Apollon.
Der Busch verbrennt in den Blüten.
Der Busch beschattet im Torgang
den Sarkophag auch am Mittag.
Aus dem Sarkophag quillt Wasser von Lethe.
10 Daphne, gerettet im Schatten,
hat Apollon vergessen.
Die Lache Urin liegt im Torgang.
Der Knabe floh auf dem Motorrad.
Der Busch verbrennt in den Blüten. // 10
15 Der Busch beschattet im Torgang
den Sarkophag auch am Mittag.
Hüte dich, Daphne, vergiss nicht,
Daphne, sein Wasser ist Lethe.
Der Blitz blieb in den Wolken hängen,
sie flackern über den Arkadenhof.
Die Lampengloriole der Madonna in der Ecke
auch sie gibt sich nicht Mühe, zu erhellen.
05 Die zwei Soutanen verbieten es:
sie flattern durch ein Haustor und verdunkeln
mit grossem Flattern den Arkadenhof.
Die Wolken rollen leer,
der Blitz fiel in die zwei Soutanen
10 Von seinem Flackern flatternd,
befehlen sie dem Hof: Bleib finster!
befehlen sie der Gloriole: Bleib geduckt! // 01v
Geruch von Kot und nassen Windeln käme vielleicht zuhilfe.
Doch schämt er sich und wagt nicht recht zu steigen.
15 Die Wolken rollen leer, und die Soutanen flackern,
gefangen ist der Blitz, und die Soutanen flattern,
gejagt vom Blitz, durch den Arkadenhof.
Der Mond blieb in den Wolken hängen,
sie flackern über den Arkadenhof.
Die Gloriole der Madonna in der Ecke
verzichtet darauf zu erhellen den Arkadenhof.
05 Die zwei Soutanen verbieten es,
sie flattern aus dem Haustor und verdunkeln
mit grossem Flattern den Arkadenhof <.>
Die Wolken rollen leer,
der Mond fiel in die zwei Soutanen.
10 Sie flattern von seinem Flackern und befehlen der Gloriole:
Bleib geduckt!, // 01v
befehlen: Bleib finster! dem Arkadenhof.
(Geruch von Kot und nassen Windeln käme vielleicht zu Hilfe.
Doch schämt er sich und wagt nicht recht zu steigen.)
Die Wolken rollen leer, und die Soutanen flattern,
15 gefangen ist der Mond, und die Soutanen flackern,
gejagt vom Mond, durch den Arkadenhof.
Der Mond blieb in den Wolken hängen,
sie flackern über den Arkadenhof.
Die Gloriole der Madonna in der Ecke
verzichtet zu erhellen den Arkadenhof.
05 Die zwei Soutanen verbietens,
sie flattern aus dem Haustor und verdunkeln
mit grossem Flackern den Arkadenhof.
Die Wolken fahren leer,
der Mond fiel in die zwei Soutanen.
10 Sie flattern von seinem Flackern und befehlen
der Gloriole: Bleib geduckt!, befehlen
„Bleib finster!“ dem Arkadenhof. // 03
Geruch von Kot und nassen Windeln käme
vielleicht zu Hilfe.
15 Doch schämt er sich und wagt es nicht zu steigen …
Die Wolken fahren leer,
und die Soutanen flattern,
gefangen ist der Mond und treibt mit Flackern
die Soutanen über den Arkadenhof.
Der Mond blieb in den Wolken hängen,
sie flackern über den Arkadenhof.
Die Gloriole der Madonna in der Ecke
verzichtet zu erhellen den Arkadenhof.
05 Die zwei Soutanen verbietens,
sie fahren aus dem Tor, verdunkeln
mit grossem Flattern den Arkadenhof.
Der Mond fiel in die zwei Soutanen.
Sie flattern von seinem Flackern und befehlen
10 der Gloriole: ‚Bleib geduckt!‘,
‚Bleib finster!‘ dem Arkadenhof.
Die Wolken fahren leer,
und die Soutanen flattern,
gefangen ist der Mond und treibt mit Flackern
15 die zwei Soutanen über den Arkadenhof.
Die Wachsrosen sind parfümiert und duften stärker als die echten Rosen.
Zu Pfingsten überschäumten die Altäre von den echten Rosen.
Jetzt im August steht mitten in der Kirche der Katafalk.
Er ist ganz überhäuft von den Wachsrosen;
05 sie sind parfümiert und duften vielmals stärker als die echten Rosen.
Der Leichnam der Jungfrau auf dem Katafalk
liegt unter einem weissen Schleier.
Er duldet nicht Duft und Verblühen echter Rosen: // 01v
Der Leichnam der Jungfrau duldet aber,
10 dass der Gassenjunge ihm den Finger in die Wange stösst.
Die Vertiefung bleibt,
und darum ist die Kathedrale heut so leer.
Nicht sich zu drehen und die Luft zu rühren, wagt die Fensterrose,
sonst könnte sie gerinnen.
15 Der Gassenjunge taumelt aus dem Duft der Wachsrosen;
sie sind parfümiert und duften vielmals stärker als die echten Rosen.
– Er kommt gerade noch zur Landungsbrücke.
Eben legt ein Schiff mit Fremden an, er ruft:
Geht nicht in die Kathedrale, bitte, geht nicht!
Die Wachsrosen sind parfümiert und duften stärker als die echten Rosen.
Zu Pfingsten überschäumten die Altäre von den echten Rosen.
Im August steht der Katafalk mitten in der Kathedrale.
Er ist von den Wachsrosen überhäuft, begraben,
05 sie sind parfümiert und duften vielmals stärker als die echten Rosen.
Der Leichnam der Jungfrau auf dem Katafalk
duldet nicht Duft und Verblühen echter Rosen.
Der Leichnam der Jungfrau duldet aber, dass der Gassenjunge
ihm den Finger in die Wange stösst.
10 Die Vertiefung bleibt:
Nicht sich zu drehen und die Luft zu rühren wagt die Fensterrose. // 03
Der Gassenjunge entkommt noch eben auf die Landungsbrücke
und ruft den Fremden zu: Geht ja nicht in die Kathedrale,
die Wachsrosen sind parfümiert und duften vielmals,
15 vielmals stärker als die echten Rosen!
Wachsrosen sind parfümiert und duften stärker als jemals echte Rosen.
Zu Pfingsten überschäumen von echten Rosen die Altäre.
Im August steht inmitten der Kathedrale der Katafalk.
Er ist von Wachsrosen überhäuft, begraben,
05 Sie sind parfümiert und duften stärker als jemals echte Rosen.
Der Leichnam der Jungfrau auf dem Katafalk
erträgt nicht Duft und Verblühen echter Rosen.
Der Leichnam der Jungfrau erträgt nur, dass der Gassenjunge
ihm den Finger in die Wange stösst.
10 Die Vertiefung bleibt:
Nicht sich zu drehen und die Luft
umzurühren wagt die Fensterrose. // 04v
Der Gassenjunge entkommt noch eben auf die Landungsbrücke,
ruft auf das Schiff: Geht ja nicht in die Kathedrale!
15 Die Wachsrosen dort sind parfümiert und duften,
duften vielmals stärker als je echte Rosen.
Eine Muschel ist die Galleria Umberto,
wer hat sie aus der Bucht an einem Faden
hieher gezogen, hieher,
den Wagen und Menschen quer in den Weg?
05 Die Muschel Galleria Umberto ist ihre eigene Bucht
und rauscht von ihrem eigenen Meer:
„Ich komme eben aus dem Gefängnis,
ein halbes Jahr. Ich hatte drei Millionen gestohlen.
Wenn man zehn Geschwister hat, kommt man auf den Geschmack. –
10 Herr Ober, einen Kaffee mit Anis!“ // 01v
Eine Muschel ist die Galleria Umberto.
Wer hat sie aus der verborgenen Bucht,
wer hat sie hieher an einem roten Faden gezogen?
Aber ein schwarzer Kamm läuft quer über die Muschel:
15 ganz schwarz glänzt er im Regen,
den Wagen, den Menschen quer übern Weg.
Am schwarzen Kamm ist der rote Faden verknotet:
eine Muschel ist die Galleria Umberto.
Eine Muschel ist die Galleria Umberto,
wer hat sie an einem Faden
aus der Bucht hieher gezogen, hieher,
den Wagen und Menschen quer in den Weg?
05 Die Muschel Galleria Umberto ist ihre eigene Bucht
und rauscht von ihrem eigenen Meer:
„Ich komme eben aus dem Gefängnis,
ein halbes Jahr. Ich hatte drei Millionen erpresst.
Wenn man zehn Geschwister hat, kommt man auf den Geschmack. –
10 Ober, einen Kaffee mit Anis!“
Eine Muschel ist die Galleria Umberto.
Wer hat sie aus der verborgenen Bucht,
wer hat sie hieher an einem roten Faden gezogen? // 03
Aber ein schwarzer Kamm läuft quer über die Muschel,
15 schwarz glänzt er im Regen,
den Wagen, den Menschen quer übern Weg.
Am schwarzen Kamm ist der rote Faden verknotet:
eine Muschel ist die Galleria Umberto.
Eine Muschel ist die Galleria Umberto,
wer hat sie an einem Faden
hieher aus der Bucht gezogen, hieher,
den Wagen und Menschen quer in den Weg?
05 Eine Muschel ist die Galleria Umberto,
Wer hat sie hieher aus der verborgenen Bucht,
wer hat sie hieher an einem roten Faden gezogen?
Aber ein schwarzer Kamm läuft quer über die Muschel,
schwarz glänzt er im Regen,
10 den Wagen, den Menschen quer übern Weg.
Am schwarzen Kamm ist der rote Faden verknotet.
Eine Muschel ist die Galleria Umberto.
Tief in der Höhle singt die Grille ihr Lied,
zu tief, trifft nirgends die Welle, die wandelt<,>
von weitem gespiegelt, über die Wölbung der Höhle.
Zu niedrig glimmt der Grille Lied in der Höhle
05 und trifft nicht die Welle,
die welche Tür, welche geheime, // 01v
von weitem wirft an die Wölbung?
Zu tief sitzt die Grille,
zu tief in der Höhle und singt,
10 singt ihr Lied, das niedrig glimmt und nicht trifft die Welle.
Tief in der Höhle singt die Grille ihr Lied,
zu tief, trifft nimmer die Welle, die zittert,
von weitem gespiegelt, über die Wölbung der Höhle.
Zu niedrig glimmt der Grille Lied in der Höhle
05 und trifft nicht die Welle,
die welche Tür, welche geheime,
von weitem wirft an die Wölbung der Höhle?
Zu tief sitzt die Grille,
zu tief in der Höhle und singt,
10 singt ihr Lied, das niedrig glimmt und nicht trifft die Welle.
Tief in der Höhle singt die Grille ihr Lied,
zu tief, trifft nimmer die Welle, die zittert,
gespiegelt von weitem, über die Wölbung der Höhle.
Zu niedrig glimmt der Grille Lied in der Höhle
05 und trifft nicht die Welle,
die welche Lücke, welche geheime,
wirft von weitem an die Wölbung der Höhle?
Zu tief sitzt die Grille,
zu tief in der Höhle und singt,
10 singt ihr Lied,
das niedrig glimmt und nicht trifft die Welle, die zittert.
Schon wieder ruft man einen General,
zum wievielten Mal schon?
Schon wieder will die Nation sich erneuern,
zum wievielten Mal schon?
05 Schon wieder ruft die Armee nach Ruhm,
schreien die Strassen nach Macht und Grösse,
zum wievielten Mal schon?
Als wäre es nicht schwer genug,
das Segelschiffchen richtig auf den Teich zu setzen,
10 damit es nicht an ein anderes stösst und umkippt,
damit es demWasserstrahl in der Mitte nicht zu nahe kommt und
umkippt,
damit es nicht zu nahe am Steinrand bleibt und anstösst und dann
umkippt. // 02
Ein Segelschiffchen richtig auf den Teich zu setzen,
ist wahrhaftig schwer genug.
15 Wer kann sich da noch sorgen
um die Erneuerung der Nation,
um Macht und Ruhm und Grösse?
Noch nie gelang es, das Segelschiffchen richtig auf den Teich zu
setzen:
schaut man nur schnell einmal weg,
20 schon kippt es um.
Schon wieder will die Nation sich erneuern,
zum wievielten Mal schon?
Schon wieder schreit man nach Ruhm,
schreit man nach Macht und nach Grösse,
05 zum wievielten Mal schon?
Als wäre es nicht schwierig genug,
das Segelschiffchen richtig zu setzen,
damit es nicht an ein anderes stösst und umkippt,
damit es nicht an den Wasserstrahl in der Mitte gerät und umkippt,
10 damit es nicht zu nahe am Steinrand bleibt und anstösst und umkippt. // 04
Das Segelschiffchen richtig zu setzen,
ist wahrhaft schwierig genug.
Wer kann sich da noch sorgen um die Erneuerung der Nation,
um Macht und Ruhm und Grösse?
15 Noch nie gelang es,
das Segelschiffchen richtig zu setzen:
schaut man nur schnell einmal weg,
schon kippt es um.
Schon wieder will die Nation sich erneuern,
zum wievielten Mal schon?
Schon wieder ruft man nach Ruhm,
ruft man nach Macht und nach Grösse,
05 zum wievielten Mal schon?
Als wäre es nicht schwierig genug,
das Segelschiffchen richtig zu setzen,
damit es nicht an ein anderes stösst und umkippt,
damit es nicht unter den Wasserstrahl in der Mitte gerät und umkippt,
10 damit es nicht zu nahe am Steinrand bleibt und anstösst und umkippt. // 06
Wer hat da noch Zeit, sich darum zu kümmern,
dass die Nation sich erneuert,
um Macht und um Ruhm und um Grösse?:
Das Segelschiffchen richtig zu setzen,
15 ist wahrhaftig schwierig genug.
Noch nie gelang es,
das Segelschiffchen richtig zu setzen:
schaut man nur schnell einmal weg,
kippt es schon um.
Die Wirbel der überschwemmten Strasse tragen
– aber der Wurm sitzt mir im Ohr –
die offene Schachtel heran.
Drin liegt noch eine Zigarette;
05 soll ich sie aus den Wirbeln der überschwemmten Strasse fischen?
– Aber der Wurm sitzt mir im Ohr –
Die Zigarette hat sich ganz mit Wasser vollgesogen.
Es lohnt sich nicht, dass ich sie aus den Wirbeln der überschwemmten
Strasse fische.
– Aber der Wurm sitzt mir im Ohr –
10 Die Schachtel fährt weiter, schwerer, und versinkt
in den Wirbeln der überschwemmten Strasse.
Macht nichts: die Zigarette ist nass, man kann sie nicht mehr rauchen.
– Aber der Wurm sitzt mir im Ohr – // 02
Die Vögel auf den Bäumen, alle Vögel auf allen Bäumen ringsum
sagen:
15 „Fische die Schachtel nicht aus den Wirbeln der überschwemmten
Strasse,
die Zigarette ist nass, man kann sie nicht mehr rauchen.
Du hörst, du verstehst die Rede aller Vögel.
Denn der Wurm, der Wurm sitzt dir im Ohr und bohrt.“
Der überschwemmten Strasse Wirbel tragen
– aber der Wurm sitzt mir im Ohr –
heran die Zigarettenschachtel.
Drin liegt noch eine Zigarette;
05 soll ich sie aus der überschwemmten Strasse Wirbeln fischen?
– Aber der Wurm sitzt mir im Ohr –
Die Zigarette hat sich mit Wasser vollgesogen,
wozu sie aus der überschwemmten Strasse Wirbeln fischen?
– Aber der Wurm sitzt mir im Ohr –
10 Die Zigarettenschachtel fährt schwerer weiter, geht
in der überschwemmten Strasse Wirbeln unter.
Macht nichts, man kann die Zigarette nicht mehr rauchen.
– Aber der Wurm sitzt mir im Ohr –
Und die Vögel auf den halbertrunknen Bäumen ringsum sagen:
15 „Die Zigarette ist nass, man kann sie nicht mehr rauchen. // 04
Du hörst, du verstehst die Rede aller Vögel.
Denn der Wurm, der Wurm sitzt dir im Ohr und bohrt …–
drum fische die Zigarettenschachtel aus der überschwemmten
Strasse Wirbeln nicht.“
Die Wirbel der überschwemmten Strasse tragen
– aber der Wurm sitzt mir im Ohr –
heran die Zigarettenschachtel.
Drin liegt noch eine Zigarette:
05 soll ich sie aus den Wirbeln der überschwemmten Strasse fischen?
– Aber der Wurm sitzt mir im Ohr –
Die Zigarette hat sich mit Wasser vollgesogen,
wozu sie aus den Wirbeln der überschwemmten Strasse fischen?
– Aber der Wurm sitzt mir im Ohr –
10 Die Zigarettenschachtel fährt schwerer weiter, geht
in den Wirbeln der überschwemmten Strasse unter.
Macht nichts, man kann die Zigarette nicht mehr rauchen. // 06
– Aber der Wurm sitzt mir im Ohr –
Und die Vögel auf den halbertrunknen Bäumen ringsum sagen:
15 „Die Zigarette ist nass, man kann sie nicht mehr rauchen.“
– Du verstehst die Rede aller Vögel;
denn der Wurm, der Wurm sitzt dir im Ohr und bohrt –
Drum fische die Zigarettenschachtel aus den Wirbeln der
überschwemmten Strasse nicht.“
„Die willentliche Anstrengung erzeugt Schönheit“,
man kann Versailles auf der Insel eines Alpensees wiederholen.
Diese Umarmung war, wie jede Umarmung,
„ein retardierendes Sterben, um zwei Tote zu erzeugen“
05 Ein Wacher baut sich seinen Palast in das Tiefland.
Ein Schläfer wiederholt ihn im Hochland
und schreibt sein goldenes L in die Gitter:
Die Anstrengung erzeugt Schönheit,
die Umarmung ist ein retardierendes Sterben.
10 Alles stimmt.
Aber der Grosse Kanal ist ein Alpensee.
Und nur ein Schlafwandler geht durch den Spiegelsaal,
wo man Friedensschlüsse diktiert
und Kaiserreiche begründet. // 02
15 „Die willentliche Anstrengung erzeugt Schönheit“,
und wären die Alpen schön, so wären sie bloss
die Ausnahme, die die Regel bestätigt.
Aber nur die Umarmung ist dies „retardierende Sterben,
das zwei Tote erzeugt“:
20 Nur die Toten sind schön,
die ihren Hass nun endlich befriedigt.
Der See ist nicht schön,
bevor man das Schloss von Versailles auf ihm wiederholt hat. // 03
Anstrengung, Gewaltsamkeit, Mord,
25 ein Träumer, der durch den Saal des Krieges,
den er nicht führte, des Friedens,
den er nicht schloss, geht;
und alles von Kerzen erleuchtet.
Der Wahnsinn kommt nachher.
30 Doch zuvor erzeugte die Anstrengung Schönheit.
Mit der Umarmung beginnt ein retardierendes Sterben.
Wer es weiss, der wiederholt unbekümmert
Versailles in den Alpen.
„Die willentliche Anstrengung erzeugt Schönheit“,
man kann Versailles auf der Insel eines Alpensees wiederholen.
Diese Umarmung ist, wie jede Umarmung,
„ein retardierendes Sterben, um zwei Tote zu erzeugen“.
05 Ein König baut sich seinen Palast in das Tiefland.
Ein anderer König wiederholt ihn im Hochland
und schreibt sein goldenes L in die Gitter:
Die Anstrengung erzeugt Schönheit,
die Umarmung ist ein retardierendes Sterben.
10 Alles stimmt.
Aber der Grosse Kanal ist ein Alpensee.
Und nur ein Schlafwandler geht durch den Spiegelsaal,
wo man Friedensschlüsse diktiert
und Kaiserreiche begründet.
15 „Die willentliche Anstrengung erzeugt Schönheit“,
und wären die Alpen schön, so wären sie bloss // 05
die Ausnahme, die die Regel bestätigt.
Aber nur die Umarmung ist das „retardierende Sterben,
das zwei Tote erzeugt“:
20 Und nur die Toten sind schön,
die ihren Hass nun endlich befriedigt.
Der See ist nicht schön,
bevor man das Schloss von Versailles auf ihm wiederholt hat.
Anstrengung, Gewaltsamkeit, Mord,
25 ein Schlafwandler, der durch den Saal des Krieges,
den er nicht führte, des Friedens,
den er nicht schloss, geht;
und alles von Kerzen erleuchtet.
Der Wahnsinn kommt nachher.
30 Doch zuvor erzeugte die Anstrengung Schönheit.
Mit der Umarmung beginnt das retardierende Sterben.
Wer es weiss, der wiederholt unbekümmert
Versailles in den Alpen.
Duft wogt des Nachts in Schwaden aus dem Holunder,
in Schwaden wogt Duft aus dem Holunder des Nachts
und betrübt mich.
Die Schwaden rufen die Funken aus dem Holunder,
die schwärmen und glühen:
05 die mich betrüben des Nachts, die Schwaden von Duft
begeistern die Funken.
Ein Brüllen zerrüttet die Nacht.
Man hat den Elefanten im Holunder getötet.
In Schwaden von Duft schwärmen die Funken,
begeistert glühen die Funken des Nachts.
10 Wahrhaftig, man hat den Elefanten im Holunder getötet.
Duft wogt in Schwaden aus dem Holunder
Duft wogt des Nachts und betrübt mich,
die Schwaden rufen die Funken aus dem Holunder,
der mich betrübt des Nachts,
05 der Duft begeistert die Funken.
Ein Brüllen zerfetzt den Holunder,
Duft wogt des Nachts, der Elefant liegt tot in den Schwaden
Der Duft betrübt mich, begeistert die Funken.
Tot liegt der Elefant in den Funken des Nachts,
10 wahrhaftig, tot im Holunder.
Duft wogt in Schwaden aus dem Holunder.
Duft wogt des Nachts und betrübt mich.
Die Schwaden rufen die Funken aus dem Holunder.
Der mich betrübt des Nachts,
05 der Duft begeistert die Funken.
Ein Brüllen zerfetzt den Holunder.
Duft wogt des Nachts,
der Elefant liegt tot in den Schwaden.
Der Duft betrübt mich, begeistert die Funken.
10 Tot lieg in den Funken des Nachts,
tot liegt der Elefant im Holunder.
Persephone pflückt in der Frühe Narzissen.
Und in der Nacht flackert Demeters Fackel
und sucht und ruft und rast durchs Gehölz.
Persephone pflückt in der Frühe Narzissen.
05 Die Fackel verbrennt das Gehölz,
und die Stadt erstickt unter der Asche.
Der Schrei des Alten, der sein Wasser
nicht lassen kann und nicht schläft,
schweigt unter der Asche.
10 Persephone pflückt in der Frühe Narzissen.
Die Fackel erlischt, und Wipfel,
immergrün, stehn auf dem Rücken des Schläfers.
Der Vogel singt und weckt ihn nicht,
unbeirrt singt der Vogel im Wipfel: // 01v
15 Persephone pflückt in der Frühe Narzissen.
Persephone pflückt in der Frühe Narzissen.
Und in der Nacht flackert Demeters Fackel
und sucht und ruft und rast durchs Gehölz.
Persephone pflückt in der Frühe Narzissen.
05 Demeters Fackel verbrennt das Gehölz,
und die Stadt erstickt unter der Asche.
Der Schrei des Alten, der sein Wasser
nicht lassen kann und nicht schläft,
schweigt unter der Asche.
10 Persephone pflückt in der Frühe Narzissen.
Demeters Fackel erlischt, und Wipfel
grünen auf dem Rücken des Schläfers.
Der Vogel singt und weckt ihn nicht,
unbeirrt singt der Vogel im Wipfel.
15 Persephone pflückt in der Frühe Narzissen.
Persephone pflückt in der Frühe Narzissen.
Und in der Nacht flackert Demeters Fackel
und sucht und ruft und rast durchs Gehölz.
Persephone pflückt in der Frühe Narzissen.
05 Demeters Fackel verbrennt das Gehölz,
und die Stadt erstickt unter der Asche.
Der Schrei des Alten, der sein Wasser
nicht lassen kann und nicht schläft,
schweigt unter der Asche.
10 Persephone pflückt in der Frühe Narzissen.
Demeters Fackel erlischt, und Wipfel
grünen auf dem Rücken des Schläfers.
unbeirrt singt der Vogel im Wipfel
und bricht nicht die Stille.
15 Persephone pflückt in der Frühe Narzissen.