Dienstag, 03 August 1954

Die Sirenen (A)

Sie hatten die Taue
ans Ufer geworfen, und einer
schwamm schon hinüber 
als aus des Matrosen, der jetzt 
05 unter den johlenden 
die Strasse vom Hafen zog 
zur kleinen Talstation 
der Seilbahn, die während des Sommers 
klimmt alle Halbstunden 
10 zur Höhe des Burgbergs, 
mit dem Kastell, das heute Museum. 
Als einer der Matrosen Mund und Harmonika 
unter den johlenden, die, 
eingehängt zur Rechten und Linken 
15 den girrenden Mädchen 
in Achterreihen die breite 
Strasse hinauf, 
wo vom Gehsteig Blumen 
warfen die Kinder, die Mütter, 
20 welche steckten die einen 
unter die Schulterstücke, 
die andern aber, es waren zu viele, // 01v
alsbald zertraten. Die Männer 
aber in den verdrängten 
25 Autos drehten nieder 
die Scheiben und schwenkten 
Hände und Hüte. 
Als des Matrosen 
Liedbaum wuchs über 
30 das Stampfen, das lautere Johlen: 
der Strassenbahnzug 
aus der Querstrasse plötzlich 
hielt kreischend und lag 
und konnte nicht weiter, 
35 gebremst vom Gedränge 
der Rufer, der blumen-
werfenden Frauen und Kinder. 
Und nichts half ihm sein Klingeln. 
Als des Matrosen 
40 Liedbaum wuchs plötzlich, 
aus Mund und Harmonika auf 
und in die Krone des Lieds 
dicht sich oben verschränkte, 
des Lieds im Schiff vor der Insel, 
45 wo sie die Taue 
schon hatten ans Ufer geworfen, und einer 
schwamm schon hinüber, 
des Lieds, das vom Hauptmast 
also mächtig hinauf wuchs, // 02
50 dass fiel in Schatten der Liedbusch 
voll Blüten, der duftend sie zog 
alle zur Insel, 
fiel im Schatten des Baums, 
der wuchs aus Leier und Mund des Matrosen. 
55 Und überwuchs, Doppelbaum jetzt, 
den Burgberg schattig sogar, 
wo die Fremden einen Augenblick hielten und schwiegen 
im Kastell, das heute Museum.


Blatt 01r (A-5-c_08_172.jpg)

A Die Sirenen

Sie hatten die Taue ans Ufer

ans Ufer geworfen, und einer

schwamm schon hinüber

alsaus
als  ders Matrosen, der jetzt

05 unter den johlenden zog

die Strasse vom Hafen hinauf zog

[ zum Fuss des Burgbergs hinauf zog

mit dem Kastell, das heute Museum, ]

üb zur
wo die kleinen Talstation protzt

mit schmutzigem Stuck

der Seilbahn, die während des Sommers

fährt klimmt alle Halbstunden

10 zumr Burgberg Kastell auf dem Felsen, Höhe des Felsens Burgbergs,

das heute Museum

wo steht mit dem Kastell, das heute Museum.

Alseiner latros Mund und Harmonika
Als  der Matrosen zu singen begann

unter den johlenden, die,

eingehängt zur Rechten und Linken

15 den girrenden Mädchen

in Achterreihen die Strasse breite

Strasse hinauf,

wo vom Gehsteig die Kinder, Blumen

die Mütter warfen die ↔ Mütter, ↑die Kinder,↑

welche steckten
20 welche fingen die einen

unter die Schulterstücke, während

die andern aber, es waren zu viele, //

Blatt 01v (A-5-c_08_173.jpg)

alsbald zertraten. Die Männer

aber in den verdrängten Autos

25 Autos drehten nieder

die Scheiben und schwenkten

Hände und Hüte.

Als ders Matrosen zu singen

Lied
Singbaum wuchs über

30 das Stampfen, das lautere Johlen:

der
ein Strassenbahnzug

aus der Querstrasse plötzlich

gelegt vor die Reihen, hielt kreischend und lag

und konnte nicht weiter,

35 gebremst vom Gedränge

der Rufer, der blumen-

werfenden Frauen und Kinder.

Und nichts half ihm sein Klingeln.

Als ders Matrosen

40 SingLiedbaum wuchs plötzlich,

mit der Harmonika

aus Mund und der Harmonika Klangstrauch auf

und in die Krone des Lieds

dicht sich oben verschränkte,

des Lieds vor der Insel, im Schiff vor der Insel,

45 wo sie die Taue schon

schon hatten ans Ufer geworfen, und einer

schwamm schon hinüber,

des Lieds, das vom Hauptmast

also mächtig hinauf wuchs, //

Blatt 02 (A-5-c_08_174.jpg)

A Die Sirenen 2

50 dass fiel in Schatten der Liedbusch

voll Blüten, der duftend sie zog

alle zur Insel,

fiel im Schatten des Baums,

der wuchs aus Leier und Mund des Matrosen.

55 Und überwuchs, Doppelbaum jetzt,

überschattend den Burgberg sogar, schattig sogar,

sogar und das Kastell

wo im Kastell, das heute Museum,

wo die Fremden einen Augenblick hielten und schwiegen

im Kastell, das heute Museum.

3.8.54

 

  • Besonderes:

    Bl. 02 verso: Typoskript (Die Kamele), durchgestrichen

  • Letzter Druck: Die verwandelten Schiffe 1957
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: A-5-c/08_028
  • Seite / Blatt: 01r/v, 02

Inhalt: 205 Manuskripte und 25 Typoskripte zu 33 Gedichten (3 Endfassungen)
Datierung: 1.1.1954 – 27.12.1954
Textträger: 271 Einzelblätter (A4-Format)
Umfang: 36 Dossiers, 270 beschriebene Seiten
Publikation: Die verwandelten Schiffe (15 Gedichte), Verstreutes (3 Gedichte)
Signatur: A-5-c/08 (Schachtel 35)
Herkunft: Mappe EG 54 I, EG 54 II

Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften

Weitere Fassungen

Manuskripte 1954 (alph.)
(Total: 230 )
Manuskripte 1954 (Folge)
(Total: 230 )