Synopse

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Donnerstag, 08 Dezember 1949    (    )

Du stehst so hoch …* (a*)

Du stehst, so hoch,
du reine Göttin des Gelingens:
ob Du zu mir die Schwinge jemals senkst?
Du lang Vertriebene aus den Hallen des angestammten Reichs, des von Dir gross¿genährten, dem Du der Siege Kränze botest lang? Wirst Du den späten Erben, dessen, was es war, wirst Du den späten Erben dulden wie Du die starken Ahnen liebtest? Er trägt das ihre siehst Du es, mit andern Waffen, er trägt das ihre, zitternd auch, Gestalt!

02 Lang gingen sie an Deinem // 009 Bild vorbei und suchten in den Höhlen der wilden Väter einen eignen Geist. Doch fanden sie nur stets der eignen Seele Wirren und gaben Dunkleres den schon zu dunkeln Brüdern. 

03 Du bliebst allein im hallenden Palaste. Und warest ohne Ungeduld allein: nicht bedurftest Du der Menge. Sie, vielmehr bedurften Deiner. Lange gings bis sie es endlich wussten. Sie suchten den Weg zu Dir. Es fanden ihn nur die hellsten. Die Deines alten Volkes Art am reinsten wahrten. 

04 Die unsern irrten weiter in den Forsten und irren noch, ob wohl auch dieser schon und jener durchs Tor fand und // 010 die Stufen hinauf zu Deinem Altar: die reinsten Kinder Deiner Grösse sind von den unsern. Doch sie sind gar selten. 

05 So komm denn ich, ein schwacher Spätling mit meiner kleinen Gabe und hoffe, dass, Ewige Du, mich gnädig krönst.

In: Notizbuch 1950
Freitag, 09 Dezember 1949    (    )

Du stehst so hoch …* (b*)

Du stehst so hoch, o reine Göttin des Gelingens, ob mich deine Schwinge jemals streift? Du Vertriebne aus dem angestammten Reich, dem du die Siegeskränze botest ein Jahrtausend lang: wirst du den späten Erben derer dulden, des starke Ahnen du so ohne Mass geliebt? Er trägt das ihre, siehst du, wenn auch ohne Waffen, er trägt das Ihre, // 011 zitternd, die Gestalt. 

02 Die meisten gingen seit an deinem Bild vorbei und suchten in den Höhlen der wilden Väter einen eignen Geist. Doch fanden sie dort nur verdorbnen, wilden Honig und gaben Saures den schon zu sauren Brüdern. Du bliebst allein in leerer Halle, doch ohne Ungeduld. Du bedurftest ihrer nicht, wie deiner sie bedurften (ob sies auch wussten nicht). Nur wenige fanden zurück den Weg zu dir, die hellsten, die wahrten deines alten Volkes Art. 

03 So komm auch ich, ich wag es, zager Spätling, mit kleiner Gabe und bitte, dass du mich einmal nur mit deiner Schwinge streifst, so hoch du stehn auch magst, o reine Göttin // 012 des Gelingens.

In: Notizbuch 1950
Sonntag, 11 Dezember 1949    (    )

Du stehst so hoch, o reine Göttin des Gelingens …*

Du stehst so hoch, o reine Göttin des Gelingens,
ob mich deine Schwinge jemals streift?
Du Vertriebne aus dem angestammten Reich,
dem du die Siegeskränze botest ein Jahrtausend:
05 wirst du den späten Erben dulden, des starke
Ahnen du so ohne Mass geliebt?
Er trägt das ihre, siehe, ohne Waffen, er trägt
das ihre zitternd, die Gestalt.
Die meisten gingen seit an deinem Bild vorbei und suchten
10 in den Höhlen der wilden Väter einen eignen Geist.
Doch fanden sie dort nur verdorbnen Honig
und gaben Saures den schon sauren Brüdern.
Du bliebst allein in leerer Halle. Du bedurftest
ihrer nicht, wie deiner sie bedurften (ob sies auch wussten nicht)
15 Nur wenige fanden den Weg zurück zu dir, die
wachsten, die wahrten deines alten Volkes Art.
So komm auch ich, ich wag es, zager Spätling,
mit kleiner Gabe: dass du mich einmal nur mit
deiner Schwinge streifst, so hoch du stehst, o Göttin des Gelingens.

In: Manuskripte 1948-51
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