Montag, 12 Dezember 1955

Der Prinz zieht sich nach dem Tod seiner Gattin für einige Wochen in ein Kloster zurück. (F)

Wenn er die Orange zerteilt, achtet er darauf,
dass ihm der Saft nicht den weissen Kragen und die Manschetten, die 
er ohnehin jeden Tag wechselt, bespritzt. 

Denn er ist nervöser als sonst schon, 
weil er die Stadt so plötzlich verlassen und in dieses Kloster
herausziehen musste, 
05 wo es nur Mönche gibt, die mit Blicken seine Seele zu retten versuchen. 

Aber das ist doch besser, als in dem feuchten Palast zu bleiben 
und sich wie Pastetenfleisch von der Jammertunke von fünfzig Frauen 
immer neu übergiessen und ganz durchtränken zu lassen. 

Hier ist es wenigstens trocken, 
10 und niemand verlangt von ihm Trauer um das Mädchen, das er nur förmlich
gekannt hat. 
(Im Bett braucht man gottseidank nicht zu sprechen.) 

Hier kann er, wenn die Sonne hinter den baumlos erstarrten 
Wogen unterging, zuschaun 
wie man das einzige Rosenbeet mitten im Kohlplatz wässert, 
und kann dann, damit man sein Gähnen nicht sieht, hineingehen und genau
darauf achten, 
15 dass ihm beim Zerteilen der Orange der Saft nicht den Kragen und die 
Manschetten bespritzt, 
die er ohnehin jeden Tag wechselt.


Blatt 07 (A-5-c_11_086.jpg)

F Der Prinz zieht sich nach dem Tod seiner Gattin für einige Wochen
in ein Kloster zurück.


Wenn er die Orange zerteilt, achtet er drauf, darauf,

dass ihm der Saft nicht den weissen Kragen und die Manschetten, die

er ohnehin jeden Tag wechselt, bespritzt. 

Denn er ist nervöser als sonst schon,

weil er die Stadt so plötzlich verlassen musste und in dieses Kloster

herausziehen musste,

05 wo es nur Mönche gibt, die mit Blicken seine Seele zu retten versuchen. 

Aber das ist doch besser, als in dem feuchten Palast zu bleiben

und sich wie Pastetenfleisch von der Jammertunke von fünfzig Frauen

immeneu
immer  übergiessen und ganz durchtränken zu lassen. 

Hier ist es wenigstens trocken,

10 und niemand verlangt von ihm Trauer um das Mädchen, das er nur förm-

lich gekannt hat.

(Im Bett braucht man gottseidank nicht zu sprechen.) 

Hier kann er, nachdem die wenn die Sonne hinter den baumlos erstarr-

ten Wogen unterging, zusehnschaun

wie man das einzige Rosenbeet mitten im Kohlplatz wässert,

und kann dann, damit man sein Gähnen nicht sieht, hineingehen und ge-

nau darauf achten,

15 dass ihm beim Zerteilen der Orange der Saft nicht den Kragen und die

Manschetten bespritzt,

die er ohnehin jeden Tag wechselt.

1955

 

  • Besonderes:

    Typoskript mit Direktkorrekturen; datiert: 1955

  • Letzter Druck: Die verwandelten Schiffe 1957
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Strophen: ja
  • Schreibzeug: Schreibmaschine
  • Signatur: A-5-c/11_009
  • Seite / Blatt: 07

Inhalt: 135 Manuskripte und 21 Typoskripte zu 24 Gedichten (keine Endfassung)
Datierung: 14.11.1954 – 21.11.1955
Textträger: 200 Einzelblätter (A4-Format); v.a. durchscheinende Makulatur von Dissertation und Gedichttyposkripten
Umfang: 25 Dossiers, 213 beschriebene Seiten
Publikation: Die verwandelten Schiffe (12 Gedichte), GEDICHTE (1 Gedicht), Verstreutes (2)
Signatur: A-5-c/11 (Schachtel 36)
Herkunft: Nr. 1-15: braune Mappe EG 55 I; Nr. 16-25: rote Mappe EG 55 II

Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften

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