Donnerstag, 10 März 1955

Die Wirtschaftsseite II / Der Vogelbaum oder Der Heilige Mauritius und seine Gefährten (D)

„Die Aktienmärkte liegen behauptet“
unter des Vogelbaums Wimperschatten, 
unter dem Puder der Blüten, 
die mit dem schmutzigen Bach das Trottoir 
05 entlang in den Rinnstein fliessen: wo sie 
nochmals, nochmals rötet das Blut. 

Die Aktienmärkte liegen nur noch mühsam behauptet, 
wenn der Sturmwind von der Schneekuppe 
durch die wirren Stimmen des zur Unzeit erregten 
10 Glockenspiels herabstürzt und in den 
schmutzigen Regenbach, der das Trottoir 
entlang in den Rinnstein fliesst, wischt die
von Wochen des Lächelns bräunlich 
ermüdeten Blüten zusammen; aber vom Blut 
15 sind sie jetzt nochmals gerötet, gerötet.

„Auch der Stahl steht im Markt“ 
und blendet allein noch im Regen und blutet 
aus den Märtyrerleibern, die man 
herabwarf vom Felsen und die er 
20 magnetisch anzog und auffing. // 09

Der Stahl steht mitten im leeren 
Markt, und der Regen wäscht ihm 
das Blut der Märtyrer ab und 
rötet die von Wochen des Lächelns bräunlich 
25 ermüdetetn Vogelbaumblüten 
nochmals, nochmals im Rinnstein. 

Der glockenstimmige Sturm von der Kuppe 
hat sie von den Wimpern der Zweige 
des Vogels gewischt und die Flügel, 
30 die abseits jetzt im Laub stehn, 
an Gefieder und Flug plötzlich erinnert. 

Aber der Schnabel, begraben, 
bleibt aufgesperrt, von der Krume 
gesättigt, gesättigt. 

35 Und die vom entrollenden 
Spielball lange gequälten 
Augen betrügt nun der Erdschlaf.


Blatt 08 (A-5-c_11_034.jpg)

D Die Wirtschaftsseite II
Der Vogelbaum oder der Heilige Mauritius und seine Gefährten

„Die Aktienmärkte liegen behauptet“

unter des Vogelbaums Wimperschatten,

unter dem Puder der Blüten,

die mit dem schmutzigen Bach das Trottoir

05 entlang in den Rinnstein fliessen: wo sie

nochmals, nochmals rötet das Blut. 

Die Aktienmärkte liegen nur noch mühsam behauptet,

wenn der Sturmwind von der Schneekuppe

durch die wirren Stimmen des zur Unzeit erregten

10 Glockenspiels herabstürzt und in den

schmutzigen Regenbach, der das Trottoir

entlang in den Rinnstein fliesst, wischt die

von Wochen des Lächelns bräunlich

ermüdeten Blüten zusammen; aber vom Blut

15 sind sie jetzt nochmals gerötet, gerötet.

„Auch der Stahl steht im Markt“

und blendet allein noch im Regen und blutet

aus den Märtyrerleibern, die man

herabwarf vom Felsen und die er

20 magnetisch anzog und auffing. //

Blatt 09 (A-5-c_11_035.jpg)

D Der Vogelbaum 2

Der Stahl steht mitten im leeren

Markt, und der Regen wäscht ihm

das Blut der Märtyrer ab und

rötet nochmals die von Wochen des Lächelns bräunlich

25 bräunlich ermüdetetn Vogelbaumblüten

nochmals, nochmals im Rinnstein. 

Der glockenstimmige Sturm von der Kuppe

hat sie von den Wimpern der Zweige

des Vogels gewischt und die Flügel,

30 die abseits jetzt im Laub stehn,

an Gefieder und Flug plötzlich erinnert. 

Aber der Schnabel, begraben,

bleibt aufgesperrt, von der Krume

gesättigt, gesättigt. 

35 Und die vom entrollenden

Spielball lange gequälten

Augen betrügt nun der Erdschlaf.

10.3.55

  • Besonderes:

    Verso: Typoskripte↑ (Sebastian Franck, S. 13)

  • Letzter Druck: Die verwandelten Schiffe 1957
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Strophen: ja
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: A-5-c/11_005
  • Seite / Blatt: 08, 09

Inhalt: 135 Manuskripte und 21 Typoskripte zu 24 Gedichten (keine Endfassung)
Datierung: 14.11.1954 – 21.11.1955
Textträger: 200 Einzelblätter (A4-Format); v.a. durchscheinende Makulatur von Dissertation und Gedichttyposkripten
Umfang: 25 Dossiers, 213 beschriebene Seiten
Publikation: Die verwandelten Schiffe (12 Gedichte), GEDICHTE (1 Gedicht), Verstreutes (2)
Signatur: A-5-c/11 (Schachtel 36)
Herkunft: Nr. 1-15: braune Mappe EG 55 I; Nr. 16-25: rote Mappe EG 55 II

Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften

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