Samstag, 17 Dezember 1955

Die Perle (E)

Ich kann doch das Mädchen,
das im grasgrünen Pijama am Haustor auf den Postboten
wartet und gähnt,
nicht fragen –
ich kann doch den Pförtner, 
05 der in seinem Verschlag Tischlampen lötet und mir die Zeitung
herausreicht, 
nicht fragen: 
Nicht fragen, ob sie die Perle gesehen hätten, 
die ich beim Erwachen heute früh in der Hand hielt. 

Ich kann nach der Perle nicht fragen: 
10 irgendwo fiel sie hinab, 
zum Beispiel im Gespräch mit der Fürsorgerin 
unter das Bild und die Karteikarte des Mathematikstudenten, 
der Cello spielt und von der Strudlhofgasse in Wien kommt; 
vielleicht fiel sie dort in ein Kanalloch, 
15 bis hinab, wo ich allein, höchstens, sie finde, 
wenn ich das Pflaster aufkratze und tief in den
Abwasserkanal krieche. 

Den Kopf würden das Mädchen und der Pförtner und die
Fürsorgerin schütteln, 
wenn ich plötzlich nach einer Perle fragte, 
die mir beim Erwachen heute früh in der Hand lag: 
20 sie war mir von der Muschel, die die Ebbe wegtrug, geblieben.


Blatt 08 (A-5-c_11_210.jpg)

E Die Perle

Ich kann doch das Mädchen,

das im grasgrünen Pijama am Haustor auf den Postboten wartet und

gähnt,

nicht fragen –

ich kann doch den Pförtner,

05 der in seinem Verschlag Tischlampen lötet und mir die Zeitung

herausreicht,

nicht fragen:

Nicht fragen, ob sie die Perle gesehen hätten,

die ich beim Erwachen heute früh in der Hand hielt. 

Ich kann nicht nach der Perlenicht
Ich kann nicht nach der Perle  fragen:

10 irgendwo fiel sie hinab,

zum Beispiel im Gespräch mit der Fürsorgerin

unter das Bild und die Karteikarte des Mathematikstudenten ,

der Cello spielt und von der Strudlhofgasse in Wien kommt;

vielleicht fiel sie dort in ein Kanalloch,

15 bis hinab, wo ich allein, höchstens, sie finde,

wenn ich das Pflaster aufkratze und tief in dieen Abwasserkanal

krieche.

Den Kopf würden das Mädchen und der Pförtner und die Fürsorgerin

schütteln,

wenn ich plötzlich nach einer Perle fragte,

die mir beim Erwachen heute früh in der Hand lag:

20 sie war mir von der Muschel, die die Ebbe wegtrug , geblieben.

17.12. 1955

 

  • Besonderes:

    Typoskript mit Bleistiftkorrekturen

  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Strophen: ja
  • Schreibzeug: Schreibmaschine
  • Signatur: A-5-c/11_024
  • Seite / Blatt: 08

Inhalt: 135 Manuskripte und 21 Typoskripte zu 24 Gedichten (keine Endfassung)
Datierung: 14.11.1954 – 21.11.1955
Textträger: 200 Einzelblätter (A4-Format); v.a. durchscheinende Makulatur von Dissertation und Gedichttyposkripten
Umfang: 25 Dossiers, 213 beschriebene Seiten
Publikation: Die verwandelten Schiffe (12 Gedichte), GEDICHTE (1 Gedicht), Verstreutes (2)
Signatur: A-5-c/11 (Schachtel 36)
Herkunft: Nr. 1-15: braune Mappe EG 55 I; Nr. 16-25: rote Mappe EG 55 II

Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften

Weitere Fassungen

Blättern zurück / vor: « Die Perle (D) Die Krise (A) »
Manuskripte 1955 (alph.)
(Total: 156 )
Manuskripte 1955 (Datum)
(Total: 156 )
Suchen: Manuskripte 1955