Dienstag, 12 Juli 1955

Requiem (L)

Das Mädchen sitzt neben den Schwestern auf dem Sofa und schiebt
die Gardinen vom Fenster zurück  
und sieht das Schiff auf dem See, das immer wächst, bis es (an der
Lände) anlegt, 

und sieht die Frau, sich selbst, die auf den Steg heraustritt, 
wo einer ihr winkt und sie hart an der Hand fasst: 
05 „Nein“ schreit sie lippenlos, tonlos und risse den Knaben mit sich aufs 
Schiff zurück, 
wenn er ihr nicht ans Ufer entwischte. 

So flüchtet sie allein in die Kabine und schaut nicht hin auf den Spitz, 
der vor ihr das Männchen macht und sich, weil man die Brücke 
zurückzieht, ohne dass sie ihm ihr Lächeln zuwarf, 
verärgert fallen lässt und der Prozession in die Kirche nachläuft und 
der Orgel ins „Tantum ergo“ hineinbellt. 

10 Lieber fährt sie allein tiefer ins Gebirg; 
und das Auge im Fenster folgt zugleich mit dem Auge des Knaben 
dem Dampfer vom Gewimmel des Kais zur Enge, wo sich die Felsen 
beinah berühren 
und wo die Kellner ein Sonnendach übers Deck spannen für die Dame, 
die von der Sommergesellschaft einzig noch da ist: 
15 Für den Fall, dass sie zur Teezeit herauskommt.


Blatt 17 (A-5-c_11_063.jpg)

JL Requiem

Das Mädchen sitzt neben den Schwestern auf dem Sofa und schiebt

die Gardinen vom Fenster zurück

und sieht das Schiff auf dem See, das immer wächst, bis es (an der

Lände) anlegt, 

und sieht die Frau, sich selbst, die auf den Steg heraustritt,

05 wo einer ihr winkt und sie hart an der Hand fasst:

„Nein“ schreit sie lippenlos, tonlos und risse den Knaben mit sich aufs

Schiff zurück,

wenn er ihr nicht ans Ufer entwischte. 

So flüchtet sie allein in die Kabine und schaut nicht hin auf den Spitz,

der vor ihr das Männchen macht und sich, weil man die Brücke zurückzieht,

ohne dass sie ihm ihr Lächeln zuwarf,

verärgert fallen lässt und der Prozession in die Kirche nachläuft und der

Orgel ins „Tantum ergo“ hineinbellt. 

Lieber fährt sie allein tiefer ins Gebirg;

und das Auge im Fenster folgtzugleich lBruder¿aAuge des Knaben
und das Auge im Fenster folgt  mit dem Knabenauge, das aus dem

Hin und Her des Kais immer noch still blickt,

dasimmer noch
das  aus dem Hin und Her des Kais immer noch still blickt,

dem Dampfervom Gewimmel des Kais
dem Dampfer  zur Enge, wo sich die Felsen beinah berühren

und wo die Kellner ein helles Sonnendach übers D ↔ für die Dame ↑spannen↑,
und wo die Kellner ein helles Sonnendach übers Deck spannen

die von der Sommergesellschaft einzig noch da ist:

Für den Fall, dass sie zur Teezeit herauskommt.

12.7.55

 

  • Besonderes:

    Verso: Typoskript↑ (Sebastian Franck, S. 121)

  • Letzter Druck: Die verwandelten Schiffe 1957
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Strophen: ja
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: A-5-c/11_007
  • Seite / Blatt: 17

Inhalt: 135 Manuskripte und 21 Typoskripte zu 24 Gedichten (keine Endfassung)
Datierung: 14.11.1954 – 21.11.1955
Textträger: 200 Einzelblätter (A4-Format); v.a. durchscheinende Makulatur von Dissertation und Gedichttyposkripten
Umfang: 25 Dossiers, 213 beschriebene Seiten
Publikation: Die verwandelten Schiffe (12 Gedichte), GEDICHTE (1 Gedicht), Verstreutes (2)
Signatur: A-5-c/11 (Schachtel 36)
Herkunft: Nr. 1-15: braune Mappe EG 55 I; Nr. 16-25: rote Mappe EG 55 II

Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften

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