Synopse

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Mittwoch, 14 März 1951    (    )

Weiss ist an dem ungebärdigen Himmel …*

Weiss ist an dem ungebärdigen Himmel die Sonne der Mitternacht, an dem Himmel wogend im Föhnwind des März, wie doch bläht sich die blaue Seide: und daraufhin rollt hin und her dieser flimmernde Ball. Da die Kinder erwachen alle, da sie stehn auf den Dächern, zu haschen den Ball. Sie hüpfen und springen hinab in den Himmel, der sie emporwirft und wieder auffängt. Wie sie jauchzen, selber Gestirne, Gestirne der Märznacht über all den Grabmälern // 058 an der dunklen Strasse, die durch die öden Hügel führt mit den wenigen Zypressen. Die Toten der Jahrtausende auch stehn auf ihren Zinnen und lächeln schweigend den Kindern, den Geschwistern. Die Toten und Kinder sind eins in der Nacht, Kastor und Pollux gehn in der Höhe, Knaben und grüssen die Mutter, die auf ihrem attischen Grabmal steht im wehenden Schleier und lächelt, lächelt, die Tote den Kindern.

In: Notizbuch 1950-51
Donnerstag, 15 März 1951    (    )

Weiss an dem ungebärdigen Himmel …* (A)

Weiss an dem ungebärdigen Himmel, an dem
Himmel wogend im Föhn, flimmert die Sonne: 
wie doch bläht sich die blaue Seide und darauf 
rollt hin und her dieser flimmernde Ball. 
05 Alle Kinder erwachen da und stehn auf den Dächern, 
zu haschen den Ball, 
hüpfen und springen hinab in den Himmel, 
der sie auffängt und wieder emporwirft. 
Wie sie jauchzen, Gestirne selber, Gestirne der 
Märznacht 
über der dunklen Strasse, die durch die wenigen 
Hügel führt 
10 mit den besinnlichen Bäumen und mit den 
Gräbern, 
wo die Toten der Jahrtausende stehn auf den 
Zinnen 
und lächeln im Wogen der Laken den Geschwistern. 
Weil die Toten und Kinder sind eins in der Nacht. 
Kastor geht in der Höhe und Polydeukes, die Knaben, 
15 und grüssen die Schwester, Helena, die steht auf 
dem Grabmal, // 01v
lächelnd winkt die Tote den spielenden Brüdern.

In: Manuskripte 1951
Freitag, 16 März 1951    (    )

Weiss an dem ungebärdigen Himmel …* (B)

Weiss an dem ungebärdigen Himmel, wogend im Föhn, 
flimmert die Sonne: wie doch bläht sich die blaue Seide,
darauf hin und her rollt dieser flimmernde Ball. 
Alle Kinder erwachen und stehn auf den Dächern, 
zu haschen den Ball, 
05 hüpfen und springen hinab in den Himmel, 
der sie auffängt und wieder emporwirft, 
die Jauchzenden, selber Gestirne, Gestirne der 
Märznacht 
über der dunklen Strasse, die durch die Hügel
führt 
mit den besinnlichen Bäumen und mit den 
Gräbern, 
10 wo die Toten der Jahrtausende stehn auf
den Zinnen 
und lächeln den Geschwistern am Himmel, 
Tote und Kinder sind eins heute, und Kastor
geht in der Höhe mit Polydeukes, zu grüssen // 01v
Helena, die Schwester, die steht auf dem Grabmal 
und winkt den spielenden Brüdern.

In: Manuskripte 1951
Mittwoch, 21 März 1951    (    )

Weiss an dem ungebärdigen Himmel …* (C)

Weiss an dem ungebärdigen Himmel wogend im Föhn,
schaukelt der Mond: wie doch bläht sich die blaugrüne Seide, 
darauf hin und her rollt dieser bleiche Ball glanzlosen Lichtes. 
Alle Kinder erwachen und stehn auf den Dächern 
zu haschen den Ball, 
05 hüpfen und springen hinab in den Himmel, 
der sie auffängt und wieder emporwirft, 
die Jauchzenden, selber Gestirne, Gestirne der Märznacht, 
über der dunklen Strasse, die durch die Hügel führt 
mit den besinnlichen Bäumen und mit den Gräbern, 
wo die Toten der Jahrtausende stehn auf den 
Zinnen und lächeln den Geschwistern am Himmel. // 02
10 Tote und Kinder sind eins heute, und Kastor 
geht in der Höhe mit Polydeukes, zu grüssen 
Helena, die Schwester, die steht auf dem Grabmal 
und winkt den spielenden Brüdern. 
Wenn aber die bräutliche Blume des Aufgangs 
herabgeschwemmt nach der Wüste, 
öffnet am Rande des Himmels veilchenfarben die Blüte, 
denkt der einsame Mann in den Mauern des Grabmals 
der ewigen Dinge, 
15 noch der ewigen Dinge, wenn die Blume 
über dem Scheitel ganz entbreitet die rötlich
glühenden Blätter 
und empor aus dem Gewölbe steigt die Fürstin, 
steigt der geopferte Tross, 
den Mann zu locken in die Jahrtausende nieder, // 03
in das schwarze Licht der sonnenfern prangenden Gründe. 
Er aber ist wie die Höhen, wo Wein wächst 
20 und wo die Flamme sich anverwandelt die Traube: 
sodass er mitten im Tagspuk einsam kniet 
und den Thronenden anfleht und sieht.

In: Manuskripte 1951
Montag, 26 März 1951    (    )

Weiss an dem ungebärdigen Himmel …* (D)

Weiss an dem ungebärdigen Himmel, schaukelt im Föhn der Mond: 
wie doch bläht sich die blaugrüne Seide, 
darauf hin und her rollt dieser bleiche Ball glanzlosen Lichtes. 
Alle Kinder erwachen und stehn auf den Dächern, 
zu haschen den Ball, 
05 hüpfen und springen hinab in den Himmel, 
der sie auffängt und wieder emporwirft 
die Jauchzenden, selber Gestirne, Gestirne der Märznacht 
über der einsamen Strasse, die durch die Hügel führt 
mit den besinnlichen Bäumen um die Gräber, 
wo die Toten der Jahrtausende stehn auf den 
Zinnen und lächeln den Geschwistern am Himmel. // 02
10 Kinder und Tote sind eins heute, Kastor geht 
in der Höhe mit Polydeukes, zu grüssen 
Helena, die Schwester, die von der Zinne 
des Grabmals winkt den spielenden Brüdern, 
und haschen den bleichen Ball glanzlosen Lichtes, 
hinrollenden auf blaugrün geblähter Seide, 
weiss an dem ungebärdigen Himmel, 
im Föhn schaukelnden Mond.

In: Manuskripte 1951
Freitag, 31 August 1951    (    )

Ungebärdig rollt auf blaugrün geblähter Seide …* (E)

Ungebärdig rollt auf blaugrün geblähter Seide[,]
hin und her der Mond aus glanzlosem Licht. 
Alle Kinder erwachen und stehn auf den Dächern, 
zu haschen den Ball, 
hüpfen und springen hinab in den Himmel, der sie 
auffängt und wieder emporwirft 
05 die Jauchzenden, selber Gestirne der Märznacht 
über der einsamen Strasse, die durch die Hügel geht 
mit den wachenden Bäumen ums Grab, 
wo die Toten der Jahrtausende stehn 
auf den Zinnen und lächeln den Geschwistern 
am Himmel, 
10 haschen den ungebärdig auf blaugrün geblähter Seide 
rollenden Ball aus glanzlosem Licht.

In: Manuskripte 1951
Samstag, 01 September 1951    (    )

Ungebärdig rollt auf blaugrün geblähter Seide …* (F)

Ungebärdig rollt auf blaugrün geblähter Seide 
hin und her der Mond aus glanzlosem Licht. 
Alle Kinder erwachen und stehn auf den Dächern, 
zu haschen den Ball, 
hüpfen und springen hinab in den Himmel, der sie 
auffängt und wieder emporwirft 
05 die Jauchzenden, selber Gestirne der Märznacht 
über der einsamen Strasse am Hügel[,] mit den 
wehrenden Bäumen ums Grab, 
wo die Toten der Jahrtausende stehn auf den Zinnen 
und lächeln den Geschwistern am Himmel, 
fangen den ungebärdig auf blaugrün geblähter Seide 
rollenden Ball aus glanzlosem Licht.

In: Manuskripte 1951
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