Dienstag, 28 April 1953

An Paul Huber, 28.4.1953

Tübingen, 28. 4. 53

Lieber Paul,

eben komme ich zurück von einem Aufenthalt in Ronco und einem Abstecher nach Parma und Verona und finde Deinen Brief hier zwischen einem Berg von Zeitungen, der sich in den drei Wochen aufgetürmt hat: zufällig, wie ich die Zeitungen wegwerfen will, fällt er heraus.

02 Es ist mir immer interessant zu hören, was Du von meinen Produkten hältst. Diesmal freilich hatte ich eher das Gefühl, die Zensur eines sehr wohlwollenden Lehrers zu lesen. Und ich frage mich, was für ein Verhältnis Du zu meiner Arbeit hast, wenn Du z.B. schreibst: „Du hast einen kräftigen Schuss Realismus nötig ......“ usw. Und schon vorher diese Imperative, die offenbar nicht nur diesen oder jenen Akzent setzen, sondern doch fast meine Verfahrensweise überhaupt verändern wollen! – Ich meine, um eine Einzelheit herauszugreifen: wenn Du meine Arbeit über die Jahre hin verfolgt hast, so musstest Du merken, dass der „Realismus“ offenbar nicht mein Weg ist, dass ich auf Grund meiner Voraussetzungen gezwungen bin, das, was ich will, auf andere, meinetwegen un„realistische“, Weise zu erreichen. Du darfst das natürlich bedauern, ich zwinge Dich nicht, meine Verse schön zu finden, Du darfst mir auch sagen, dass // Du es bedauerst. Aber eine Voraussetzung geistiger Beziehung bleibt doch, dass man die Arbeit des andern im Prinzip als gegeben hinnimmt, nicht, dass man Vorschläge zu einzelnen Änderungen nicht machen soll – ich nehme solche immer wieder an – aber eine Grundhaltung wie „Realismus“ oder Un „realismus“ kann nur festgestellt und kritisiert werden. Aber Du kannst nicht vom andern erwarten, dass er sie ändert. Damit gerät das Gespräch an seine Grenze: wenn ich Dir „Marzipan und überreife Pfirsiche“ vorsetze, Du aber „Brot und Wein“ vorziehst, so kannst Du das bedauern, aber Du musst Dich damit abfinden, dass Du bei mir nur ein und das eine und nicht das andere bekommst. Wenn Du das nicht willst, musst Du auf weitere Lieferungen aus diesem Geschäft verzichten.

[…]

  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Brief
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Schreibzeug: Tinte
  • Signatur: B-1-HUBE

Inhalt: Briefstellen zur Gedichtproduktion
Signatur: Vgl. Angabe bei den einzelnen Texten

Kommentar: Die Auswahl ist beschränkt auf einige wenige Briefe, v. a. aus der Verlagskorrespondenz;
vgl. auch einige Briefentwürfe Raebers in den Notizbüchern
Wiedergabe: Textkonstitution ohne Verzeichnung der Korrekturen

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