Mittwoch, 05 Dezember 1951

Rötet nicht dieser neue Mond das Antlitz des Tages …*

Rötet nicht dieser neue Mond das Antlitz des Tages?

02 Schon mitten am Tag kommt er über den Bäumen, die ruhig die Gräber auf dem Hügel umstehen, rötlich empor.

03 Und entfacht in den Menschen dies mühsam verschüttete Feuer, dies vergessne, das sie erloschen geglaubt: Feuer der Angst, dass alles sich wende, dass morgen die Sonne nimmer den Garten erwecke und empfange der Vögel huldigend Singen,

04 dass nimmer der Wind bewege die Blätter und die Haare des Wandrers fächelnd spiele über die perlende Stirn:

05 dass einst nicht mehr sei dies Licht und die Ruhe, bestätigt vom // 140 schneeigen Gipfel des Bergs:

06 Dass nur noch bleibe der rötliche Mond und die gelben Wolken, die er anzieht böse um die letzte Stunde, die tiefste der Nacht, nur noch ihre Drohung über den Schläfern und dann der Donner furchtbaren Schalls von Süden nach Nord, von Westen nach Osten der Blitz, der Himmel ein Feuer,

07 und Sturz der Gestirne und Bersten der Erde, Wut des befreiten Stroms, des ufervergessenen Meers und Fall alles Festen, das Land von innen entzündet, Feuer und Wasser vereint zum Sturz in die Nacht aller Nächte. // 141

08 O dies Feuer, wie schlägt es empor aus der Asche, das wir verschüttet geglaubt, das heimlich glimmende, wenn dieser neue Mond rötet das Antlitz des Tages,

09 kommt auf dem Hügel hinter den Bäumen empor, die ruhig die Gräber umstehn.


Seite 139 (C-2-b_04_139.jpg)


Rötet nicht dieser neue Mond das Antlitz 

des Tages? 

02 Schon mitten am Tag kommt er über den 

Bäumen, die ruhig die Gräber auf 

dem Hügel umstehen, rötlich 

empor. 

03 Und entfacht in den Menschen dies 

mühsam verschüttete Feuer, dies ver-

gessne, das sie erloschen geglaubt: 

Feuer der Angst, dass alles sich wende, 

dass ein morgen die Sonne nimmer 

am den Garten erwecke und empfange 

der Vögel huldigend Singen, 

04 dass nimmer der Wind bewege die 

Blätter und die Haare des Wandrers 

fächelnd spiele über die perlende 

Stirn: 

05 dass einst nicht mehr sei dies Licht 

und die Ruhe, bestätigt vom Gipfel // 

Seite 140 (C-2-b_04_140.jpg)


schneeigen Gipfel des Bergs: 

06 Dass nur noch bleibe der rötliche Mond 

und die gelben Wolken, die er an-

zieht böse gegen die let um die letzte 

Stunde, die tiefste der Nacht, 

nur noch ihre Drohung über den 

Schläfern und dann der Donner 

wenn¿ furchtbaren Schalls von 

Süden nach Nord, von Westen nach 

Osten der Blitz, der Himmel ein 

Feuer, 

07 und Beben Sturz der Gestirne und 

Bersten der Erde, Hoch Über 

Wut des befreiten Stroms, des 

ufervergessenen Meers und Sturz 

in den Abgrund Fall alles Festen, 

das Land von innen entzündet, 

Feuer und Wasser vereint zum 

Sturz in die Nacht aller Nächte. // 

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08 O dies Feuer, wie schlägt es empor 

aus der Asche, das wir verschüttet 

geglaubt, das heimlich glimmende, 

wenn dieser neue Mond rötet am 

das Antlitzt des Tages, 

09 ruhig kommt auf dem Hügel

hinter den Bäumen, die empor,

die ruhig die Gräber umstehn. 

5.12.51

 

  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Prosagedicht
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Fassung: Erste Fassung, Letzte Fassung
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: C-2-b/04
  • Seite / Blatt: 139, 140, 141 (oben)

Inhalt: Prosanotate, Briefe, 88 Entwürfe zu 75 Gedichten (15 Endfassungen)
Datierung: 12.11.1950 – 14.12.1951
Textträger: Rotes Notizbuch, liniert, Bleistift
Umfang: 144 beschriebene Seiten
Publikation: Verstreutes (3 Gedichte)
Signatur: C-2-b/04 (Schachtel 79)

Bilder: Ganzes Buch (pdf)
Spätere Stufen: Manuskripte 1948-51, Typoskripte 1948-50, Kutter
Kommentar: 29 Texte rhythmische Prosa, 20 gereimte Gedichte, 14 reine Prosanotate und Briefentwürfe
Deckblatt oben: Kuno Räber, Mitte: Begonnen am 12.11.50
Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften

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