Lieber Thomas,
heute dieser Abend ist
je wieder einer jener beängstigend
hell-warmen-feuchten, die es hier
bei Schirokko gibt. Wir Wir waren
in San Clemente: die Mosaiken
im Chor sind beleuchtet, in den
Blumenranken die reiche¿ Frucht-
körbe, Pfauen, Hirsche und mensch-
liche Figuren in frischen Farben
auf reinem Gold wie am ersten
Tag. Zum ersten Mal war ich //
in den unterirdischen Gewölben
der alten Basilika und im Mithras-
tempel: der Altar mit dem Re-
lief des stiertötenden Gottes dem
Hund, dem Skorpion und, den
Fackeltragenden Jünglingen
und der Schlange ist mitten in
der Höhle aufgerichtet, ganz in der
Apsis das Kultbild des Mithras:
ein aufrechter Jüngling mit phry-
gischer Mütze. Diese Die Heilig-
tümer dieser Religion seien
tümer dieser Religion waren immer
in Höhlen gewesen, so wie ja auch
die überall wiederkehrende Szene
fast genau gleich wiederkehrende Sze-
ne mit dem Stiertöter in einer
Höhle zu denken ist. (Eines dieser
Bilder, fast genau sah ich auch auf
einer Terracotta im Basler Museum) //
Diese Weisheit habe ich aus Burckhardts
„Konstantin“. Hier kam mir das
wieder in den Sinn. Du musst
das Buch einmal lesen, es bedeutet
doch wohl die Entdeckung der
Spätantike.
02 Hier macht man überall auf Plakaten
Propaganda für und gegen den Atlan-
tikpakt. Erstaunlich ist für uns
Schweizer, wie erbittert die Prinzipien
der Aussenpolitik umstritten sind.
Dies und die offenbar sehr unaus-
geglichene soziale Lage machen las-
sen – trotz De Gasperi – hier das uns
gewohnte politische Sicherheitsgefühl
schwer aufkommen.
03 Das ist aber altkluges Gerede. Hast
Du den Jünger-Artikel Kutters gelesen
und das zugehörige Buch „Waldgang“. //
Jünger fröhnt seiner Neigung zum Äus-
sersten, schreibt über interpretiert die
augenblickliche politische Lage auf d.
augenblickliche politische Lage ins pa-
thetisch-Katastrophale hin. Das
ist sehr unangenehm, eine Art verspä-
tete Pfadfinderei: Waldlauf und
Nummernspiel.
04 Grüsse die lorbeergeschmückte Vreni
von uns beiden und komm zu
Weihnachten nach Rom. Ob Du
bei uns wohnen kannst, steht
dahin, denn die Wohnung will und
will nicht fertig werden.
25.11.51