Dienstag, 01 Februar 1983

Frankfurt am Main I / Der Adler (B)

Von Wien
stieg er auf und über
dem Schwarzwald erschien er
als einheimischer Vogel und doch
05 war es vermutlich im persischen Hochland wo er
ausschlüpfte aus dem
Ei aber das ist
zu lange her über
Frankfurt steht er
10 seit einem halben Jahrtausend
von Zeit zu Zeit immer wieder und manche 
behaupten sogar sie hätten
ihn mit zwei Köpfen gesehen ein Fabel-
tier sei er damals gewesen doch seither
15 ist er ein einfacher
Vogel nun schon
lange allein und ohne
Genossen und findet
zwischen den Wolken-
20 kratzern sein altes
Nest St. Bartholomäus nicht mehr schon auf // 04
Goethe hatte er dort
nur noch exotisch
gewirkt wie aus einem fernen
25 Zwinger hergeflogen da fällt
eine Feder und dort
eine Feder herunter Passanten
lesen sie auf und erinnern
sich sie hätten ihn neulich
30 im Nordosten auf einem verschneiten
Sandplatz im Schnee
sitzen sehen abgemagert und heiss-
hungrig schnäbelnd wie lang
ists her dass er über den Toren der alten
35 Städte des Südens aus goldenen Tellern
frass und von Castel del Monte die Flotten
der Sarazenen die Segel
mit dem geflügelten Löwen erspähte dass er in der Grotte
am Palatin wohnte bequem 
40 und gefürchtet noch heute
schmerzt ihn der Rauch in den Augen
womit man ihn austrieb
doch auch über Frankfurt wird er sich nicht mehr
halten können schon bald
45 hat er alle Federn verloren man wischt sie ||
jeweils morgens um fünf Uhr
an der Konstabler-
wache vor der
Paulskirche zusammen er fällt
50 wenn er Glück hat am Römer
herunter ein kahles
ausgemergeltes Aas liest ihn ein Türke
vom Pflaster auf und wirft ihn zum übrigen
Müll in den Container.


Blatt 03 (A-5-h_03_325.jpg)

Frankfurt am Main B 1

I

Der Adler
 

Von Wien stieg 

stieg er auf und über 

dem Schwarzwald erschien er 

als einheimischer Vogel und doch 

05 war es vermutlich im persischen Hochland wo er 

ausschlüpfte aus dem 

Ei Aaber das ist 

zu lange her überÜber 

Frankfurt steht er 

seit
10   eineinem halbesn Jahrtausend und manche
von Zeit zu Zeit immer wieder und manche 

behaupten sogar, sie hätten 

ihn mit zwei Köpfen gesehen, ein Fabel-

tier sei er damals gewesen Dochdoch seither 

15 ist er ein einfacher 

Vogel nun schon 

lange allein und ohne 

Genossen und findet 

zwischen den Wolken-

20 kratzern sein altes 

Nest St. Bartholomäus nicht mehr schon auf // 

Blatt 04 (links) (A-5-h_03_326.jpg)

Ffm I B 2

Goethe hatte er dort 

nur noch exotisch 

gewirkt wie aus einem fernen 

25 Zwinger hergeflogen da fällt 

eine Feder und dort 

eine Feder herunter Passanten 

lesen sie auf und erinnern 

sich sie hätten im Nordosten ihn neulich 

30 im Nordosten auf einem verschneiten 

Sandplatz im Schnee 

sitzen sehen abgemagert
sitzen sehen ausgemergelt und heiss-

hungrig schnäbelnd wie lang 

ists her dass er über den Toren der alten 

35 Städte des Südens aus goldenen Tellern 

frass und von Castel del Monte die Flotten 

der Sarazenen die Segel 

mit dem geflügelten Löwen
des  heiligen  Markus  erspähte dass er in der Grotte 

am Palatin wohnte bequem 

40 und gefürchtet noch heute 

schmerzt ihn der Rauch in den Augen 

womit man ihn austrieb 

doch auch über Frankfurt wird er sich nicht mehr 

halten können schon bald 

45 hat er alle Federn verloren man wischt sie ||

Blatt 04 (rechts) (A-5-h_03_326.jpg)

 

jeweils morgens um fünf Uhr 

an der Konstabler-

wache anvor der 

Paulskirche
Kaiserstrasse zusammen er fällt 

50 wenn er Glück hat am Römer 

herunter ein kahles 

ausgemergeltes Aas liest ihn 

ein Türke 

vom Pflaster auf und wirft ihn 

zum übrigen 

Müll in den Container. 

1.2.83

 

  • Details:

    V. 38: Korrektur mit blauer Tinte

  • Besonderes:

    Verso: Typoskripte (WARTEN), durchgestrichen

  • Letzter Druck: Abgewandt Zugewandt 1985
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Schreibzeug: Tinte
  • Signatur: A-5-h/03_106
  • Seite / Blatt: 03, 04

Inhalt: 359 Manuskripte und 5 Typoskripte zu 131 Gedichten, Hochdeutsch + Mundart (42 Endfassungen)
Datierung: 21.8.1979-20.3.1983
Textträger: 282 Einzelblätter (A4-Format), bräunliches, angegilbtes Papier, z. T. Typoskript-Makulatur; schwarze Tinte (spitze Feder)
Umfang: 121 Dossiers, 369 beschriebene Seiten
Publikation: Abgewandt Zugewandt (87 Gedichte): Hochdeutsche Gedichte / Alemannische Gedichte
Signatur: A-5-h/03 (Schachtel 42)
Herkunft: Nr. 1-58: Mappe EG 81-82-83; Nr. 59-121: Mappe EG 82-83

Frühere Stufen: Notizbuch (Mundart) 1979-82, Notizbuch (Hochdeutsch) 1980-88,
Kommentar: Beschreibung
Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften; Reihenfolge entsprechend Datum und Zusammengehörigkeit modifiziert

Weitere Fassungen

Manuskripte 1979-83 (alph.)
(Total: 364 )
Manuskripte 1979-83 (Datum)
(Total: 364 )
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