Datiert: 1983

FRANKFURT AM MAIN I / Der Adler

Von Wien
stieg er auf und über
dem Schwarzwald erschien er
als einheimischer Vogel und doch
05 war es vermutlich im persischen Hochland wo er
ausschlüpfte aus dem
Ei aber das ist
zu lange her über
Frankfurt steht er
10 seit einem halben Jahrtausend
von Zeit zu Zeit immer wieder und manche
behaupten sogar er habe
eine zeitlang zwei Köpfe gehabt ein Fabel-
tier sei er damals gewesen doch seither
15 ist er ein einfacher
Vogel nun schon
lange allein und ohne
Genossen und findet
zwischen den Wolken-
20 kratzern sein altes
Nest St. Bartholomäus nicht mehr schon auf
Goethe hatte er dort
nur noch exotisch
gewirkt wie aus einem fernen
25 Zwinger hergeflogen da fällt 
eine Feder und dort
eine Feder herunter Passanten
lesen sie auf und erinnern
sich sie hätten ihn neulich
30 im Nordosten auf einem verschneiten
Sandplatz im Schnee
sitzen sehen abgemagert und heiss-
hungrig schnäbelnd wie lang 
ists her dass er über den Toren der freien
35 Städte aus goldenen Tellern //
frass und von Castel del Monte die Flotten
der Sarazenen die Segel
mit dem geflügelten Löwen erspähte dass er in der Höhle
am Palatin hauste bequem 
40 und gefürchtet noch heute 
schmerzt ihn der Rauch in den Augen 
womit man ihn austrieb 
doch auch über Frankfurt wird er sich nicht mehr 
halten können schon bald 
45 hat er alle Federn verloren man wischt sie 
jeweils morgens um fünf Uhr 
an der Konstabler- 
wache zusammen er fällt 
wenn er Glück hat am Römer 
50 herunter ein kahles 
ausgemergeltes Aas liest ihn ein Türke 
vom Pflaster auf und wirft ihn zum übrigen 
Müll in den Container.

  • Details:

    V. 01 Direktkorrektur: Von Wien stieg er auf / → Von Wien / stieg er
    V. 22 Direktkorrektur: dort nur / → dort /
    V. 33 Korrektur: schnäbeln → schnäbelnd 
    V. 39 Direktkorrektur: Grotte → Höhle
    V. 40 Direktkorrektur: wohnte bequem und gefürchtet / → hauste bequem /

  • Besonderes:


  • Letzter Druck: Abgewandt Zugewandt 1985
  • Textart: Verse
  • Datierung: pauschal (Konvolut)
  • Zyklus: ja
  • Schreibzeug: Schreibmaschine
  • Signatur: A-5-h/07_008
  • Seite / Blatt: 053, 054
  • Identisch mit: Hochdeutsche Gedichte 1985

Inhalt: 88 Typoskripte (Druckvorlage) zu 88 Gedichten + Nachwort (Essay); Inhaltsverzeichnis
Textträger: Einzelblätter (A4-Format)
Umfang: 14 Dossiers (232 Bll)
Publikation: Abgewandt Zugewandt: Hochdeutsche Gedichte / Alemannische Gedichte (88 Gedichte)
Signatur: A-5-h/07 (Schachtel 44)
Herkunft: Roter Umschlag: Abgewandt Zugewandt / (Druckmanuskript) / (116 SS.) / Kuno Raeber, Ainwillerstrasse 1, D-8000 München 40 / Tel 004989 /39 3351

Kommentar: Durchschläge (z.T. Kopien) mit Satzauszeichnungen; Titelei vom Verlag; oben Paginierung durch Raeber (3-116). Besonderheit: diphtongiertes "ië" bei den Mundartgedichten als überschriebenes "iö" dargestellt, z. t. mit Bleistift (Setzer) zu "ie" korrigiert (vgl. v.a. bei SCHTROOSS); auch Verdeutlichungen mit Bleistift.
Eine KOPIE des Druckmanuskripts (A-5-h/06), die Raeber bei sich behielt, enthält einige zusätzliche Korrekturen (vgl. Text-DETAILS).
(Umfassende Beschreibung)
Wiedergabe: Edierte Texte, Korrekturvermerke

Weitere Fassungen

Typoskripte 1983 (alph.)
(Total: 89 )
Typoskripte 1983 (Folge)
(Total: 89 )
Suchen: Typoskripte 1983