Montag, 27 Mai 1957

Das Glashaus

Nur dazu öffnen die Diener mein Glashaus,
zuweilen, damit sie
mich tragen sehr schnell hinauf in die Luft,
sodass mich beim Aufstieg oft die Zweige der Wipfel
05 schmerzhaft peitschen
und mir dann die Sinne taumeln,
fürchtend, ich falle gleich hinab in die Öllache
auf dem Boden vor der grossen Tankstelle.
Dort hupt man, dort ruft man
10 und hört nicht den Zank,
den die Nachbarsengel entfachen // 024
mit meinen Engeln
sodass sie mich fast fallen lassen,
Hinab und hinauf taumle ich so
15 hoch oben und schwitze an Hände und Füsse.
Aber drinnen im Glashaus nützt es mir wenig,
dass ich die Hand ausstrecke, um einen,
der draussen vorbeigeht, zu grüssen:
ich zerschlage die Wand zwar,
20 aber die Scherben werfe ich ihm zugleich ins Gesicht,
er läuft schleunig und grusslos
weg und wischt sich mit dem
Taschentuch das Blut von der Stirn.
Ich darf nur ganz vorsichtig
25 ein anderes Mal, die Hand ein wenig // 025
heben, wenn jemand mich grüsst,
darf nie die Scheibe vergessen.


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Das Glashaus

Nur dazu wird mein Glashaus öffnen die Diener mein

Glashaus,

zuweilen, damit sie

zur Erfrischung mich tragen sehr schnell hinauf

in die Luft,

sodass mich beim Aufstieg oft die Zweige der Bäume

Wipfel

05 schmerzhaft peitschen

und mir dann die Sinne sch¿ taumeln,

fürchtend, ich falle gleich hinab in die Öllache

auf dem Boden vor der grossen Tankstelle.

Dort hupt man, dort ruft man

10 und hört nicht den Zank,

den die Nachbarsengeln
den die Nachbarspagen¿ entfachen //

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mit meinen Dienern, Engeln

sodass sie mich fast fallen lassen,

Hinab und hinauf taumle ich so

15 hoch hin¿oben und schwitze an Hände und Füsse.

Aber drinnen im Glashaus nützt es mir wenig,

dass ich die Hand ausstrecke, um einen,

der draussen vorbeigeht, zu grüssen:

ich zerschlage die Wand zwar,

20 aber die Scherben werfe ich ihm zugleich ins Gesicht,

er wischt¿ wendet sich läuft schleunig und gruss-

los

weg und wischt sich mit dem

Taschentuch das Blut von der Stirn.

Ich darf s daran denken nur ganz
Ich muss daran denken und nur ganz vorsichtig ein

25 ein anderes Mal, die Hand ein wenig //

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heben, wenn jemand mich grüsst,

von wegen der Scheibe ., darf nie die Scheibe vergessen.

27.5.57

 

  • Details:

    V. 11 Emendation: Nachbarsengeln → Nachbarsengel

  • Letzter Druck: GEDICHTE 1960
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Fassung: Erste Fassung
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: A-5-d/01
  • Seite / Blatt: 023, 024, 025 (oben)

Inhalt: 39 Entwürfe zu 39 Gedichten, 1 Dramenkonzept (1 Endfassung), Motiv-Notizen
Datierung: 8.4.1957 – 14.6.1958
Textträger: Hellbraunes Notizbuch, Bleistift
Umfang: 130 beschriebene Seiten
Publikation: GEDICHTE (12 Gedichte), Verstreutes (3)
Signatur: A-5-d/01 (Schachtel 29)

Bilder: Ganzes Buch (pdf)
Spätere Stufen: Manuskripte 1957, 1958, Typoskripte 1957, 1958
Kommentar: ab S. 124 Motiv-Notizen
Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften (ohne die Motive)

Weitere Fassungen

Notizbuch 1957-58 (alph.)
(Total: 41 )
Notizbuch 1957-58 (Folge)
(Total: 41 )
Suchen: Notizbuch 1957-58