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Klappentext

New York, Konstantinopel, Rom, Venedig und Kalifornien sind die Schauplätze dieses vielschichtigen, an Phantastik reichen Buches. Der Gammler Alexius war vor seiner früheren Freundin Linda, der Tochter eines New Yorker Bestattungs­unternehmers, geflohen. Nun ist er nach Manhattan zurückgekehrt, kauert unter der Treppe des Leichenbestattungsinstituts. Niemand kennt ihn hier in Greenwich Village. Nur eine Katze besucht ihn mit einiger Regelmäßigkeit. Alexius erzählt dieser Katze sein Leben. Er erzählt es in immer neuen Varianten, weil er meint, die Katze – die ja wiederum er selber ist, Gegenüber, Beichtvater und Richter in einem – glaube ihm nicht, halte ihn für einen Lügner. Im Grunde weiß Alexius nicht, welches Leben er eigentlich gelebt hat. Er sieht sich in den verschiedensten Figuren, zu den verschiedensten Zeiten, an den verschiedensten Orten. Einmal ist er Johannes der Täufer, einmal der König Herodes, einmal Mitglied einer kalifornischen Hippiegruppe, einmal Spion der päpstlichen Inquisition, einmal Tiefseetaucher, einmal der letzte Doge von Venedig, einmal Teilnehmer an sadistischen Orgien in New York. Wer sich mit diesem schillernden Alexius auf die Reise begibt, muß darauf gefaßt sein, daß, beispielsweise, Johannes der Täufer wie ein listiger Guru vom Himalaya aussieht (und wie Ezra Pound in einem Käfig vegetiert), oder daß beim Jüngsten Gericht der Abtransport der Verdammten ganz selbstverständlich von Hubschraubern übernommen wird.

Kuno Raebers bisher umfangreichster Roman (in dem er den Stoff der römischen Alexius-Legende aufgreift) ist ein kühnes, ein außenseiterisches Buch. Unbeirrt von literarischen Moden hat Kuno Raeber hier eine Welt erfunden, die den Leser ebenso schockiert wie fasziniert.

Alexius unter der Treppe oder Geständnisse vor einer Katze / Roman

Darmstadt / Neuwied: Luchterhand 1973
Motto von Lorenzo Da Ponte
310 Ss, 69 Kapitel

auch in:
Werke in 7 Bänden (WA), Bd. 3

Den Leuten […] lag auf einmal nichts mehr daran, von der Stelle zu kommen. Einer schlug dem andern nicht nur, wie es in New York seit jeher Sitte gewesen, unverbindlich burschikos auf die Schultern, nein, sie unterfaßten sich, wie die Bewohner der Herzstädte, herzhaft; ein jeder zwang seinen Nächsten, indem er ihm ins Murrgesicht lachte, zum Gegenlachen. Ein Durcheinander­reden, beispiellos, ohne alle lang eingeübte Distanz und Förmlichkeit und Würde hob an. Jüdische Taxifahrer, weiße Verkäufer und Bankbeamte erlagen dem Zwang, die Bilder ihrer Frauen und Kinder, Eltern, Geliebten aus der Brieftasche zu ziehen und sie Negern und Puertorikanern, deren Zugehörigkeit zum Menschengeschlecht sie eben noch als eine absurde Erfindung subversiver Eier­köpfe betrachtet hatten, inständig-eindringlich unter die Augen zu halten, während sie ihnen zugleich ihr Leben, als gälte es, eine Generalbeichte abzulegen, pedantisch, ohne auch nur die geringste, die unerheblichste Einzelheit zu vergessen, erzählten.

Alexius, S. 235 (Alexiusfastnach)