Klappentext
Kuno Raeber [...] legt seinen ersten Roman vor. «Es gelang mir nicht mehr, sie (die Menschen und ihre Handlungen) mit dem vereinfachenden Blick der Gewohnheit zu erfassen.» Dieser Satz aus jener) Hofmannsthal-Stelle, die Raeber seinem Roman als Motto vorangesetzt hat, gibt den Schlüssel zu diesem Buch. Es wird nichts mehr mit dem vereinfachenden Blick der Gewohnheit erfaßt. Raeber löst sich von der traditionellen, vom perspektivischen Punkt des Erzählers aus organisierten Romanform zugunsten einer Erzählweise, in der er jede Person und jede Handlung in ein unmittelbares Verhältnis zueinander setzt. Es entsteht kein psychologischer Roman im überkommenen Sinne. Denn interessant sind für den Autor seine Gestalten nur in ihrer Bezogenheit auf das Grundproblem des Romans, die Frage nach Freiheit und Bindung.
So muß jede Inhaltsangabe allzusehr vereinfachen. Bindung bedeutet für die Gestalten des Buches, sich anheimzugeben jenem geheimnisvollen Orden der Konstantia, dessen Tun und Wirken zwar nie beschrieben, dessen verführerische Macht über alle jene, die es zu Unterwerfung und Einordnung treibt, aber um so sinnfälliger dargestellt wird.
Bei Isa, der wichtigsten der drei Hauptgestalten des Buches, geschieht es bis zur völligen Identifikation mit der heiligen Konstantia und bei Joel bis zur gefährlichen, wenn auch letztlich überwundenen Faszination durch den Orden. Olev aber ist die Gegenwelt, stark und sicher aus vitalem Instinkt, in Freiheit und Zauber des Abenteuers gefährdet, einsam, ohne – wie Joel – daran zu leiden.
Reflektierende Rede wird für die Gestalten des Buches zur Lebensform und so auch zur Form dieses Romans, einer Form der indirekt spiegelnden Selbstgespräche […]. Die einzelnen Augenblicke des Geschehens: die Begegnung lsas mit Joel, mit Olef im Schwimmbad, die Organisation der geheimbündlerischen Gesellschaft, die Petra im Namen der heiligen Konstantia um sich sammelt, die Herrschaft Olgas über die Bewohner ihres Hauses, sie sind nur die realen Spiegelungen des Vollzugs der ununterbrochenen Rede. […]
Die Lügner sind ehrlich / Roman
Hamburg: Claassen 1960
Motto von Hugo von Hofmannsthal ('Chandos') 151 Ss, 4 Teile, keine Kapitelzählung
auch in:
Werke in 7 Bänden (WA), Bd. 2
ISA FIEL IMMER HÄUFIGER HINAB IN DEN ABGRUND, DEN SIE aus Verlegenheit am ehesten als Vergangenheit bezeichnete. Aber es war in ihr selber dann jeweils, für diesen Augenblick, Gegenwart: eine Landschaft, deren Lage man nicht erkennen konnte.Das Licht war diffus und wechselnd und ließ keine Farbe richtig aufkommen, nicht einmal das Grau, obwohl die Neigung zum Grau unverkennbar war. Aber auch nicht mehr als eine Neigung. Es konnte sich alles immer wieder von Grund aus verändern