Diese Seite drucken
Datiert: 1958

Das Einhorn

Du hebst das Horn
und vergiftest die Winde, 
hebst es auf vor dem Wald, 
den versteckten 
05 Blüten, den Teichen mit Rosen, 
den Grotten voll von Lianen. 

Du senkst das Horn 
und dringst hinein in den Wald; 
da sind die Blüten verfault 
10 und verkohlt die riesigen Bäume. 
Der Teich ist ein Moor ohne Rosen, 
Moder die Grotten. 

Du musst aber weiter, du musst 
durch die Gänge, die gleich deinem Horn 
15 gewunden sind, doch nicht purpurn.  
Weh deinem Vlies: 
da drinnen liegt nicht Minotauros. 
Unter zerbrochnen 
Glasdächern uralter Fabriken 
20 bei rostroten Maschinen, 
die keiner mehr zu bedienen versteht, 
liegen die Mumien da, 

Könige aus Leder 
und Krokodile mit blätternden Schuppen, 
25 (Blätter, duftende Blüten),
Augen, offen und schimmlig //
(Im Teich die offenen Rosen).

Hebe wieder dein Horn, 
dann ist nur noch Staub, und du watest. 
30 Staub ist nur noch statt Moder. 
Statt Labyrinth, 
statt Mumien ist nur noch Staub. 
Und du watest bis zu den Knöcheln 
tief im flimmernden Staub, 
35 watest im Kreis und siehst 
überall eine Jungfrau.

  • Details:

    V. 15: doch nicht purpurn mit Bleistift unterstrichen, Fragezeichen arR
    V. 23: Könige aus Leder] Könige wie aus Leder (Verstreutes)

  • Besonderes:

    Blatt doppelseitig beschrieben

  • Letzter Druck: Verstreutes
  • Textart: Verse
  • Datierung: Jahresangabe
  • Strophen: ja
  • Schreibzeug: Schreibmaschine
  • Signatur: A-5-d/06_016

Inhalt: 21 Typoskripte zu 21 Gedichten (13 Endfassungen)
Datierung: 1958
Textträger: Einzelblätter (A4-Format)
Umfang: 23 Dossiers
Publikation: GEDICHTE (7 Gedichte), Verstreutes (1 Gedicht)
Signatur: A-5-d/06 (Schachtel 37)
Herkunft: Rote Mappe 1958 G

Kommentar: Dossier 1:Titelliste für NZZ, Merkur, Hess. Rundfunk; alle Blätter signiert mit: Kuno Raeber, 1958
Wiedergabe: Edierte Texte

Weitere Fassungen