Kein Datum ! . . . ( 11.08.1951 *)

Der Schwan

Wenn er tunkt das Haupt ins untere Wasser,
sieht er dort die ganze Welt
um Gebirg und Bäume stehn,
um Gebirg und Bäume wandeln
05 dort den Kämpfer, Lorbeer pflückend,
und am Ufer stehn, die sich umarmen:
wenn er tunkt das Haupt ins untere Wasser.

Wenn er hebt das Haupt aus unterem Wasser,
sieht er hoch den ganzen Himmel
10 um die Sonnen und die Monde stehn,
um die Sonnen und die Monde wandeln
dort den Sieger mit dem Silberzweig
und am Lichtstrom schauend stehn den Weisen:
wenn er hebt das Haupt aus unterem Wasser.

15 Wenn er tunkt das Haupt ins untere Wasser,
sieht er dort die ganze Welt,
sieht er dort den ganzen Himmel,
einen Abglanz von den Sonn und Monden,
wandeln um Gebirg und Baum,
20 sieht den Sieger mit dem Silberzweig
jenem lächeln, der den Lorbeer pflückt,
und den Weisen über der Umarmung
sieht er widerlächeln in der Woge:
wenn er tunkt das Haupt ins grüne untere Wasser. // 02

25 Wenn er tunkt das Haupt ins untere Wasser,
lockt Gebirg und Baum, dass er sich niedersenke.
Wenn er hebt das Haupt aus unterem Wasser,
locken Sonn und Monde, dass er sie umkreise.
Aber, schwachen Atems, kann er nimmer tauchen,
30 schwacher Flügel trägt ihn nicht empor:
wenn er hebt das Haupt aus unterem Wasser.

Wenn er hinschwimmt auf dem unteren Wasser,
der Gespräche stiller Zwischenlauscher,
weiss er jedes Bild und Spiegelbild,
35 selber unbekannt der Höh und Tiefe,
bis am Abend im Gebüsch des Ufers
bricht aus weisser Brust, was er erfuhr,
weher Sang, den Winden übergeben:
als er hinschwamm auf dem unteren Wasser.

  • Details:

    V. 06 Korrektur: Wasser → Ufer
    V. 26, 28 lockt / locken] Endungen von Kutter mit Bleistift unterstrichen

  • Besonderes:

    Durchschlag (Lieferung Ia, 11.8.1951); 2 Bll. (Bl. 2 numeriert)

    Markus Kutter an Raeber, 16.8.1951:

    Der Schwan scheint mir von diesen Gedichten überhaupt mit Abstand das reichste und sicherste; bei ihm wird das Kreisprinzip (Uebereinstimmung des ersten und letzten Verses) zu einer richtigen musikalischen Besessenheit; es ist Dir gelungen, einen Hin- und Rückgesang zu schaffen, dessen Aussage noch mehr durch die Melodie der Worte als ihren sprachlichen Ausdruck, das heisst ihre direkte Bedeutung, getragen wird. Ich meine das so, wie es bei Mallarmé gewisse Gedichte gibt, die schon beim ersten Anhören auf musikalischem Weg eine Aussage vermitteln, die sich nachher bei genauer Betrachtung als dieselbe herausstellt, die von den Worten gegeben wird.

  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Verse
  • Datierung: ohne Datumsangabe
  • Strophen: ja
  • Schreibzeug: Schreibmaschine
  • Signatur: E-03-A-01/j
  • Seite / Blatt: 01, 02
  • Identisch mit: Typoskripte 1951

Inhalt: Typoskripte zu 122 Gedichten (7 Endfassungen)
Datierung: 1950 – 1954
Textträger: Einzelblätter (A4-Format)
Umfang: 10 Dossiers: 1/a (I, 17.4.1951), 1/j (Ia, 11.8.1951), 1/d (II, 1952), 1/b (III, 1952), 1/c (IV, 3.8.1952), 1/e V (Dez. 1952), 1/g (VI, 2.7.1953), 1/h (VII, Okt. 1953), 1/f (VIII, Dez. 1953), 1/i (IX, März 1954)
Publikation: Die verwandelten Schiffe (18 Gedichte); Verstreutes (11 Gedichte)
Signatur: E-03-A-01/a-j (Schachtel 147)
Herkunft: Sammung Markus Kutter

Kommentar: Beschreibung. Texte Dossier /a übereinstimmend mit Sammlung Georgi I (Werke 5, S. 28-36)
Wiedergabe: Edierte Texte

Weitere Fassungen

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