Donnerstag, 21 Februar 1946

Clemens Brentano.

Tänzer auf flimmerndem Seil im gelben Zwielicht des Zeltes, hoch über wilder Musik schritt er behend, über der schnaubenden Jagd schwarzer Pferde mit silbernen Mähnen, über Wolken rötlichen Staubes.

02 Schreiten musste er stets, tanzen auf unverlässlichem Tau, jede Bewegung erwägend, ob sie ihn weiter leite den schaukelnden Pfad, ob sie ihn stürze in wirre, nie ganz unterschiedene Tiefe.

03 Oben im First des Zeltes, am hohen Mast, da drehte sich die glänzende Kugel, gefügt aus kleinen, metallnen Quadraten, und fing durch bunt verglaste Lukarnen die Sonne, warf sie in den dämmernden Raum wie farbige Blüten, wie sanfte Wirbel von Opalen, Smaragden, Demanten.

04 Wenn er nur hinaufsehen dürfte, für eines Augenblicks Hälfte hinaufsehn zu diesem Wundergestirn, das oft violett erglomm, gleich den schönen Käfern am Lattich, die er als Knabe gesammelt, oft rot wie Astern am Abend im Herbst, eidechsgrün endlich, gelb auch und blau. – – – –

05 Böse Wahl zwischen Dunkelschlund und Ekstase: noch, noch geht er, sieh, noch wiegt er den weissen, biegsamen Stab in den Händen und tanzt und lächelt. Aber es lauscht seine furchtsame Seele, es lauschen der Sinne innerste stets auf jede Regung des Taus: schwingender, leichter, mühsamer, mühsamer Gang!

06 Wie hält er den Blick, dass er ihm, lange schon flügge, nicht plötzlich entweicht zu des Schimmerplaneten lockender Drehung?

07 Nicht lange mehr hält über schaukelndem Tau des Willens dürftig geschmiedeter Käfig gefangen den starken, verschlagenen Drang: genau fand er aus die schwächsten der Stäbe.

08 (Bleibe Aug' auf dem Stabe, bleib' auf dem Seil:) Purpurn braust es herauf aus drehendem Grunde. Es wandelt der Raum vom Amethyst zum Rubin. – – – –

09 Wer fängt den Tänzer im Fall, wenn das Tau ihm zu schmal wird? Wer fängt den von innen verbrannten, den stürzenden Sperling im Fall?

  • Details:

    Korrektur in Absatz 3: da drehte sich die metallene / Kugel, aus gefügt aus kleinen glänzende Kugel,
    Korrektur im letzten Absatz: Wer hält → Wer fängt

  • Besonderes:

    Durchschlag mit Direktkorrekturen und Tintenkorrektur

  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Prosagedicht
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Fassung: Erste Fassung, Letzte Fassung
  • Schreibzeug: Schreibmaschine
  • Signatur: A-5-b/01_018
  • Seite / Blatt: 01
  • Werke / Chronos: 27

Inhalt: 22 Typoskripte zu 21 Gedichten (17 Endfassungen)
Datierung: 16.7.1943 – 24.5.1946
Textträger: Einzelblätter (A4-Format)
Umfang: 43 Bll
Publikation: Verstreutes (1)
Signatur: A-5-b/01 (Schachtel 30)
Herkunft: gräulich-grüne Mappe: (Gedichte 1944/45)

Wiedergabe: Edierte Texte

Weitere Fassungen

Blättern zurück / vor: « Gesicht Die Insel / 1 »
Typoskripte 1943-46 (alph.)
(Total: 22 )
Typoskripte 1943-46 (Datum)
(Total: 22 )
Suchen: Typoskripte 1943-46