Endfassungen
„Und wer in den Schlaf sich stürzen will…*“ (Lorca)
„Und wer in den Schlaf sich stürzen will,
verletzt sich die Füsse an einer Rasiermesserschneide“;
wer aus der düsteren Tür seines Wachens
auf den Lavamittag der Schwelle heraustritt,
05 den schneidet in den nackten Fuss seines Auges
das Messer der Flamme, die von der Kohle
züngelt und den Falter verbrennt:
Die Amselkohle steigt, gemehrt um des Wurms
verhinderten Flug; die Schnabelflamme
10 zittert, unersättlich, jetzt im Gesang
und schneidet nochmals, schneidet jetzt
in den anderen nackten Fuss, den Ohrfuss,
der sich aus der düsteren Tür seines Wachens
nachstürzen will in des brodelnden
15 Schlafmittags Lava.
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- Konvolut: Typoskripte 1955
- Details: V. 08 Direktkorrektur: Winters → Wurms
- Besonderes:
Typoskript + 2 Durchschläge
Zu den Motiven vgl. Raebers Notizbuch-Notate zu Lorca und Musil (NB 1954-55) - Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: nur Jahr
- Fassung: Letzte Fassung
- Schreibzeug: Schreibmaschine
- Signatur: A-5-c/12_006
- Seite / Blatt: 01
- Werke / Chronos: Bd.7, 73 / Dieses enorme Gedicht, 72
(Der Hirt I) Eidyllion (A)
Wo der Käfer klimmt den Halm empor
und metallen glänzt des Rückens Kuppe
immer näher zu der zarten Dolde:
beugt der Hirt sich nieder, schaut, verhält behende
05 des grossen Hundes Maul, dass er nicht belle,
nicht belle jetzt und treibe auf die Herde.
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- Konvolut: Manuskripte 1953
- Besonderes: Verso: angefangener hs Briefentwurf, (Mein lieber Ferdinand, 27.4.1953), durchgestrichen
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Letzte Fassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: A-5-c/05_002
- Seite / Blatt: 01
(Gläserne Türme, durchsichtig)
Durchsichtig die Türme,
bis in die Spitzen voll Wasser.
Dennoch die Steppe
trocken ringsum:
05 Die Rohre sind alle verstopft.
Ein Schwan mit
Rosaflügeln. Die Federn
fallen ihm aus, sie schwimmen,
Seerosenblätter, im Teich.
10 Die weissen
Schwäne, wissend die Norm ihrer Schönheit,
vermeiden sie schaudernd. // 013
Ich habe meinen Mörder gefunden,
er lässt mir Zeit, mich zu fürchten,
15 zu flüchten, wie es sich schickt.
Er wird mich fassen
mit seinen Händen und würgen,
wenn es Zeit ist,
wie es sich schickt.
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- Konvolut: Notizbuch 1961-65
- Details: Titel in Klammern; ev. ursprünglich als erste Zeile
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Erste Fassung, Letzte Fassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: A-5-e/06
- Seite / Blatt: 012, 013
(Pächsee) Gschleipf (A)
[ Är heiges
Gschleipf ond hötterli dorom
nor emmer ede
andere noche em Hufe ond chönn
05 dorom weler es Gschleipf heig
ned zvorderscht am Hufe
laufe ond chäm
emmer zletscht ond
emmer zschpot hender allne
10 andere noche weler es Gschleipf heig ond wenn si de einisch
öbernes Högerli tägid
schtörchle ond alli
zäme abe tägid
gheie e Pächsee wo schwarz
15 esch ond fürig ond wommer
dren ned cha schwemme
weler es Gschleipf heig ]
- Details
- Konvolut: Manuskripte 1979-83
- Details: V. 12 Emendation: schtörchli → schtörchle
- Besonderes: Text durchgestrichen
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Letzte Fassung
- Mundart: ja
- Schreibzeug: Tinte
- Signatur: A-5-h/03_111
- Seite / Blatt: 01
Abend
Woge golden heran und
golden heran und nochmals
heran und golden
die Scheibe des Fensters.
05 Lautloses Klirren.
Erloschen.
- Details
- Konvolut: Reduktionen 1981
- Letzter Druck: Reduktionen 1981
- Textart: Verse
- Datierung: pauschal (Konvolut)
- Fassung: Letzte Fassung
- Seite / Blatt: 31
- Textnummer: 021
- Werke / Chronos: Bd.1, 211
ABEND
Ich sitz am Säulenstumpf der Nacht und werfe
nach dem Polypen, der gen Westen sinkt,
das Netz und fange schließlich nur den Mond:
sein Schwimmen ohne Flossenregung tröstet
05 mit vieler Sternenfische Liderschlagen
gar bald mich, wenn ich leise aus der Flut
die Beute zieh zum Säulenstumpf der Nacht.
- Details
- Konvolut: Die verwandelten Schiffe 1957
- Letzter Druck: Die verwandelten Schiffe 1957
- Textart: Verse
- Datierung: pauschal (Konvolut)
- Fassung: Letzte Fassung
- Seite / Blatt: 09
- Textnummer: 003
- Werke / Chronos: Bd.1, 29
- Nachdruck: Die skeptische Landschaft. Leipzig 1988, S. 138
Abend auf der Piazza Colonna (**)
Umgestürztem Becher gleich,
leergetrunken tropft der Himmel,
grün mit letzter Spur der Sonne
auf den Platz, der fieberbleich
05 flüchtet, am Portal zu kaun,
geil verbrennt in roten Lichtern
des Theaters, feig sich klammert
an die Wagen: nicht zu schaun
Schlund der Nacht und Morgengraun.
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- Konvolut: Typoskripte 1952
- Besonderes: Durchschlag, Tintendatierung: 1952
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: nur Jahr
- Fassung: Letzte Fassung
- Schreibzeug: Schreibmaschine
- Signatur: A-5-c/04_035
- Seite / Blatt: 10
- Werke / Chronos: Bd.7, 63
Abend lau im Sommer …*
Abend lau im Sommer, wo sich die Schönen gatten, die Schönen in den Gärten unter Düftebüschen, wo sie der Mond – der Hüter allen Rausches – freudig sieht: dies ist stets alles gleich. Und was denn kann sich ändern, solang die Schönen noch sich lieben in der Nacht? Und stets die Wege lang geht noch der wache Geist, der Seher aller gültigen Dinge: aus ihm gewinnen sie die Wohlgestalt, in ihm sind sie Musik; Musik die bleibt.
02 So ist der Gänger da, der Fremdling auf den Wegen, auf den Wegen der Jahrtausende, immer noch geht er und sieht die Schönen // 063 und das Gestirn, das sie beglückt: So sind die Schatten und das Licht bezeugen sich noch ihre Gegenwart, das stets das eine ist, wenn auch das andre blieb.
- Details
- Konvolut: Notizbuch 1949
- Besonderes: Letzter Satz verworren
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Prosagedicht
- Datierung: vollständig
- Fassung: Erste Fassung, Letzte Fassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: C-2-b/02
- Seite / Blatt: 062, 063 (oben)
Aber der Garten braucht geduldige Wartung …*
Aber der Garten braucht geduldige Wartung …
- Details
- Konvolut: Notizbuch 1948-49
- Details: Emendation: Der → der
- Besonderes: Einzeiliger Ansatz
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: fehlt
- Fassung: Erste Fassung, Letzte Fassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: C-2-b/01
- Seite / Blatt: 007 (Mitte)
Aber dieses auszudenken …*
Aber dieses auszudenken,
was uns bitterlich beraubt,
Wagen aus dem Weg zu lenken,
Masten in die Flut zu senken;
05 wer nur hätte früh geglaubt:
dass des Mittags Gold beschiene
dieses Schloss nur als Ruine
und den Garten ganz entlaubt.
- Details
- Konvolut: Notizbuch 1950-51
- Details: V. 06 Emendation: der Mittags → des Mittags
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Erste Fassung, Letzte Fassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: C-2-b/04
- Seite / Blatt: 114 (unten)
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