Montag, 05 Mai 1958

Flug über den Athos

Warum flogen nicht Kaiser Rudolf und Tycho
Brahe vom Hradschin hinaus in den Weltraum?
Warum nahmen sie nicht aus ihrem
Wunderkabinett eine Kugel
05 – von buddhistischen Mönchen in China
konstruiert – und flogen damit zum Mond?:

Sie hätten sich nicht gewundert;
denn sie waren auf alles gefasst.
Besser gefasst als wir,
10 die sich schon fürchten im Flugzeug über den Athos zu fliegen.
Nicht wegen der Löcher, // 062
in die es manchmal plötzlich hinabsackt.
Da gibt es höchstens Angst vor dem Tod,
Angst des Leibs und der Seele.

15 Die Geistesangst ist es, einfach
schamlos hinweg über den Giganten zu fliegen.
Zu wissen, dass Alexander von Norden
hier ans Meer kam,
dass Stasikrates ihn hier stehn sah:
20 Hinabstürzen in eines
der Sauglöcher, zerschellen
am Gipfel wär es nicht besser,
als so hinwegfliegen // 063
über den König, der Halt macht
25 nochmals für einen Augenblick,
bevor er zum Euphrat und nach Indien aufbricht?

Wir fliegen über Alexanders, des andern 
Dionysos Haupt. 
Wir rüsten die Boote zur Fahrt 
30 zum Uranos, zur Selene. 
Warum wir, warum nicht Rudolf 
und Tycho Brahe vom Hradschin? 
Sie waren auf alles gefasst. Und besassen
den geheimen Einhauch der Götter. // 064

35 Wir aber fürchten uns
schon zu fliegen über den Athos:
Nicht Angst des Leibs und der Seele,
Geistesangst ist es, einfach
schamlos hinweg über den Giganten zu fliegen.
40 Warum denn wir, warum
nicht Kaiser Rudolf und Tycho Brahe vom Hradschin?


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Flug über den Athos

Warum flogen nicht Kaiser Rudolf und Tycho

Brahe vom Hradschin hinaus in den Weltraum?

Warum nahmen sie nicht aus ihrem

Wunderkabinett eine Kugel

05 – von buddhistischen Mönchen in China

konstruiert – und flogen damit zum Mond?:

Sie hätten sich nicht gewundert;

denn sie waren auf alles gefasst. 4.V.58

Besser gefasst als wir,

die sichschon
10 die sich  fürchten im Flugzeug über dem Athos.
zu fliegen.

über dem

Nicht wegen
Nicht  vor denr Löchernr, //

Seite 062 (A-5-d_01_062.jpg)

in die es manchmal plötzlich hinabsackt.

Da gibt es höchstens Angst vor dem Tod,

Angst des Leibs und der Seele.

15 Die Geistesangst ist es, einfach

schamlos hinweg über den Giganten zu fliegen.

Zu wissen, dass Alexander von Norden

hier ans Meer kam,

dass Stasikrates ihn hier stehn sah:

Davor sind wir ohne Fassung

20 Hinabzustürzen in eines

der XSauglöcher Löcher, zerschellen

am Gipfel wär es nicht besser,

als so hinwegzufliegen über den Giganten, //

Seite 063 (A-5-d_01_063.jpg

über den König, der Halt macht

und sich nochmals

25 nochmals für einen Augenblick,

bevor er zum Euphrat und nach Indien aufbricht?

Wir sind Götter geword

Wir fliegen über Alexanders, des andern 

Dionysos Haupt. 

Wir rüsten die Boote zur Fahrt 

30 zum Uranos, zur Selene. 

Warum wir, warum nicht Rudolf,

und Tycho Brahe vom Hradschin,? 

Sie waren auf alles gefasst. Und besassen

den geheimen Einhauch der Götter. //

Seite 064 (A-5-d_01_064.jpg)

35 Wir aber fürchten uns , hilflos,

schon zu fliegen über den Athos:

Nicht Angst des Leibs und der Seele,

Geistesangst ist es, einfach

schamlos hinweg über den Giganten zu fliegen.

Warumdenn
40 Warum  wir, warum

nicht Kaiser Rudolf und Tycho Brahe vom Hradschin?

5.V.58

 

  • Details:

    V. 10 Emendation: dem → den

  • Besonderes:

    Vgl. die Notiz, S. 125: Rudolf II. liebt Hadrian, alle Merkwürdigkeiten <Zwerge, Riesen, Skorpione, siamesische Zwillinge, Zaubersteine, magische Geräte, Labyrinthe, Musikautomaten, Uhren, Versteinerungen, Spiegel> (Wunderkabinett), lässt sich buddhistische Miniaturen und Merkwürdigkeiten aus Indien bringen. Mit Tycho Brahe Sternbeobachtung.
    (Hocke I. S. 158-59) 13.IV.58

    und die Notiz, S. 128:
    Der Architekt Dinokrates wollte dem Berg Athos das Aussehen eines Giganten geben, Stasikrates wollte ihn in eine Riesenstatue Alexanders des Grossen verwandeln.
    (Hocke I S. 86) 7.IV.58

  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Fassung: Erste Fassung
  • Strophen: ja
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: A-5-d/01
  • Seite / Blatt: 061, 062, 063, 064

Inhalt: 39 Entwürfe zu 39 Gedichten, 1 Dramenkonzept (1 Endfassung), Motiv-Notizen
Datierung: 8.4.1957 – 14.6.1958
Textträger: Hellbraunes Notizbuch, Bleistift
Umfang: 130 beschriebene Seiten
Publikation: GEDICHTE (12 Gedichte), Verstreutes (3)
Signatur: A-5-d/01 (Schachtel 29)

Bilder: Ganzes Buch (pdf)
Spätere Stufen: Manuskripte 1957, 1958, Typoskripte 1957, 1958
Kommentar: ab S. 124 Motiv-Notizen
Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften (ohne die Motive)

Weitere Fassungen

Notizbuch 1957-58 (alph.)
(Total: 41 )
Notizbuch 1957-58 (Folge)
(Total: 41 )
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