
Chiron und Achill
Chiron, legt die Leier beiseite:
Ich glaube, ich habe dich jetzt alles gelehrt, was
ich dich lehren kann.
Achill: Heisst das, dass du jetzt nicht mehr mit mir
sprechen willst?
Chiron: Sicher nicht. Aber es ist nicht mehr
nötig, so, wie es diese drei Jahre lang
vielleicht nötig war.
Achill: Nein, erst jetzt fängt unser Gespräch an
interessant zu werden, seit vierzehn Tagen,
als du die Leier das erste Mal beiseite
legtets.
Chiron: Nur die Leier konnte ich dir dich lehren. //

Daran hatte unser Gespräch Halt. Ohne be-
darf dürfte es eines Einsatzes, eines Auf-
wands, von deiner und meiner Seite, von dem
ich nicht weiss, ob du bereit bist, ihn zu
leisten. Und ich glaube auch gar nicht, dass
du ihn leisten sollst. Ich habe erreicht, was
ich wollte, was ich erhoffen durfte: du
brauchst mich nicht mehr.
Achill: Du willst mich verlassen?
Chiron: Und dabei bist du, genau genommen,
der, welcher den Abschied will. Nur weil
du jung und zutraulich bist und weil
man dir viel von Dankbarkeit und Pi-
etät und Freundestreue gesprochen hat, //

willst du es dir im Augenblick noch nicht
zugeben. Aber das gibt sich schnell: Es
ist genau umgekehrt: ich bin der, welcher
dich bitten möchte, dessen Innerstes bittet,
den Abschied hinaus aufzuschieben, mit
mir noch weiterzuleben wie bisher.
Achill: Aber das will ich doch.
Chiron: Es ist nicht möglich, nachdem ich die
Leier einmal weggelegt habe. –
Du schaust mich an? Stört dich, dass ich ein
Kentaur bin? (Er wendet sich zur Höhle.)
Achill: Du gehst?
Chiron: ruft zurück: Behalte die Leier, ich schenke
sie dir.
1.12.56