Donnerstag, 08 Dezember 1949

Walter G. sprach mir gestern von meinen Gedichten …*

Walter G. sprach mir gestern von meinen Gedichten. Insbesondere über jene Aufstiegszene, die endet // 006 mit den Worten: „… und unverletzte Gärten auf den Inseln“. Es schienen ihm gerade diese letzten Worte bezeichnend für meine Versuche, von denen er meint, sie seien bedeutend. Sei dem wie immer mit Walter G., meine Stellung zu ihm ist mir doch noch sehr unklar, auch weiss ich noch nicht, was ich von seinem Geistigen zu halten habe. Seine Ausbildung scheint, wie die vieler begabter Mediziner, sehr hinter seiner Sensibilität zurückzustehen. Doch dies scheint er, das glaubte ich immer, zu haben: Gespür für das Eigentliche. Insofern ist mir seine Sympathie für meine Verse doch sehr wertvoll, sehr erfreulich, Ausweitung // 007 des Raumes, darin man lebt und gehört wird.

02 Er sprach mir auch über die Labilität des Selbstbewusstseins, die stete Gefährdung des Glaubens an die eigene Produktivität als eine der wichtigsten Bedingungen dieser Produktivität. Eine Problemstellung, die bei ihm zu finden mich sehr erstaunte, freudig erstaunte. Da sie mir bestätigte, dass er zu meinen entscheidenden Anliegen einen Zugang hat. Das ist ja unter Menschen sehr selten auf den ersten Anhieb. Er war imstande, auch dies aus den Versen zu lesen. Und dazu, scheint mir, braucht es doch einen überdurchschnittlichen // 008 Grad der Einfühlungsgabe.


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Walter G. sprach mir gestern 

von meinen Gedichten. Insbesondere 

über jene Aufstiegszene, die endet //

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mit den Wor¿ Worten: „… und un-

vert verletzte Gärten auf den In-

seln“. Es schienen ihm gerade 

diese letzten Worte bezeichnend 

für meine Versuche, von denen er 

meint, sie seien bedeutend. 

Sei dem wie immer mit Walter G., 

meine Stellung zu ihm ist mir 

doch noch sehr unklar, auch weiss 

ich noch nicht, was ich von sei-

nem Geistigen zu halten habe. 

Seine Ausbildung scheint, wie die 

vieler begabter Mediziner, sehr 

hinter seiner Sensibilität zurück-

zustehen. Doch dies scheint er, 

das glaubte ich immer, zu haben: 

Gespür für das Eigentliche. In-

sofern ist mir seine Sympa-

thie für meine Verse doch sehr 

wertvoll, sehr erfreulich, Aus-// 

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weitung des Raumes, darin man 

lebt und gehört wird. 

Er sprach mir auch über die Labi-

lität des Selbstbewusstseins, die 

stete Gefährdung des Glaubens 

an die eigene Produktivität 

als eine der wichtigsten Bedin-

gungen dieser Produktivität. 

Eine Problemstellung, die bei 

ihm zu finden mich sehr er-

staunte, freudig erstaunte. 

Da sie mir bestätigte bestätigte, 

dass er zu meinen entscheidenden 

Anliegen einen Zugang hat.  

Das ist ja unter Menschen sehr 

selten auf den ersten Anhib 

Anhieb. Er war imstande, 

auch dies aus den Versen zu le-

sen. Und dazu, scheint mir, 

braucht es doch einen überdurch-//

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schnittlichen Grad der Einfüh-

lungsgabe. 

8.12.49

 

  • Besonderes:

    Gleicher Text wieder im Tagebuch, 8.12.1949

  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Prosanotat
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: C-2-b/03
  • Seite / Blatt: 005 (unten), 006, 007, 008 (oben)

Inhalt: Notizen, Prosa, 71 Entwürfe zu 54 Gedichten (8 Endfassungen)
Datierung: 7.12.1949 – 10.11.1950
Textträger: Blaues Notizbuch, liniert; Bleistift
Umfang: 144 beschriebene Seiten
Publikation: Gesicht im Mittag (7 Gedichte), Verstreutes (3 Gedichte)
Signatur: C-2-b/03 (Schachtel 79)
Bilder: Ganzes Buch (pdf)

Spätere Stufen: Manuskripte 1948-51, Typoskripte 1945-50, 1948-50, Kutter
Kommentar: 9 Texte rhythmische Prosa, 21 reine Prosanotate, 1 Briefentwurf
Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften (3 private Prosanotate nicht erschlossen)

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