Mittwoch, 21 Dezember 1949

Morgens Wachstum neuerer Gesichte …*

Morgens Wachstum neuerer Gesichte
auf der stillen Höhe fällts uns an.
Doch merkt ihr nicht, wie schon von unten brausen 
die bunten Wiesen und die saftigen Hügel 
05 o, jene, die bedrängt die Menschenlust, 
der süssen Seele und des jugendlichen Leibes: 
O Jünglinge, es sind in euch zwei Alter 
vereint; die Mönche rufen aus der alten Zeit, 
die Eremiten locken aus den Höhlen 
10 der Wüste in die geläuterte Verzückung, 
ins Schweigen, dass das Innerste erblühe. // 030 
Und es rufen die ältern noch, die 
Schiffer von den Küsten, die unschuldigen 
Hirten und hinaus aus den fruchtbarn Ländern, 
15 den reichen Inseln in dem Zwischenmeer: 
in die Wonne des allerersten Lebens, 
der glühenden Umarmung und der irdischen Zeugung. 
Den beiden seid ihr, Enkel, noch verpflichtet, 
und eure Ehrfurcht neigt sich beiden zu. 
20 Nehmt alles Mass aus euch, sitzt bei den 
Mönchen des Morgens und geht zum Hirten, wenn der Abend kommt: 
betrachtet die sieben Sphären, dringt // 031 
zur äussersten, darin der Eine alles stets bewegt, 
und gebt euch dann der menschlichen Liebe, 
25 darin allein der Gott dem Menschen eigen wird. 
Gehört den einen und gehört den andern: 
den beiden fremd zugleich, die euch misstrauen. 
Bewegt mit immer neu erkanntem Mass 
nach hier und dort um eure eigne Mitte, 
30 die schwache, die Mitte nur allein ist, weil ihr seid, 
nichts ihr und darum alles, seid.


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Morgens Wachstum, neuerer Gesichte 

die in Flucht geschlagen durch 

auf   der
auf jener stillen Höhe fällts uns an. 

Doch merkt ihr nicht, wie schon von unten 

brausen 

die bunten Wiesen und die saftigen 

Hügel 

05 o, jene, die bedrängt die Menschen-

lust, 

der süssen Seele und des jugendli-

chen Leibes: 

O Jünglinge, es sind in euch zwei 

Alter 

vereint; die Mönche rufen aus der 

alten Zeit, 

die Eremiten locken aus den Höhlen 

10 der Wüste euch in die geläuterte Ver-

zückung, 

ins Schweigen, dass das Innerste er-

blühe. //

Seite 030 (C-2-b_03_030.jpg)

Und es rufen die ältern noch, die 

Schiffer von den Küsten, die unschuldi-

gen 

Hirten und hinaus aus den fruchtbarn
Hirten und hinaus aus den uner¿ 

Ländern, 

15 den reichen Inseln in dem Zwischen-

meer: 

in die Wonne des allerersten Lebens, 

der glühenden Umarmung und der 

irdischen 

Zeugung. 

Den beiden seid ihr, Enkel, noch ver-

pflichtet, 

und eure Ehrfurcht neigt sich bei-

den zu. 

20 Nehmt alles Mass aus euch, lebt bei 

sitzt bei den 

Mönchen des Morgens und geht zum 

Hirten, wenn der Abend kommt: 

betrachtet die sieben Sphären, dringt //

Seite 031 (C-2-b_03_031.jpg)

zur äussersten, darin der Eine alles 

stets bewegt, 

und vereint gebt euch dann
und vereint gebt euch ganz der menschli-

chen Liebe, 

25 darin allein der Gott dem Menschen 

eigen wird. 

Gehört den einen und gehört den an-

dern: 

den beiden fremd zugleich, die euch miss-

trauen. 

Bewegt mit immer heller Mühe neu erkann-

tem Mass 

nach hier und dort um eure eigne
nach hier und dort um eure schwache 

Mitte,

die schwache, die niemals mitte niemals
30 die schwache, die niemals Mitte ist war

Mitte nur allein ist, weil ich ihr 

seid, 

nichts ihr und darum alles, seid. 

21.12.49

 

  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Fassung: Erste Fassung
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: C-2-b/03
  • Seite / Blatt: 029, 930, 031

Inhalt: Notizen, Prosa, 71 Entwürfe zu 54 Gedichten (8 Endfassungen)
Datierung: 7.12.1949 – 10.11.1950
Textträger: Blaues Notizbuch, liniert; Bleistift
Umfang: 144 beschriebene Seiten
Publikation: Gesicht im Mittag (7 Gedichte), Verstreutes (3 Gedichte)
Signatur: C-2-b/03 (Schachtel 79)
Bilder: Ganzes Buch (pdf)

Spätere Stufen: Manuskripte 1948-51, Typoskripte 1945-50, 1948-50, Kutter
Kommentar: 9 Texte rhythmische Prosa, 21 reine Prosanotate, 1 Briefentwurf
Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften (3 private Prosanotate nicht erschlossen)

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