Die Notwendigkeiten literarischer Äusserung sind verschieden: es gibt jene innerste, spontane, die einfach in die Finger drängt, die Gestalt sucht um jeden Preis. Es gibt auch die andere aus dem Bewusstsein // 141 unbedingter Verpflichtung unter gesammelter Anstrengung mit Beschwörung aller Kräfte auszusagen, den Stoff zu durchformen wie ein Handwerker seinen Stoff formt. Dichtung ist hier Kunsthandwerk, das freilich fragwürdig wird, wenn der Anteil des spontanen Elements darin unter ein notwendiges Minimum sinkt. So treffen hellenistische Vergleiche von Gedichten mit geschnittenen Gemmen durchaus zu; es bedarf das Gedicht wie die Gemme eines Bildes, eines Ursprungsbildes oder zumindest einer Ursprungsempfindung im Geiste des Künstlers, // 142 dann aber vor allem auch des Stoffes, daraus das Bild geschnitten wird, des Wissens und grossen technischen Könnens. Dazu sehr gut Curtius über T. S. Eliot.
Die Notwendigkeiten literarischer Äusserung …*
- Details
- Konvolut: Notizbuch 1950
- Besonderes: Gleicher Text wieder im Tagebuch, 10.11.1950
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Prosanotat
- Datierung: vollständig
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: C-2-b/03
- Seite / Blatt: 140 (unten), 141, 142 (oben)

Die Notwendigkeiten li-
terarischer Äusserung sind verschie-
den: es gibt jene innerste, spon-
tane, die einfach in die
Finger drängt, die Gestalt sucht
um jeden Preis. Es gibt aber
auch die andere aus dem Be- //

wusstsein unbedingter Verpflicht-
ung aus unter gesammelter
Anstrengung mit Beschwörung
aller Kräfte auszusagen,
den Stoff zu durchformen . Das
wie ein Handwerker seinen Stoff
formt. Dichtung ist hier Kunst-
handwerk, das freilich frag-
würdig wird, wenn das spon-
tane der Anteil des spontanen
Elements darin unter ein
notwendiges Minimum sinkt.
So sind treffen die spät anti-
hellenistische Vergleiche von Ge-
dichten mit geschnittenen Gem-
men durchaus zu; es bedarf das
Gedicht wie die Gemme eines Bil-
des, eines Ursprungsbildes oder
zumindest einer Ursprungsempfin-
dung in der im Geiste des Künst- //

lers, dann aber vor allem auch
des Stoffes, daraus das Bild ge-
schnitten wird, des Wissens und
grossen technischen Könnens.
Dazu sehr gut Curtius über T.
S. Eliot.
10.11.50
Inhalt: Notizen, Prosa, 71 Entwürfe zu 54 Gedichten (8 Endfassungen)
Datierung: 7.12.1949 – 10.11.1950
Textträger: Blaues Notizbuch, liniert; Bleistift
Umfang: 144 beschriebene Seiten
Publikation: Gesicht im Mittag (7 Gedichte), Verstreutes (3 Gedichte)
Signatur: C-2-b/03 (Schachtel 79)
Spätere Stufen: Manuskripte 1948-51, Typoskripte 1945-50, 1948-50, Kutter
Kommentar: 9 Texte rhythmische Prosa, 21 reine Prosanotate, 1 Briefentwurf
Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften (3 private Prosanotate nicht erschlossen)