Dichtung als Ort der Begegnung: die Aufgabe der Dichtung ist, in der höchsten Helligkeit zu stehen, dem, der sie anschaut, den Zusammenhang des Ganzen in der Gestalt klar zu machen, soweit dieser Zusammenhang überhaupt erkannt werden kann. Die Grösse seines Anteils an dieser Erkenntnis und die Evidenz, mit der sie in ihm erscheint, entscheidet den Wert des Gedichtes.
02 Im Gedicht muss die vollkommene Kommunikation erscheinen, die Aufhebung der Grenzen, das grosse Postulat der neuen Phase der menschlichen Geistes- und Seelengeschichte, muss in ihm geschehen. Das vollkommene Gedicht // 107 wäre das, worin diese Aufhebung restlos durchgeführt würde. Es wird nie geschrieben. Im Augenblick, wo das geschähe, wäre jede weitere dichterische Bemühung überflüssig. Der Dichter müsste eigentlich alle Wissenschaften kennen, Natur- und Geisteswissenschaften: vom Wissenschafter unterschiede er sich dann dadurch, dass er von der Ebene der Erkenntnis in seinem Werk hinüberginge auf die Ebene der Gestaltung, dass in ihm das Erkannte zur anschaubaren Gestalt würde, jenes höchste Licht ausströmend, das ihr nun zuflösse, weil sie in den Zusammenhang gesetzt, dem inspirierenden // 108 Geist ausgesetzt wäre.