Schnell rollen die Gestirne über die Wipfel dahin,
schaukeln die Winde über der Flur,
wenn die Seherin sitzt nach langer Irrung am
Eingang der Grotte,
wo sich der Berg senkt zum Ufer des Flusses,
05 und überschaut ruhigeren Herzens die glänzende Tiefe,
die aus der Ebene fern ragenden Klippen,
leuchtend wie Segel der Schiffe tröstender Zukunft.
Tröstender Zukunft Verheissung kommt durch die Lücke der Wolke // 060
auf grün samtenem Grunde,
10 die weisse Sichel in farbigen Dünsten,
und in den Sternen die flüchtig in den wogenden Wolken
spielen, Dienerinnen, die prangende Herrin.
Noch einmal, nochmals bebt das innere Zelt,
das verschlossene Heiligtum des Herzens der Frau
am Eingang der Grotte,
15 nochmals, aber leise wie die Saite sich regt,
wenn der schlafende Spieler sie zufällig mit dem Ärmel berührt. // 061
Ihr Auge blickt gross, blickt freudig, das einst so viele
Tränen geweint,
blickt freudig hinaus zum Strom, zu den Klippen wie Segel,
zur Sichel empor in farbigen Dünsten,
20 zu den tanzenden Sternen,
blickt freudig auf all die Weite, die sie lange durchfahren,
ruft dann den Vogel vom Wipfel, dass er sich nähre aus ihrer Hand,
dass er sie nachher begleite, sitzend auf ihrer Schulter,
an ihre Wange das Köpfchen geschmiegt,
hinein in die bläuliche Grotte, bevor die Ränder sich röten.
Zum 60. Geburtstag meiner lieben Mutter
- Details
- Konvolut: Notizbuch 1950-51
- Details: V. 13 Emendation: der innere → das innere
- Letzter Druck: Unpubliziert
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Erste Fassung
- Schreibzeug: Bleistift
- Signatur: C-2-b/04
- Seite / Blatt: 059, 060, 061

Zum 60. Geburtstag meiner
lieben Mutter
Wie Schnell rollen die Gestirne über die
Wipfel dahin,
schaukeln die Winde durch über der
Flur,
wenn die Seherin
wenn die Weise sitzt nach langer
Irrung am
Eingang der Grotte,
wo sich der Berg senkt hinab zum Ufer
des Flusses,
05 und überschaut xx ruhigeren Her-
zens den Glanz
die glänzende Tiefe,
die aus der Ebene fern ragenden
Klippen,
leuchtend wie Segel der Schiffe
tröstender Zukunft.
Tröstender Zukunft Verheissung
kommt durch
die Lücke der Wolke //

auf dem grünen Samt samtenem
Grunde,
10 derie Mond weisse Sichel in farbi-
gen Dünsten,
wo die und in den Sternen, die
flüchtig in den wogenden Wol-
ken
spielen, Ehren Dienerinnen, die
prangende Herrin.
Noch einmal, nochmals bebt
das Herz der innere
Zelt,
das verschlossene Heiligtum des Her-
zens der Frau
am Eingang der Grotte,
15 nochmals, aber wie leise wie von
die Saite sich regt,
wenn der schlafende Spieler die
sie zufällig mit dem Ärmel
berührt. //

Ihr Auge blickt gross, blickt freudig,
das einst so viele Tränen
geweint,
blickt freudig hinaus zum Strom,
zu den Klippen wie Segel,
zumr der Sichel empor in far-
bigen Dünsten,
20 zu den tanzenden Sternen,
blickt freudig nochmals auf all
die Weite, die sie lange
durchfahren,
ruft dann den Vogel vom Wipfel,
dass er sich nähre aus ihrer
Hand,
dass er sie begleite nachher begleite,
sitzend auf ihrer Schulter,
an ihre Wange das Köpfchen
geschmiegt,
hinein in die bläuliche Grotte, bevor
die Ränder sich röten.
17.3.51
Inhalt: Prosanotate, Briefe, 88 Entwürfe zu 75 Gedichten (15 Endfassungen)
Datierung: 12.11.1950 – 14.12.1951
Textträger: Rotes Notizbuch, liniert, Bleistift
Umfang: 144 beschriebene Seiten
Publikation: Verstreutes (3 Gedichte)
Signatur: C-2-b/04 (Schachtel 79)
Spätere Stufen: Manuskripte 1948-51, Typoskripte 1948-50, Kutter
Kommentar: 29 Texte rhythmische Prosa, 20 gereimte Gedichte, 14 reine Prosanotate und Briefentwürfe
Deckblatt oben: Kuno Räber, Mitte: Begonnen am 12.11.50
Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften