Zur Lage: Sämtliche Ausgänge scheinen
versperrt. Mein Geld wird etwa in zwei Wo-
chen zu Ende sein: Ob mir dann Tante Luise
wieder etwas geben wird, oder vielleicht Tante
Martha, ist unsicher. Und selbst wenn: mit der //
Universität bin ich innerlich völlig zerfallen,
ich sehe nicht, wie ich die Ausarbeitung
einer so umständlichen und langwierigen
Diss wie es die meine ist, zustande bringen
soll. Hätte ich, wie es klug gewesen wäre,
eine leichtere Arbeit – etwa in der Art der
Bonjour-Thesen – genommen, so könnte alles
glatt ablaufen. Es hätte sich dann nur
um eine kleine Disp Disziplinübung
gehandelt: ein halbes, höchstens ein Jahr
durchzuhalten. Die Kägi-Arbeit aber,
die ich übernahm, ist unübersehbar. Ich se-
he nicht, wie grosse Ansprüche sie noch stel-
len wird und vor allem, wie lange – selbst
wenn mir das Geld zur Verfügung stün-
de – es dauern wir würde, bis ich sie
vollendet hätte. Sie verlangte auf je-
den Fall, auf Jahre hinaus Ab-
lenkung meiner zentralen Energie auf
etwas mir gänzlich fern Liegendes //
(nicht dass der Stoff mir fern läge, aber
die wissenschaftliche Methode, ihn zu
bearbeiten), auf etwas, was mir täglich fer-
ner rückt. Diese Leistung aber kostet mich
mein ganzes Gleichgewicht, die müh-
sam genug errungene innere relative in-
nere Harmonie. Unterdrückung meiner zen-
tralen Produktivität auf längere Zeit
macht mich gemütskrank. Ich verliere
meine ganze Sicherheit, kann nicht mehr
stehen: die Seekrankheit der Seele, mit
ungeheurer Anstrengung überwunden, be-
ginnt von neuem.
02 So sieht das Ganze von innen her aus.
Aber: ohne akademisch regulären Abschluss
ist es sehr schwer, eine irgend ihren
Mann nährende Stellung zu finden. Die
Gesellschaft verlangt unerbittlich das
Examen. Und ohne Stellung zu sein, kann
ich mir nicht leisten. Schon darum nicht, //
weil ich ein volles menschliches Leben
führen will, darauf kann ich noch
nicht, ja immer weniger resignie-
ren: ich möchte eine Frau lieben
und von ihr geliebt werden, ich möchte
Kinder haben. Und das kann ich nur
mit einem wenigstens kleinen Einkom-
men. Die Ehe ist für mi mich eine
men. Die Ehe ist für mi mich ein not-
wendige Lebensform, das Zentrum des Aus-
gleichs und der Behütunglgegen
gleichs und der Behütung vor denie schroffen
Angriffe der Welt, die Wehr, die hält,
wenn das Individuum für sich allein ins
Schleudern gerät. So wenigstens sehe
ich das heute.
03 Die ganze Problematik reichlich verkno-
tet. Ich sehe nicht, wie sich das alles lö-
sen soll. Gleichwohl, trotz aller Bedrük-
kung und allem Nichtwissen, ich zweif-
le nicht, dass ich mich durchsetze. Die Er-
fahrung lehrt mich dass ich am Ende stets //
stärker bin. Es gilt, nur, auszuharren.
Zu übereilen gibt es da nichts. Man kann
sich nicht genug genug der Geduld befleis-
sen.
10.4.49