Entstanden: 07. Dezember 1949
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während der Lektüre von Heliopolis:

der Stil Jüngers der eines Menschen,

der nur sehen nicht sieht, nicht

auch wenn er denkt, sieht, aber mit

für das Gesehne keinen angemes-

senen Vergleich findet in der Welt

der sichtbaren Dinge. Für ihn

sind alle Dinge Chiffren für

etwas, was er aber nur durch diese

Dinge sagen kann. Er ist auf

die Welt angewiesen, aber sie kann

ihm nicht genügen. Daraus

sein eigentümlich farbig-ab-

strakter Stil, die unwir übersinn-

liche Farbigkeit seiner Sprache.

Er ist Platoniker. Wie der Platonis-

mus in verschiedenen Formen sich

ja heute immer mehr verbreitet:

das Ungenügen an den irdischen

Dingen nimmt zu. Man sucht //

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wieder ihre Beziehung zu einem

Jenseitigen. Auch Jüngers Chri-

stentum ist platonisch, gno-

schstisch. Dieser Zug in Heliopo-

lis noch stärker als in den Mar-

mr morklippen. Die Lektüre

der Bibel wirksam.

02 Auffällig ist mir in

diesem Buch die , wie Herkunft die

Herkunft des Verfassers aus militä-

risch-aristokratischen Lebensform

Lebensformen im ganzen Weltgefühl

und in vielen Einzelheiten erscheint.

Er kann sich offenbar eine Gesell-

schaft wie die französische des

19. Jhdts. nicht wirklich vo vor-

stellen und er will es hier wohl

auch nicht. Seine „Freiheit“,

von ihr ist hier immer die Rede,

ist stets eine gewährte, im in der //

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Art eines barocken Hofes oder

eines antiken Stadtfürsten, der

inl seiner
an seinem Umgebung Künstler

und Gelehrte hält und von

ihnen will, dass sie frei sei-

en. Es scheint mir gegen

diesen Freiheitsbegriff nichts ein-

zuwenden, ja, ich finde ihn höch-

sten Ranges und einer eigent-

lich menschlichen Ordnung an-

gemessen. Nur wird Jün-

ger damit Mühe haben

durchzudringen in Kreisen und

Ländern wo man Freiheit

sich nur als die völlige Gleich-

berechtigung autonomer In-

dividuen erfahren kann.

Im liberalen Sinn auto-

nome Individuen gibt

es in Heliopolis nicht. Es

(7.12.49)

 

Infos
  • Besonderes: Fortsetzung in Notizbuch 1950. Gleicher Text wieder im Tagebuch, 7.12.1949
  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Prosanotat
  • Datierung: vollständig
  • Fassung: Zwischenfassung
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: C-2-b/02
  • Seite / Blatt: 140, 141, 142