Synopse

(9)
01.01.1948 * (nicht datiert)    (    )

Ihnen, den Liebenden, noch erscheint der geistige Engel …*

Ihnen, den Liebenden, noch er- 
scheint der geistige Engel wie
einst dem Abram zu Mittag
am Eingang des Zeltes,
05 in der Laube des Hauses der Väter, wo
fröhlich sie trinken und hinüber-
schaun zu den Türmen der Stadt, 
zu den Mauern, die nicht wehren dem
Sommer, wenn er hereinwogt
10 im wuchernd verschlungnen Geäst.

In: Notizbuch 1948-49
15.05.1948 * (nicht datiert)    (    )

Stillung des Sturms, und gereinigter Himmel …* (1)

Stillung des Sturms, und gereinigter Himmel, wie bläuliches Glas,
das All scheint wider und schmilzt mit dem Strome in eins.
Ungeduldig die Kähne wie Pferde vorm Fallen der Startschnur.
Meine Kehle ist hungrig, die Ferne zu schmecken. Gefühl
furchtbarer Leere.
05 Zu wohnen stets am Rande der Wüste, die zierlichen
Stauden vom Flugsand bedroht,
das Heidekraut, die wenigen …
Ist sie das Letzte denn, diese Leere, die graue, tödliche Öde?
Der Wind, der von draussen kommt und alles vertrocknet,
die Traube am Stock und in den Türmen die Glocke?
Diese furchtbarste Drohung.
10 Der Garten muss dennoch geliebt sein. Im Wirklichen hält ihn
die Liebe.
Sie, der einzige Schild gegen den Ansturm des Nichts. // 01v
Denn dies ist die grauenhafte Gestalt, die neue, des alten 
Dämonen; einfach Nichts.
Noch ist der Engel des Lichtes, der geistige, der uns begegnet¿
in Mamre
und überall, wo wir sitzen im Schatten vorm Zelt
oder auf dem Dach des Hauses der Väter,
15 wo glücklich wir trinken und hinüber schaun zu den alten
Türmen der Stadt,
zu den Mauern, die fast versinken im Laub und dem
vielverschlungnen Geäst.

In: Manuskripte 1948-51
15.05.1948 * (nicht datiert)    (    )

Stillung des Sturms und gereinigter Himmel …* (2)

Stillung des Sturms und gereinigter Himmel wie bläuliches Glas,
das All scheint wider, verschmilzt mit dem Strom.
Ungeduldig die Kähne wie Pferde vorm Beginn des Wettlaufs.
Meine Kehle ist hungrig, die Ferne zu schmecken. Gefühl
furchtbarer Leere:
05 zu wohnen stets am Rande der Wüste,
die spärlichen Stauden vom Flugsand bedroht, das Heidekraut, 
die wenigen Beeren, die dunkelsüssen¿ des Sommers.
Ist sie das Letzte denn, die Leere, die graue, tödliche Öde?
Der Wind, der von draussen kommt und alles vertrocknet?
Erstarren macht im verfallenden Turme die Glocke?
Diese schreckliche Drohung.
10 Dennoch muss der Garten geliebt sein. Im Wirklichen hält ihn die Liebe.
Sie, der einzige Schild gegen den Ansturm des Nichts.
Denn dies ist die grauenhafte Gestalt, die neue des alten Dämons; einfach Nichts. // 02v
Noch erscheint uns der Engel des Lichtes, der geistige, an der Terebinthe Mamres
und überall, wo wir sitzen im Schatten, vorm Zelt oder
auf dem Dach des Hauses der Väter,
15 wo fröhlich wir trinken und hinüberschaun zu den Türmen der Stadt
und zu den Mauern, die nicht, wie einstmals den Feinden, wehren dem Laub
und dem verschlungnen Geäst.

In: Manuskripte 1948-51
15.05.1948 * (nicht datiert)    (    )

Stillung des Sturms und gereinigter Himmel …* (3)

Stillung des Sturms und gereinigter Himmmel wie bläuliches Glas. 
Das All scheint wider im Strom.
Ungeduldig die Kähne wie Pferde vorm Beginn des Wettlaufs.
Meine Kehle lechzt nach Ferne. Gefühl furchtbarer Leere:
05 zu wohnen stets am Rande der Wüste,
die spärlichen Stauden vom Flugsand bedroht, das Heidekraut,
die wenigen Beeren des Sommers.
Ist sie das Letzte denn, die Leere, die graue tödliche Öde?
Der Wind, der von draussen kommt und alles vertrocknet?
Erstarren macht die Glocke im verfallenden Turm?
Diese schreckliche Drohung.
10 Und dennoch muss der Garten geliebt sein. Im Wirklichen
hält ihn die Liebe.
Sie, der einzige Schild gegen die verderbliche Brandung, // 03v
gegen den Ansturm des Nichts. Denn dies ist des alten
Dämons neue Gestalt; einfach Nichts.
Den Bereiten aber erscheint der geistige Engel, wie einst
zu Mittag an der Terebinthe Mamres,
auf dem Balkon des Hauses der Väter,
wo fröhlich sie trinken und hinüberschaun zu den
Türmen der Stadt, 
15 zu den Mauern, die nicht mehr wehren dem Sommer des Lands
da er schon vom Laube wogt herein, vom verschlungnen Geäst.

In: Manuskripte 1948-51
15.05.1948 * (nicht datiert)    (    )

Stillung des Sturms und gereinigter Himmel …* (4)

Stillung des Sturms und gereinigter Himmel wie bläuliches Glas.
Das All scheint wider im Strom.
Ungeduldig die Kähne wie Pferde vorm Beginn des Wettlaufs.
Meine Kehle lechzt nach Ferne. Gefühl furchtbarer Leere:
05 Zu wohnen stets am Rande der Wüste,
die spärlichen Stauden vom Flugsand bedroht,
das Heidekraut, die wenigen Beeren des Sommers.
Ist sie das Letzte denn, die Leere, die graue, tödliche Öde?
Der Wind, der von draussen kommt und alles vertrocknet?
Erstarren macht die Glocken im verfallenden Turm?
Diese schreckliche Drohung.
10 Und dennoch muss der Garten geliebt sein. Im Wirklichen
hält ihn die Liebe,
der einzige Schild gegen die verderbliche Brandung, // 04v
gegen den Ansturm des Nichts.

In: Manuskripte 1948-51
01.06.1948 * (nicht datiert)    (    )

Stillung des Sturms, gereinigter Himmel …* (5)

Stillung des Sturms, gereinigter Himmel: der geleerten
Flasche blaugrünes Glas scheint wider im Strom.
Ungeduldig die Kähne wie Läufer vorm Zeichen zum Start.
Meine Kehle lechzt nach Ferne. Gefühl furchtbarer Leere;
Am Wüstenrand zu wohnen, vom Flugsand bedroht, 
die spärlichen Stauden, die wenigen Beeren.
05 Aber der Garten braucht geduldige Wartung.
Plötzlich erhellt ihn blendend der Schweif des Kometen, // 05v
Smaragdgrün glänzt der Fluss. Dort
sind Bäume mit goldenen Kronen.
Wie schnell verleidet nicht die tägliche Speise!
Das Mahl lockt nicht mehr.
10 Hier doch erscheint plötzlich die Freude:
aus dem faden Wein erwacht der Gott von neuem.
Zutiefst in der perlmutternen Muschel steht er und lockt.
Angetan mit dem Fell des erschlagenen Raubtiers
lacht er, da seine List gelungen.
Sein Töten ist süss. Pforte des Rausches. Jenseits liegt
aus Wissen neue Verheerung.
15 Das ist furchtbar für den noch Sterblichen. Die andern
jedoch achten nicht mehr auf Schmerz.
Vom Pincio schauen sie nieder auf Rom, die sicher bemessene
Stadt.
Rings zwar droht lehmige Weite. Titanischer drohend in
der Ferne das Meer. 
Hier aber sind die geistigen Kuppeln gewölbt und die Säulen
über das Vage erhoben. 
Auf dem Kapitol leuchtet porphyrn Minerva. Zu ihren
Füssen der Quell kristallklaren Wassers.

In: Manuskripte 1948-51
01.06.1948 * (nicht datiert)    (    )

Stillung des Sturms, gereinigter Himmel …* (6)

Stillung des Sturms, gereinigter Himmel: der geleerten
Flasche blaugrünes Glas scheint wider im Strom.
Ungeduldig die Kähne wie Läufer vorm Zeichen zum Start.
Meine Kehle lechzt nach Ferne. Gefühl furchtbarer Leere:
Am Wüstenrand zu wohnen, die spärlichen Stauden, die
wenigen Beeren, vom Glutwind bedroht. 
05 Aber der Garten braucht geduldige Wartung, 
bis ihn blendend erhellt der Schweif des Kometen:
für einen Augenblick glänzt smaragdgrün der Fluss,
golden die Krone des Baumes.
Wie schnell nicht verleidet die tägliche Speise!
Bald schon reizt nicht mehr das Mahl.
Doch hier erscheint plötzlich die Freude<:> aus dem faden 
Wein erwacht von neuem der Gott:
10 Zutiefst in der perlmutternen Muschel steht er und lockt.
Angetan mit dem Fell des erschlagenen Raubtiers lacht er,
weil die List ihm gelungen.
Sein Töten ist süss, Pforte des Rausches. Jenseits liegt // 06v
neue Verheerung aus Wissen.
Das ist für den noch Sterblichen furchtbar. Die andern
jedoch achten nicht mehr auf Schmerz.
15 ( Vom Pincio schauen sie nieder auf Rom, die sicher
bemessene Stadt.
Rings zwar droht lehmige Weite, titanisch droht in der
Ferne das Meer. 
Hier aber sind die geistigen Kuppeln gewölbt und die Säulen
über das Vage erhoben. 
Vom Kapitol leuchtet porphyrn Minerva. Zu ihren
Füssen der Quell kristallklaren Wassers. )

In: Manuskripte 1948-51
01.06.1948 * (nicht datiert)    (    )

Stillung des Sturms, gereinigter Himmel …* (7)

Stillung des Sturms, gereinigter Himmel: der geleerten
Flasche blaugrünes Glas scheint wider im Strom.
Ungeduldig die Kähne wie Läufer vorm Zeichen zum Start.
Nach Ferne lechzt meine Kehle. (Gefühl furchtbarer Leere:)
Am Wüstenrand zu wohnen; die spärlichen Stauden, die
wenigen Beeren, vom Glutwind bedroht.

05 Aber der Garten braucht geduldige Wartung, 
bis ihn blendend erhellt der Schweif des Kometen:
für einen Augenblick glänzt smaragdgrün der Fluss,
für einen Augenblick golden die Krone des Baumes.
Wie schnell nicht verleidet die tägliche Speise! Bald schon
reizt nicht mehr das Mahl.

10 Doch hier erscheint plötzlich die Freude:
Aus dem faden Wein erwacht von neuem der Gott.
Zutiefst in der perlmutternen Muschel steht er und lockt.
Angetan mit dem Fell des erschlagenen Raubtiers lacht er,
weil die List ihm gelungen.
Sein Töten ist süss, Pforte des Rausches. Jenseits liegt neue
Verheerung aus Wissen.

In: Manuskripte 1948-51
01.06.1948 * (nicht datiert)    (    )

Stillung des Sturms, gereinigter Himmel …* (8)

Stillung des Sturms, gereinigter Himmel:
der geleerten Flasche blaugrünes Glas scheint wider im Strom.
Ungeduldig die Kähne wie Läufer vorm Zeichen zum Start.
Meine Kehle lechzt nach Ferne. (Gefühl furchtbarer Leere:)
05 Am Wüstenrand zu wohnen, die spärlichen Stauden, die 
wenigen Beeren vom Glutwind bedroht.
Der Garten braucht geduldige Wartung,
bis ihn blendend erhellt der Schweif des Kometen:
für einen Augenblick glänzt smaragdgrün der Fluss,
für einen Augenblick golden die Krone des Baumes.

10 Wie schnell nicht verleidet die tägliche Speise! Bald schon
reizt nicht mehr das Mahl.
Doch hier erscheint plötzlich die Freude:
aus dem faden Wein erwacht von neuem der Gott.
Zutiefst in der permutternen Muschel steht er und lockt.
Angetan mit dem Fell des erschlagenen Raubtierts lacht er,
weil die List ihm gelungen.
15 Sein Töten ist süss, Pforte des Rausches.
Jenseits liegt neue Verheerung aus Wissen.

In: Manuskripte 1948-51
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