Mittwoch, 13 Dezember 1950

An Peter Schneider, 13.12.1950

Lieber Peter,

hier der Vineta-Druck einiger meiner Gedichte: er ist nur zum Teil nach meinem Geschmack, das Exlusiv-Bibliophile erscheint mir bei einer Erstausgabe nicht ganz sachgemäss. Aber ich muss Rosenberg dankbar sein, dass er mir den Druck überhaupt angeboten hat: Wenig ist doch immer noch mehr als nichts!

Da es nur vierzehn Gedichte sind, fiel die Auswahl einseitig aus: ich wählte möglichst gleichartige, einigermassen im Zusammenhang stehende Stücke, so ergab es sich, dass anderes, dessen Veröffentlichung sich ebenso gut rechtfertigen liesse und diesem oder jenem nicht weniger gefallen würde, zurücktreten musste. Das liegt in der Natur des Unternehmens.

Soviel ich weiss, kommen in der nächsten Renaissance-Nummer weitere drei Stücke. Sie sind vielleicht doch etwas verschieden vom Ton des Bändchens: diese Mitteilung nur für den Fall, dass Du noch anderes zu sehen wünschest. Denn – hartnäckig, wie ich bin – habe ich die Hoffnung, dass ich doch einmal in Deiner Reihe die Ehre haben könnte, noch nicht aufgegeben. Obwohl die Lektüre von Silja Walter eher bedenklich stimmen muss: diese leicht fliessenden Verse verkaufen sich wohl ganz anders, als es meine umständlichen Produkte je könnten. Sie sind zu reflektiert, mit viel zu grosser Anstrengung geschöpft und geformt, als dass sich hoffen liesse, sie würden sich irgend einmal in absehbarer Zeit zu einigermassen sangbarer und damit auch leichter verkäuflicher Lyrik entwickeln.

Nun, ich vermute auf dem rechten Weg zu sein und glaube, dass uns heute nicht eine spätromantische, aus dem Urgeist des Volkstums oder ähnlichem gespiesene Manier verbindlich sein kann, sondern dass in unserer Lage, wo jeder auf den Kern seiner geistigen Wirklichkeit zurückgeworfen ist, nur die Tradition bestimmen // kann, die uns zur reinsten Darstellung des Geistigen auffordert: die Tradition der Antike, des Barocks, die unter den Neueren vielleicht am ehesten George und Borchardt aufgenommen haben. (Womit ich ja nicht etwa die Bedeutung eines Trakl z.B. herabmindern möchte: solche Figuren stehen zu weit ausserhalb jeder Reihe – aus reiner Gnade unmittelbar gleichsam – als dass sie hier angezogen werden könnten.)

Mit allen guten Wünschen für Weihnachten und das Neue Jahr der Deine

  • Besonderes:

    Absender-Adresse: Oberer Rheinweg 19, / Basel
    Betr. Gesicht im Mittag 1950

  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Brief
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Schreibzeug: Schreibmaschine
  • Signatur: B-1-SCHNPE (Schachtel 50)

Inhalt: Briefstellen zur Gedichtproduktion
Signatur: Vgl. Angabe bei den einzelnen Texten

Kommentar: Die Auswahl ist beschränkt auf einige wenige Briefe, v. a. aus der Verlagskorrespondenz;
vgl. auch einige Briefentwürfe Raebers in den Notizbüchern
Wiedergabe: Textkonstitution ohne Verzeichnung der Korrekturen

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