Von Wien
steigt er auf und über
dem Schwarzwald erscheint er
als ein heimischer Vogel und doch
05 war es vermutlich über dem persischen Hochland dass er
ausschlüpfte aus dem
Ei. Aber das ist
zu lange her. Über
Frankfurt steht er
10 ein halbes Jahrtausend und manche
behaupten sogar sie hätten
ihn mit zwei Köpfen gesehen ein Fabel-
tier sei er damals gewesen doch seither
ist er ein einfacher // 01v
15 Vogel nun schon
lange allein und ohne
Genossen und findet
zwischen den Wolken-
kratzern sein altes
20 Nest St. Bartholomäus nicht mehr schon auf
Goethe hatte er dort
nur noch exotisch
gewirkt wie aus einem fernen
Zwinger hergeflogen da fällt
25 eine Feder und dort
eine Feder herunter Passanten
lesen sie auf und erinnern
sich sie hätten im Nordosten
ihn neulich auf einem verschneiten
30 Sandplatz im Schnee
sitzen sehen abgemagert und heiss-
hungrig schnäbelnd wie lang
ists her dass er über den Toren der alten
Städte des Südens aus goldenen Tellern
35 frass und von Castel del Monte die Flotten // 02
der Sarazenen die Segel
des heiligen Markus erspähte dass er in der Grotte
am Palatin wohnte bequem
und gefürchtet noch heute
40 schmerzt ihn der Rauch in den Augen
womit man ihn austrieb.
Doch auch über Frankfurt wird er sich nicht mehr
halten können schon bald
hat er alle Federn verloren man wischt sie
45 jeweils morgens um fünf Uhr
an der Konstabler-
wache an der
Kaiserstrasse zusammen er fällt
wenn er Glück hat am Römer
50 herunter ein kahles
ausgemergeltes Aas liest ihn ein Türke
vom Pflaster auf und wirft ihn zum übrigen
Müll in den Container.
Frankfurt am Main I / Der Adler (A)
- Details
- Konvolut: Manuskripte 1979-83
- Letzter Druck: Abgewandt Zugewandt 1985
- Textart: Verse
- Datierung: vollständig
- Fassung: Zwischenfassung
- Schreibzeug: Tinte
- Signatur: A-5-h/03_106
- Seite / Blatt: 01r/v, 02

Frankfurt am Main – Der Adler A 1
I Der Adler
Von Wien
steigt er auf und über
dem Schwarzwald erscheint erscheint er
als ein heimischer Vogel und doch
05 war es vermutlich über dem persischen Hochland dass er
ausschlüpfte aus dem
Ei. aAber das ist
zu lange her. Über
Frankfurt steht er
am höchsten und
hoch und lange ein paar
hun
seit e ein
10 seit einem halbens Jahrtausend und manche
behaupten sogar sie hätten
ihn mit zwei Köpfen gesehen aber es ist ein Fabel-
ihn mit zwei Köpfen gesehen aber das kommt wohl
aber das kommt wohl
von einer östlichen Neigung
zum Üppigen und zum
Monströsen ein
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Fabeltier wäre¿ er dann aber gewesen doch heute seither
er ist↓er
er ist ein einfacher Vogel //

15 Vogel nun schon
lange allein und ohne
Genossen und findet
zwischen den Wolken-
kratzern sein altes
20 Nest St. Barholomäus nicht mehr schon auf
Goethe hatte er dort
nur noch exotisch
gewirkt wie aus einem fernen
Zwinger hergeflogen da fällt
25 eine Feder und dort
eine Feder herunter Passanten
lesen sie auf und erinnern
sich sie hätten im Nordosten ihn neulich
ihn neulich auf einem verschneiten
auf einem
30 verschneiten Sandplatz im Schnee
sitzen sehen abgemagert und heiss-
hungrig schnäbelnd wie lang
ists her dass er über den Toren der alten
Städte des Südens aus goldenen Tellern
35 frass und von Castel del Monte die Flotten //

Der Adler A 2
der Sarazenen die Segel
des heiligen Markus erspähte dass dass er in der Grotte
am Palatin wohnte bequem
und gefürchtet noch heute
40 schmerzt ihn der Rauch in den Augen
womit man ihn austrieb.
Doch auch über Frankfurt wird er sich nicht mehr
halten können hoch schon bald
in den Lüften und bald
hat er alle Federn verloren man wischt sie
45 jeweils morgens um fünf Uhr
an der Konstabler-
wache an der
Kaiserstrasse zusammen er fällt
wenn er Glück hat am Römer
50 herunter ein kahles
ausgemergeltes Aas liest ihn ein Türke
vom Pflaster auf und wirft ihn zum übrigen
Müll in den Container.
10.12.82
Inhalt: 359 Manuskripte und 5 Typoskripte zu 131 Gedichten, Hochdeutsch + Mundart (42 Endfassungen)<br><span class=">Datierung: 21.8.1979-20.3.1983
Textträger: 282 Einzelblätter (A4-Format), bräunliches, angegilbtes Papier, z. T. Typoskript-Makulatur; schwarze Tinte (spitze Feder)
Umfang: 121 Dossiers, 369 beschriebene Seiten
Publikation: Abgewandt Zugewandt (87 Gedichte): Hochdeutsche Gedichte / Alemannische Gedichte
Signatur: A-5-h/03 (Schachtel 42)
Herkunft: Nr. 1-58: Mappe EG 81-82-83; Nr. 59-121: Mappe EG 82-83
Frühere Stufen: Notizbuch (Mundart) 1979-82, Notizbuch (Hochdeutsch) 1980-88,
Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften; Reihenfolge entsprechend Datum und Zusammengehörigkeit modifiziert
Das Konvolut umfasst 121 Dossiers, die je ein Gedicht in meist mehreren Niederschriften (Fassung A, B … K) enthalten. Die Dossiers sind (basierend auf Fassung A) chronologisch angeordnet und umfassen den Zeitraum zwischen 21. Aug. 1979 (Lozärnergelände I) und 20. März 1983 (De Chräbs E). Die Niederschriften entstanden zeitversetzt zu den entsprechenden Eintragungen in Notizbuch 1979-82 (Mundartgedichte) und Notizbuch 1980-88 (Hochdeutsche Gedichte bis 4. Okt. 1982).
48 Mundartgedichte in 129 Fassungen (davon 12 Endfassungen); publiziert: 36
83 hochdeutsche Gedichte in 235 Fassungen (davon 29 Endfassungen); publiziert: 51
Die Zyklengedichte
Lozärn Zyklus (Dossier 1-5)
Zwischen 1. und 7. Sept. 1979 entstanden die Manuskript-Niederschriften A zu dem vierteiligen, auf Raebers Luzerner Kindheitserfahrungen basierenden Mundartzyklus Lozärn: dies in in direktem zeitlichem Anschluss an drei entsprechende Eintragungen im Notizbuch 1979-82 (Lozärn 2-4) und parallel zu den Manuskripten für den im Juni 1981 erschienenen Gedichtband Reduktionen.
Wie die erste Niederschrift (0) von Lozärn 1 vermuten lässt, sollte der Zyklustitel zuerst Lozärnerlegände ('Luzerner Legenden') heißen. Eine Notizbuchversion zu diesem Gedicht ist nicht überliefert. Zwischenzeitig (15.-18. Sept.) wurde der Zyklus-Titel Donde ond denne z Lozärn erprobt. Die Titel der erst im Oktober 1982 nachgetragenen Fassungen E von Lozärn 2 (Museggeromgang) und Lozärn 4 (Gwetter) signalisieren die Auflösung der Zyklusstruktur. Publiziert wurden schließlich in Abgewandt Zugewandt nur das erste und das vierte Zyklusgedicht, unter dem Titel Pfadfender bzw. Pfengschte.
Beschwörung (des Todes)
Erster Durchgang (A) ab Oktober 1982 (13 Nummern); vom 2. November an Verselbständigung weiterer früherer Zyklengedichte unter eigenen Titeln, im Dezember neuer Durchgang (B/C) mit Umstellungen und Tilgung von Gedichten (Vergleichstabelle).
New York I-IV (Mundart)
Vierteiliger Mundartzyklus, im Oktober/Nov. 1982 gesamthaft übernommen aus Notizbuch 1979-82 und nach wenigen modifizierenden Fassungen publziert in Abgewandt Zugewandt (unter dem abgeänderten, die Mundart betonenden Titel Neu York.)
New York I-VI (Hochdeutsch)
Vorausnahme von Sechste Avenue (New York III) im Februar 1982, die übrigen (Fassung A) Nov. 1982.
Rom I-X
Entstanden Dez. 1982 (Fassung A)
Escorial I-III
Entstanden Dez. 1982 (Fassung A)