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Mittwoch, 25 März 1959

Was nicht leicht herabfällt … (A)

Was nicht leicht herabfällt,
das ist eine Taube; man glaubt,
man hat sie schon in der Hand. Dann ist es
bloss ein Federball, mit dem auf dem Balkon
05 zwei Kinder spielten.
Es ist eine Büchse mit dem stinkenden Rest
von Sardellen. Man läuft
sein Leben durch Städte und läuft
den Häusern entlang, von denen ein Ziegel
10 niederhängt mit der Warnung: Achtung,
Dachdeckerarbeiten. Trotzdem
läuft man entlang. Man hofft immer, es falle // 02
die Taube einem herab in die Hand
und sträube wohlig die Federn.
15 Doch eher ist es ein Ziegel, der einen
erschlägt, eher
ein Blumentopf, den die Putzfrau
leichtsinnig vom Sims stösst, der einen
erschlägt …..

20 Aber du lachst:
Nein, nie hab ich auf eine
Taube, nie auf das Schwirren, das Fallen
der gesträubten Federn gewartet. Ich will,
ohne zu wissen warum, laufen
25 durch Städte und laufen mit geöffneter Hand den Häusern // 03
entlang, auch wo man Dächer
neu deckt und wo der Schnee in grossen
Brocken rutscht und poltert. Ich will
durch die Pfützen mit meinen brüchigen Schuhen,
30 die man lang schon neu sohlen
müsste, laufen. Ohne zu wissen, warum.
Denn was nicht leicht herabfällt,
das ist eine Taube.


Blatt 01 (A-5-e_01_092.jpg)

Wasnicht leicht
Was  herabfällt ..... A

Was nicht leicht herabfällt,

das ist eine Taube; man glaubt,

dass man sie schon in

man hat sie schon in der Hand. Dann ist es

bloss ein Federball, mit dem auf dem Balkon

05 zwei Kinder spielten.

Oder es ist eine Büchse

Es ist eine Büchse mit denm stinkenden Resten

von Sardellen. Man läuft

sein Leben lang durch Städte und läuft

den Häusern entlang, von denen ein Ziegel

10 niederhängt mit der Warnung: Achtung,

Dachdeckerarbeiten. Trotzdem

läuft man entlang. Man hofft immer, es falle //

Blatt 02 (A-5-e_01_093.jpg)

Was nicht leicht herabfällt ..... A 2

die Taube einem herab in die Hand

und sträube wohlig die Federn.

Eher

Aber

15 Doch eher ist es ein Ziegel, der einen

erschlägt, eher

ein Blumentopf, den die Putzfrau

leichtsinnig vom Sims stösst, der einen

erschlägt …..

20 Aber du lachst: Nein, nie hab ich

auf eine

Nein, nie hab ich auf eine Taube

Taube, nie auf das Schwirren, das Fallen

der gesträubten Federn gewartet. Ich will,

ohne zu wissen warum, gehen laufen

25 durch Städte und laufen mit geöffneter Hand den Häusern //

Blatt 03 (A-5-e_01_094.jpg)

Was nicht leicht herabfällt ..... A 3

Hand den Häusern entlang,

entlang, auch wo man Dächer

neu deckt und wo der Schnee in grossen

Brocken rutscht und poltert. Ich will

durch die Pfützen mit meinen brüchigen Schuhen,

Schuhen, die

30 die man lang schon neu sohlen müsste

müsste, laufen. Ohne zu wissen, warum. Denn:

was nicht leicht herabfällt,

Denn was nicht leicht herabfällt, das ist

das ist eine Taube.

25.III.1959

 

  • Besonderes:

    Verso: Typoskripte (↑Wer in das Totenreich vermessene Fahrt …; Bl. 03: Irrgeworden vor dem Ueberhellen …)

  • Letzter Druck: GEDICHTE 1960
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Strophen: ja
  • Schreibzeug: Tinte
  • Signatur: A-5-e/01_030
  • Seite / Blatt: 01, 02, 03

Inhalt: 71 Manuskripte und 64 Typoskripte zu 52 Gedichten (keine Endfassungen)
Datierung: 6.3.1959 – 11.5.1959; 1.8.1960 – 12.12.1960
Textträger: 161 Einzelblätter (A4-Format), Typoskript-Makulatur (außer Typoskripte); Bleistift
Umfang: 53 Dossiers, 166 beschriebene Seiiten
Publikation: GEDICHTE (27 Gedichte), Flussufer (7 Gedichte)
Signatur: A-5-e/01 (Schachtel 38)
Herkunft: Grüne Mappe GE 1959-60

Kommentar: Die Niederschriften für Flussufer begannen am 1.8.1960
Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften; Reihenfolge bei Zyklen angepasst

Weitere Fassungen