Entstanden: 07. Juli 1958

Du hebst das Horn
und vergiftest die Winde, 
hebst es auf vor dem Wald, 
den versteckten 
05 Blüten, den Teichen mit Rosen, 
den Grotten voll von Lianen. 

Du senkst das Horn 
und dringst hinein in den Wald; 
da sind die Blüten verfault 
10 und die riesigen Bäume verkohlt. 
Der Teich ist ein Moor ohne Rosen, 
Moder die Grotten. 

Du musst aber weiter, 
du musst durch die Gänge, 
15 gewundnen gleich deinem Horn, // 05
doch nicht purpurn.

Weh deinem weissen Fell:
denn da drinnen liegt nicht Minotauros.
Unter zerbrochnen
20 Glasdächern uralter Fabriken
bei rostroten Maschinen,
die keiner mehr zu bedienen versteht,
liegen die Mumien da:

Könige aus Leder
25 und Krokodile mit blätternden Schuppen
(Blätter, duftende Blüten)
Augen, offen und schimmlig
(im Teich die offenen Rosen). // 06

Hebe nochmals dein Horn, 
30 dann ist nur noch Staub, 
und du watest. 
Dann ist Staub nur noch statt Moder, 
statt Labyrinth, 
statt Mumien ist nur noch Staub 
35 und du watest bis zu den Knöcheln 
ganz im flimmernden Staub, 
watest im Kreis und siehst 
überall eine Jungfrau.

Infos
  • Besonderes: Schwarze Tinte
    Verso: Typoskript↑ (B1-B2: Wirr fährt hin und her der Vogel; B3: Vor dem offen auf den Strand geleerten)
  • Letzter Druck: Verstreutes
  • Textart: Verse
  • Datierung: vollständig
  • Fassung: Zwischenfassung
  • Schreibzeug: Tinte
  • Signatur: A-5-d/05_003
  • Seite / Blatt: 04, 05, 06