Du machst täglich deine „einsame Übung“
und weisst nicht,
ob es mehr ist als eine Clementi[s]-Etüde,
wertlos an sich,
05 woran du dich ganz (und mit übertriebenem Ernst) gibst.
Wirst du das Konzert selbst jemals spielen?
Wird nicht bloss die Art,
mit der du die Finger spreizest
und weit auseinanderliegende Tasten gleichzeitig anschlägst,
10 Vorbild sein für den Lehrer dessen,
der das Konzert einmal aufführt und kann?
Das ist vielleicht, höchstens, dein Auftrag.
Doch sicher weisst du,
dass die Schneegebirge über den Palmen, // 02
15 die grünen Brunnen, Granada und die Boboligärten
nicht mehr sind für dein Gedicht als deine Schmerzen am After,
dein stockender Stuhlgang, das Brennen.
Wer eine Fornarina geküsst und begattet,
schickt sie am Morgen fort.
20 Denn die „einsame Übung“ erträgt keine Gesellschaft.
Er wird sie malen, vielleicht als Madonna.
Aber es ist ihm lieber,
wenn sie ihn in der nächsten Nacht bei einem andern vergisst.
Die „einsame Übung“ verbietet die Liebe als Zustand.
25 Fiametta wird darum in der Kirche begraben,
und darum gehen die Huren
in der Prozession feierlich unter dem Himmel: // 03
Sie wiederholen unendlich das „retardierende Sterben,
um zwei Tote zu erzeugen“: Nur die Toten,
30 die Ausgeglühten, deren Herz
die Spritze Wollust stets neu wieder anästhesiert hat,
sind fähig zur „einsamen Übung“.
Wozu, wer weiss wozu?
Du weisst nur: die Brunnen, die Palmen, die Gipfel Granadas,
35 die Boboligärten treiben dich nicht mehr als die Schmerzen im After,
dein stockender Stuhlgang täglich zur „einsamen Übung“.