Montag, 26 August 1957

Die Sibylle (A)

Nur in den ersten Nächten des Frühlings
singt die Sibylle: erregt 
die dürren Gebirge zum Grünen. 
Treibt meinen Nachbarn 
05 in die Hotelbar zu den Schnäpsen, 
zwischen langwimprigen Blicken [,]
und schlecht geröteten Lippen. 

Mich regt sie auf, die rauhe, uralte, 
sie selber zu suchen: Ich laufe 
10 zum Tempel, sie hat sich in die Cella verborgen. 
Der Mond aber strahlt jetzt erst 
voll, die Hänge duften verderblich: 
die Droge wirkt jetzt erst am stärksten. // 01v
Mich erschrecken 
15 Ruinen schon wieder, und Blüten so üppig 
findet man sonst nur auf Gräbern: Ich laufe 
zu den Fällen des Anio: sie 
überrauschen nicht die laute 
Stimme, die aus der Cella 
20 jene sanfteste Strophe 
Hölderlins unerbittlich 
heiser und hart in die Nacht schreit.


Blatt 01r (A-5-d_02_171.jpg)

Die SibylleA

Nur in den ersten Nächten des Frühlings

singt die Sibylle: die braunen Gebirge erregt 

Gebirge sind für eine Weile

die   dürren Gebirge (für eine Weile) zum Grünen
die braunen Gebirge (für eine Weile) zum Blühen

Treibt meinen Nachbarn hinab

05 in die Hotelbar hinab zu den Schnäpsen ., 

[ Mich treibt regt die rauhe, uralte sie auf,

sie selber, die rauhe, uralte zu suchen ]

zwischen (den) langwimprigen Blicken,

und (den) schlecht geröteten Lippen. 
und  (ungenau)

Mich regt sie auf, die rauhe, uralte, 

sie selber zu suchen: Ich laufe 

zum Tempel, sie hat sich
10 zum Tempel, sie flieht in derie Cella .verborgen. 

sie ha

Der Mond aber strahlt jetzt erst,

voll, die Hänge duften jetzt erst am verderblich: 

die Droge wirkt jetzt erst am stärksten.

\ (Die Wirkung der Droge ist jetzt

  erst am stärksten.)  //

Blatt 01v (A-5-d_02_172.jpg)


Mich aber erschrecken schon wieder

schon wieder

15 leere Ruinen schon wieder, und Blüten so üppig 

findet man so nicht xxx üppig
Blüten erinnern an Gräber. Ich laufe
findet man sonst nur auf Gräbern.: Ich laufe 

hinab zu den Fällen des Anio: sie

überrauschen nicht
übertönen die laute , zerkratzte

Stimme der Sibylle, die mir im Hirn aus der Cella

immer xxxforttönt jene Strophe Hölderlins, der diese Landschaft

von¿mit¿ jener Strophe Hölderlins,

der noch die Süsse dieser Landschaft erfuhr.

Von weitem. Uns ist sie zu leicht

erreichbar , geworden. unerreichbar geworden.

[ der diese Landschaft von weitem

heiter besang. Hier klingt sie heiser. ]

20 jene sanfteste Strophe 

Hölderlins unerbittlich 

heiser und hart in die Nacht schreit.

26. VIII.57

 

  • Details:

    V. 07 schlecht] ungenau (Alternativ-Variante)

  • Besonderes:

    Bräunliches Papier; Blatt beidseitig beschrieben

  • Letzter Druck: GEDICHTE 1960
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Strophen: ja
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: A-5-d/02_025
  • Seite / Blatt: 01r/v

Inhalt: 89 Manuskripte und 11 Typoskripte zu 24 Gedichten und 2 szenischen Texten (2 Endfassungen)
Datierung: 27.11.1956 – 31.12.1957
Textträger:114 Einzelblätter (A4-Format); v.a. durchscheinende Makulatur von Gedichttyposkripten und bräunliche Blätter
Umfang: 27 Dossiers, 192 beschriebene Seiten
Publikation: GEDICHTE (10), Verstreutes (2)
Signatur: A-5-d/02 (Schachtel 37)
Herkunft: Mappe EG 57

Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften

Weitere Fassungen

Manuskripte 1957 (alph.)
(Total: 100 )
Manuskripte 1957 (Datum)
(Total: 100 )
Suchen: Manuskripte 1957