Mittwoch, 31 Oktober 1956

Zwischen den Kerzen (E)

Mir ist zwischen den Kerzen zu sitzen bestimmt;
und nachts nur darf ich die Früchte, 
die ihr mir, ihr Frommen, hinlegt, 
essen und trinken den Tee, 
05 den ihr mir unter Gebeten bereitet. 

Aber auch dann noch knien zwei auf der Treppe 
und warten auf das Wunder, 
das ich, wie sie glauben, zu wirken vergass. 
Doch ihr Blick irrt im Licht der Ewigen Lampe 
10 mit den Schatten der Votivdrachen hin und her an der Decke 
und findet mich nicht. 

Und dann, dumpfer Beter, muss ich dich ansehn: 
Wenn ich wie der andere Pilger, 
der mit dir flüstert von den Beschwerden der Reise, 
15 also flüstern könnte mit dir auf der Treppe, 
dann wäre ich der hilfreiche Gott, den du suchst. // 11

Aber nicht einmal aufzuschauen zu mir 
mit schrägem Schrecken im Auge gelingt dir, 
und so kann ich dir zwischen meinen Kerzen nicht helfen 
20 und esse müssig die Apfelsinen, die du mir darbringst, 
und schlürfe den Tee zum Flackern der Ewigen Lampe dort unten, 
wenn die Votivdrachen wegwandte der Windzug: 

Auf den Altar verbannt, würdig zwischen den Kerzen, 
während der Weihrauch mir einwölkt die Bewegung des Munds, 
25 woran du sonst sähest, dass ich nicht tot bin.


Blatt 10 (A-5-c_13_039.jpg)

E Zwischen den Kerzen

Mir ist zwischen den Kerzen zu sitzen bestimmt;

und nachts nur darf ich die Früchte, 

die ihr mir, ihr Frommen, hinlegt, 

essen und trinken den Tee, 

05 den ihr mir unter Gebeten bereitet. 

Aber auch dann noch knien zwei da auf der Treppe 

und warten auf das Wunder, 

das ich, wie sie glauben, zu wirken vergass. 

Doch ihr Blick irrt im Licht der Ewigen Lampe 

10 mit den Schatten der Votivdrachen hin und her an der Decke 

und findet mich nicht. 

Und dann, dumpfer Beter, muss ich dich ansehn: 

Wenn ich wie der andere Pilger, 

der mit dir flüstert von den Beschwerden der Reise, 

15 also flüstern könnte mit dir auf der Treppe, 

dann wäre ich der hilfreiche Gott, den du suchst. //

Blatt 11 (A-5-c_13_040.jpg)

E Zwischen den Kerzen 2

Aber nicht einmal aufzuschauen zu mir 

mit schrägem Schrecken im Auge gelingt dir, 

und so kann ich dir zwischen meinen Kerzen nicht helfen 

20 und esse müssig die Apfelsinen, die du mir darbringst, 

und schlürfe den Tee zum Flackern der Ewigen Lampe dort unten, 

wenn die Votivdrachen wegwandte ein der Windzug: 

Auf den Altar verbannt, würdig zwischen den Kerzen, 

während der Weihrauch mir einwölkt die Bewegung des Munds, 

25 woran du sonst sähest, dass ich nicht tot bin.

31.10.56

 

  • Besonderes:

    Verso (Bl. 10): Typoskripte (Sebastian Franck, S. 76)
    Bl. 11: bräunliches Papier

  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Strophen: ja
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: A-5-c/13_004
  • Seite / Blatt: 10, 11

Inhalt: 68 Manuskripte und 14 Typoskripte zu 14 Gedichten (keine Endfassungen)
Datierung: 27.1.1956 – 7.11.1956
Textträger: 113 Einzelblätter (A4-Format); v.a. durchscheinende Makulatur von Dissertation und Gedichttyposkripten, Nov. 1956 bräunliche Blätter
Umfang: 15 Dossiers, 128 beschriebene Seiten
Publikation: Die verwandelten Schiffe (7 Gedichte), Verstreutes (2 Gedichte)
Signatur: A-5-c/13 (Schachtel 36)
Herkunft: Grüne Mappe EG 56

Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften

Weitere Fassungen

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