Diese Seite drucken
Mittwoch, 20 Oktober 1954

Einfall (D)

Auch ich hätte Kaiser von Japan werden können,
ich hätte – endlich – eine feste Anstellung gehabt, 
und meine Liebe zum Prunk, zu aristokratischen Fomen, 
wie man häufig, sagt man, bei Bürgern von Republiken sie findet, 
05 wäre voll auf ihre Rechnung gekommen; 
auch hätte mich ganz einfach die Macht über so viele gelockt, 
die Möglichkeit zu edlen und rühmlichen Entschlüssen. 

Ich hätte Kaiser von Japan werden können, warum nicht? 
Aber die Vorstellung, auf einmal in Bilderschrift schreiben zu müssen 
10 (die, wenn ich recht verstehe, den Gedanken zwar und das Bild, 
nicht den Sprechlaut festhält, so abstrakt ist sie), 
widerstrebte meiner Trägheit, 
der Wechsel aller Lebensgewohnheiten und 
die Angst vor dem Unberechenbaren, ganz Fremden.

15 Und dazu die Pflichten der Repräsentation: 
die mir verböten, vielleicht, 
hinüberzusehn, wie jetzt eben, in den Spiegel, worin 
die rote Wand der Garage von jenseits der Strasse 
nicht vermag den Regentag zu erhellen und die 
20 Sonnenstore, die man offenbar hochzuziehen vergass, 
nun düster über die Scheiben herabhängt 
und trieft, eine tiefe Wiederholung der Wolken. // 08
Die dort hinüberzusehn mir verböten vielleicht: 
darum vor allem 
25 zog ich schliesslich es vor, nicht Kaiser von Japan zu werden.


Blatt 07 (A-5-c_08_222.jpg)

D
Einfall

Auch ich hätte Kaiser von Japan werden können,

ch hätte – endlich – eine si feste    Anstellung
ich hätte – endlich – eine sicheres Einkommen gehabt, 

und meine Liebe zum Prunk, zu aristokratischen Fomen,

wie man häufig, sagt man, bei Bürgern von Republiken sie

findet,

05 wäre voll auf ihre Rechnung gekommen;

auch hätte mich ganz einfach die Macht über so viele gelockt,

die Möglichkeit zu edlen und rühmlichen Entschlüssen. 

Ich hätte Kaiser von Japan werden können, warum nicht?

Aber die Vorstellung, auf einmal in Bilderschrift schreiben

zu müssen

(die, wenn ich recht verstehe, den Gedankenzwar
10 (die, wenn ich recht verstehe, den Gedanken  und das Bild,

nicht den Sprechlaut festhält, so abstrakt ist sie),

widerstrebte meiner Trägheit,

der Wechsel aller Lebensgewohnheiten und

die Angst vor dem Unberechenbaren, ganz Fremden.

15 Und dazu die Pflichten der Repräsentation:

die mir verböten, vielleicht,

hinüberzusehn, wie jetzt eben, in den Spiegel, worin

die rote Wand der Garage von jenseits der Strasse

nicht vermag den Regentag zu erhellen und die

20 Sonnenstore, die man offenbar hochzuziehen vergass,

nun düster über die Scheiben herabhängt

und trieft, eine tiefe Wiederholung der Wolken. //

Blatt 08 (A-5-c_08_223.jpg)

D Einfall 2

Die dort hinüberzusehn mir verböten vielleicht:

darum vor allem

25 zog ich schliesslich es vor, nicht Kaiser von Japan zu werden.

20.10.54

  • Besonderes:

    Typoskript mit Bleistiftkorrekturen

  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Verse
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Strophen: ja
  • Schreibzeug: Schreibmaschine
  • Signatur: A-5-c/08_031
  • Seite / Blatt: 07, 08

Inhalt: 205 Manuskripte und 25 Typoskripte zu 33 Gedichten (3 Endfassungen)
Datierung: 1.1.1954 – 27.12.1954
Textträger: 271 Einzelblätter (A4-Format)
Umfang: 36 Dossiers, 270 beschriebene Seiten
Publikation: Die verwandelten Schiffe (15 Gedichte), Verstreutes (3 Gedichte)
Signatur: A-5-c/08 (Schachtel 35)
Herkunft: Mappe EG 54 I, EG 54 II

Wiedergabe: Edierte Texte, Abbildungen, Umschriften

Weitere Fassungen