Entstanden: 20. März 1951

Schnell rollen die Gestirne über die Wipfel dahin,
wogen die Winde über die Flur, 
wenn die Seherin nach langer Fahrt sitzt am 
Eingang der Grotte, 
wo sich der Berg zum Ufer des Flusses hinabsenkt, 
05 und überschaut ruhigen Herzens die glänzende Tiefe, 
die fern aus der Ebene ragenden Klippen, 
leuchtend wie Segel der Schiffe tröstender Zukunft. 
Tröstender Zukunft Verheissung kommt durch 
die Lücke der Wolke 
auf grün samtnem Grund in der spielenden 
Schar der Sterne, 
10 flüchtigen Dienerinnen, die prangende Herrin, 
weisse Sichel in farbigen Dünsten. Noch einmal, 
nochmals bebt das innere Zelt, verschlossenes 
Heiligtum // 02
des Herzens der Frau am Eingang der Grotte, 
nochmals, doch leise, wie die Saite sich regt, 
15 wenn der Schläfer sie mit dem Ärmel berührt. 
Ihr Auge blickt gross, blickt freudig, das einst so 
viele Tränen geweint, 
blickt freudig hinaus zum Strom, zu den 
Klippen wie Segel, 
zu der Sichel empor in farbigen Dünsten, 
zu den tanzenden Sternen. Blickt freudig  
20 auf all die Weite, die sie lange durchfahren, 
ruft dann den Vogel vom Wipfel, dass er sich aus 
ihrer Hand 
nähre, dass er sie nachher begleite, sitzend auf 
ihrer Schulter, 
an ihre Wange das Köpfchen geschmiegt, 
hinein in die Grotte, bevor die Ränder sich röten.

Infos
  • Details: V. 20 Emendation: weite → Weite
  • Besonderes: Verso: Typoskript-Ansätze↑ (Eine schwere Dolde hängt …), durchgestrichen
  • Letzter Druck: Unpubliziert
  • Textart: Verse
  • Datierung: vollständig
  • Fassung: Zwischenfassung
  • Schreibzeug: Bleistift
  • Signatur: A-5-c/01_014
  • Seite / Blatt: 01, 02