Organisch und magnetisch

Synopse

  • Organisch und magnetisch.

    Notizbuch 1957-58 — Entstanden: 04. Juni 1958

    Voltaire
    vergleicht wie Schmetterlinge die Sitten,
    wie Käfer das Gehaben, die Meinungen, die
    Regierungsformen der Menschen,
    Er hält von allem Distanz und lächelt skeptisch.

    05Aber Greco wirft fiebernd die Figuren,
    ähnlich auch Van Gogh hin, und sie kreisen
    immer schneller, sie treibt, die Ohnmächtigen, // 100
    die Drehung und Schwerkraft eines Gestirns,
    das allmächtig herrscht und keinem
    auch nur ein winziges 
    10Biegen des Fingers aus eigener Laune erlaubt:

    Im Park sitzen die Schläfer in der Dämmerung
    auf den Bänken und schnarchen.
    Wenn du zwischen ihnen hindurchläufst,
    wer trieb dich aus dem Haus,
    15wer zieht dich zum Fluss, den man
    nur auf dem Geländer überqueren kann,
    es hat nur eine Eisenbahnbrücke,  // 101
    oder nur auf dem Geleise?
    Aber vielleicht kommt eben ein Zug.
    20Oder die Wachen schiessen den Kletterer
    ab vom Geländer. // 102
    Voltaire ist tot. Und es malen
    Greco und Van Gogh noch immer
    ihre Jüngsten Gerichte und ihre
    provenzalischen Sonnen.
    Dafür sitzen noch einen Sommer
    25auf dem Huflattich die Käfer, fliegen,
    sicher vor skeptischem Lächeln
    die Schmetterlinge über die Wiesen:
    noch diesen Sommer.

  • Organisch und magnetisch (A)

    Manuskripte divers — Entstanden: 29. Juni 1958

    Voltaire vergleicht wie Schmetterlinge die Sitten,
    wie Käfer die Meinungen, die Regierungsformen der Menschen.
    Er hält von allem Distanz und lächelt skeptisch.

    Aber Greco wirft seine Figuren im Fieber hin,
    05 ähnlich auch Van Gogh,
    und sie kreisen schneller und schneller.
    Es treibt sie die Drehung und Schwerkraft eines Gestirns,
    das allmächtig herrscht und keinem auch nur ein winziges Biegen
    des Fingers aus eigener Laune erlaubt.

    10 Im Park sitzen die Schläfer in der Dämmerung auf
    den Bänken und schnarchen.
    Du läufst zwischen ihnen hindurch mit schlechtem Gewissen: //
    wer trieb dich aus dem Haus,
    wer zieht dich zum Fluss?
    Es gibt nur eine Eisenbahnbrücke,
    15 du musst sie auf den Schienen überqueren oder
    auf dem Geländer.
    Und vielleicht kommt gerade ein Zug,
    oder die Wachen schiessen dich ab.

    Voltaire ist tot;
    und Greco und Van Gogh malen noch immer
    20 ihre Jüngsten Gerichte und ihre provenzalischen Sonnen.
    Dafür sitzen noch einen Sommer auf dem Huflattich die Käfer,
    fliegen, sicher vor skeptischem Lächeln,
    sicher vor Drehung und Schwerkraft irgendeines Gestirns,
    die Schmetterlinge über die Wiesen:
    25 noch diesen Sommer.

  • Reflexion: Organisch und magnetisch (B)

    Manuskripte divers — Entstanden: 17. Juli 1958

    Voltaire vergleicht die Schmetterlinge und Käfer.
    Er lächelt skeptisch und hält von allem Distanz.

    Aber Greco wirft seine Figuren im Fieber hin,
    ähnlich auch Van Gogh,
    05 und sie kreisen schneller und schneller.
    Es treibt sie die Drehung und Schwerkraftt eines Gestirns,
    das allmächtig herrscht und keinem auch nur ein winziges Biegen
    des Fingers aus eigener Laune erlaubt.

    Im Park sitzen die Schläfer in der Dämmerung auf den
    Bänken und schnarchen.
    10 Du läufst zwischen ihnen hindurch mit schlechtem Gewissen
    Was trieb dich aus dem Haus,
    was zieht dich über den Fluss?
    Es gibt nur eine Eisenbahnbrücke,
    du musst sie auf den Schienen passieren oder auf dem Geländer. //
    15 Und vielleicht kommt gerade ein Zug,
    oder die Wachen schiessen dich ab.

    Voltaire ist tot,
    und Greco und Van Gogh malen nicht mehr
    ihre Jüngsten Gerichte und provenzalischen Sonnen.
    20 Dafür sitzen noch einen Sommer auf dem Huflattich die Käfer,
    schaukeln, sicher vor skeptischem Lächeln,
    sicher vor Drehung und Zugkraft irgendeines Gestirns,
    die Schmetterlinge über die Wiesen:
    noch diesen Sommer.