Montag, 26 Mai 1952

26.5.52

Das Gedicht als Kugel: es soll nicht mit dem ersten Vers anfangen und mit dem letzten aufhören, wie ein Lied oder ein Marsch. Es soll von jedem Vers, jedem Wort aus gleichermassen ruhig hingespannt sein auf einen Kern, ein Mittelbild, das überall, aber überall, in jedem Vers und jedem Wort, anders gegenwärtig ist. Das Gedicht muss wohl ein abgeschlossenes Ganzes sein, genau umgrenzt, aber nicht vorwärts- oder rückwärtsschreiten. Es muss ruhen: wie das Leben, in dem die Spannungen da sind und gross sind, aber sich gegenseitig aufheben, in einer bebenden Ruhe, gefährlichsten Ruhe gleichsam. Sie kann jeden Augenblick zerreissen, // indem die eine Kraft zu stark zieht, die andern nachlassen. Das ist das Chaos, ihm folgt der Tod. Das gilt für unser Leben, das Leben überhaupt, und somit auch für dies reine Bild, diese geistigste Wiederholung des Ganzen, die das Gedicht sein soll.

[…]

  • Textart: Prosanotat
  • Datierung: Vollständiges Datum
  • Signatur: C-2-a/07
  • Werke / Chronos: Bd.6, 170, 171

Inhalt: Tagebuchauszüge zur Poetik und zu einzelnen Gedichten
Datierung: 1948 – 1991
Umfang: Ausgewählte Textstellen aus ca. 20 Tagebuch-Heften
Signatur: C-2-a/01 …, C-2-c/01 … (Schachtel 77-79)

Wiedergabe: Textkonstitution ohne Verzeichnung der Korrekturen

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