Synopse

(6)
Montag, 27 Mai 1957    (    )

Das Glashaus

Nur dazu öffnen die Diener mein Glashaus,
zuweilen, damit sie
mich tragen sehr schnell hinauf in die Luft,
sodass mich beim Aufstieg oft die Zweige der Wipfel
05 schmerzhaft peitschen
und mir dann die Sinne taumeln,
fürchtend, ich falle gleich hinab in die Öllache
auf dem Boden vor der grossen Tankstelle.
Dort hupt man, dort ruft man
10 und hört nicht den Zank,
den die Nachbarsengel entfachen // 024
mit meinen Engeln
sodass sie mich fast fallen lassen,
Hinab und hinauf taumle ich so
15 hoch oben und schwitze an Hände und Füsse.
Aber drinnen im Glashaus nützt es mir wenig,
dass ich die Hand ausstrecke, um einen,
der draussen vorbeigeht, zu grüssen:
ich zerschlage die Wand zwar,
20 aber die Scherben werfe ich ihm zugleich ins Gesicht,
er läuft schleunig und grusslos
weg und wischt sich mit dem
Taschentuch das Blut von der Stirn.
Ich darf nur ganz vorsichtig
25 ein anderes Mal, die Hand ein wenig // 025
heben, wenn jemand mich grüsst,
darf nie die Scheibe vergessen.

In: Notizbuch 1957-58
Mittwoch, 21 August 1957    (    )

Das Glashaus (A)

Die Engel öffnen mein Glashaus zwar zuweilen,
aber nur, um mich sehr schnell hinauf in die Luft 
zu tragen, sodass mich beim Aufstieg oft die Zweige der Wipfel 
schmerzhaft peitschen 
05 und ich fürchte, ich stürze 
gleich in die Öllache vor der Tankstelle hinunter. 

Dort hupt man, dort ruft man 
und hört nicht den Zank, 
den die Nachbarsengel mit meinen Engeln aufrühren, 
10 sodass sie, allzu heftig auf- und abfahrend und zerrend 
mich wirklich fallen lassen, beinahe. 

Und wieder drinnen im Glashaus, mir schwitzen noch Hände und 
Füsse, gehts mir nicht besser: 
Wenn ich die Hand ausstrecke, 
um einen, der draussen vorbeigeht, zu grüssen, 
15 zerschlag ich in meiner Freude die Wand 
und werf ihm die Scherben grad ins Gesicht. 
Sodass er schleunig wegläuft und sich mit dem // 01v
Taschentuch das Blut von der Stirn wischt. – 

Meinen Engeln aber sehe ich an, obwohl sie nie etwas sagen, 
20 dass sie die Arbeit, schon wieder 
eine neue Scheibe zu schneiden und einzusetzen, 
mir heimzahlen beim nächsten Spazierflug.

In: Manuskripte 1957
Montag, 18 November 1957    (    )

Das Glashaus (B)

Die Engel öffnen zwar zuweilen sein Glashaus,
aber nur, um ihn sehr schnell in die Lüfte 
zu tragen, sodass ihn beim Aufstieg oft die Zweige der Wipfel 
schmerzhaft peitschen 
05 und er fürchtet, 
gleich in die Öllache vor der Tankstelle hinunter zu stürzen. 

Dort hupt man, dort ruft man 
und hört nicht den Zank, 
den die Nachbarsengel mit seinen Engeln aufrühren, 
10 die dann, allzu heftig auf- und abfahrend und zerrend, 
ihn wirklich fallen liessen, beinahe. // 02v

Und wieder drinnen im Glashaus zerschlägt er, 
wenn er die Hand hebt, 
um einen, der draussen vorbeigeht, zu grüssen, 
15 in seiner Freude die Wand 
und wirft ihm die Scherben 
grad ins Gesicht, 
sodass dieser wegläuft 
und sich mit dem Taschentuch das Blut von der Stirn wischt. 

20 Seine Engel sagen zwar nichts: aber werden 
sie ihm die Arbeit, eine neue 
Scheibe zu schneiden, zu kitten, 
nicht schon morgen mit heftigem Fahren und Zerren 
heimzahlen, beim nächsten Spazierflug?

In: Manuskripte 1957
Freitag, 29 November 1957    (    )

Das Glashaus (C/D)

Die Engel öffnen
zwar täglich sein Glashaus, aber nur, 
um ihn schnell in die Lüfte 
zu tragen, sodass ihn der Wipfel 
05 peitscht und er fürchtet, 
hinab in die Öllache vor der Garage zu stürzen. 

Dort hupt man und ruft 
und hört nicht den Zank, 
den die Nachbarsengel mit seinen Engeln aufrühren, 
10 die heftig auf- und abfahren und zerren 
und ihn wirklich fallen liessen, beinahe. 

Doch wieder sicher im Glashaus, zerschlägt er, 
als er die Hand hebt, um einen, 
der vorbeigeht, zu grüssen, die Wand // 03v
15 und wirft ihm die Scherben 
grad ins Gesicht, 
sodass dieser das Blut 
mit dem Taschentuch von der Stirn wischt und wegläuft 

Seine Engel schweigen; aber 
20 sie werden die Arbeit, eine neue 
Scheibe zu schneiden, zu kitten, 
morgen heimzahlen beim Aufflug.

In: Manuskripte 1957
Datiert: 1957    (    )

Das Glashaus

Die Engel öffnen
zwar täglich sein Glashaus, aber nur,
um ihn schnell in die Lüfte
zu tragen, bis ihn der Wipfel
05 peitscht und er fürchtet,
hinab in die Oellache vor der Garage zu stürzen.

Dort hupt man und ruft
und hört nicht den Zank,
den die Nachbarsengel mit seinen Engeln aufrühren, 
10 die heftig auf- und abfahren und zerren
und ihn wirklich fallen liessen, beinahe.

Doch wieder sicher im Glashaus, zerschlägt er,
als er die Hand hebt, um einen,
der vorbeigeht, zu grüssen, die Wand
15 und wirft ihm die Scherben
grad ins Gesicht,
sodass er das Blut
mit dem Taschentuch von der Stirn wischt und wegläuft.

Seine Engel schweigen; aber
20 sie werden die Last, eine neue
Scheibe zu schneiden, zu kitten,
morgen heimzahlen beim AuffIug.

In: Typoskripte 1957
Datiert: 1960    (    )

DAS GLASHAUS

Die Engel öffnen
zwar täglich sein Glashaus, aber nur,
um ihn schnell in die Lüfte
zu tragen, bis ihn der Wipfel
05 peitscht und er fürchtet,
hinab in die Öllache vor der Garage zu stürzen.

Dort hupt man und ruft
und hört nicht den Zank,
den die Nachbarsengel mit seinen Engeln aufrühren, 
10 die heftig auf- und abfahren und zerren
und ihn wirklich fallen ließen, beinahe.

Doch wieder sicher im Glashaus, zerschlägt er,
als er die Hand hebt, um einen,
der vorbeigeht, zu grüßen, die Wand
15 und wirft ihm die Scherben
grad ins Gesicht,
so daß er das Blut
mit dem Taschentuch von der Stirn wischt und wegläuft.

Seine Engel schweigen; aber
20 sie werden die Last, eine neue
Scheibe zu schneiden, zu kitten,
morgen heimzahlen beim AuffIug.

In: GEDICHTE 1960
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